Made in Germany

Unverwüstliche Beliebtheit

Von Gregor Sander · 11.12.2013
Der Autorenprotest gegen Überwachung, der bedeutendste Altkanzler der Deutschen und der selbsternannte "Sänger der schweigenden Mehrheit" sind einige Themen der Feuilletons.
Es kommt eben immer auf den Standpunkt an. Da jubelt Iris Radisch im Aufmacher der Wochenzeitung DIE ZEIT: "Über 500 Schriftsteller aus aller Welt protestierten diese Woche gegen die Totalüberwachung des Bürgers. Damit deutet sich ein Epochenwechsel an: Der klassische Intellektuelle kehrt mit Wucht auf die öffentliche Bühne zurück."
In der TAZ hingegen ist zu lesen: "Der Schriftsteller Peter Wawerzinek protestiert gegen den 'Zirkel der Autoren': 'Der von Juli Zeh, Ilija Trojanow und Co initiierte Aufruf 'Writers Against Mass Surveillance', in der FAZ unter der Überschrift: 'Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter', ist selbst nicht unter demokratischen Bedingungen zustande gekommen." Der Bachmannpreisträger von 2010 moniert: "Die Autoren meines Landes wurden insgesamt nicht öffentlich aufgerufen, sich der Problematik zu stellen. Wir hatten wegen Unkenntnis der anstehenden Aktion, mangelnder Informationen und ungenügenden Kontakte also gar keine Möglichkeit, uns am Aufruf zu beteiligen. Alle aufgeführten Schriftsteller sind einzig nach deren Kenntnisstand und Freundeskreis von den Initiatoren angefragt worden, beziehungsweise die Angefragten haben die Anfrage an befreundete Autoren weitergeleitet." Er fühle sich so, Wawerzinek in der TAZ, "ausgenommen und benachteiligt".
In der Tageszeitung DIE WELT wundert sich Alexander Kohnen: "Die Deutschen glauben, dass Helmut Schmidt der bedeutendste Kanzler der Nachkriegszeit ist. Das ist das Ergebnis einer Forsa- Umfrage für den 'Stern'. 25 Prozent sind dieser Meinung. Dann folgen Konrad Adenauer (CDU, 23 Prozent), Willy Brandt (SPD, 18 Prozent) und Helmut Kohl (17 Prozent)."
Aber warum ist das so?, fragt sich Kohnen in der WELT. Schmidt sei als Kanzler ein guter Krisenmanager gewesen, aber keinesfalls beliebt:
"Es ist wohl so, dass sich die Deutschen durch die seit Jahren andauernden Schmidt-Festspiele ganz kirre machen lassen. Der bald 95-Jährige wird in TV-Porträts gelobt, in Interviews mit großen Tages- und Wochenzeitungen wird ihm gehuldigt. Seine Bücher stehen monatelang auf den Bestsellerlisten. Wenn er sich lange vor der Bundestagswahl für einen bestimmten SPD-Kanzlerkandidaten ausspricht, macht der 'Spiegel' das als Titel. All das verwischt die historische Wahrnehmung."
Aber auch Beliebtheit ist so eine Sache. Daran erinnert Barbara Möller ebenfalls in der WELT: "Heino ist der Mann, der in Deutschland mehr Platten verkauft als die Beatles. Und im Gegensatz zu denen immer noch da ist. Ein Phänomen volksmusikalischer Unverwüstlichkeit. Beziehungsweise unverwüstlicher Beliebtheit."
Dieses Phänomen wird nun 75 Jahre alt und ARTE sendet dazu am Samstag ein Portrait mit dem Titel "Heino – Made in Germany". Nina Pauer hat den Film schon gesehen: "Heino, das zeigt dieser filmische Streifzug, ist vor allem ein funktionaler Star. Eine Karte, die gespielt, eine Provokation, die gesetzt wird. Einer leicht gruseligen Puppe gleich wird er immer wieder aus dem Schrank geholt, es ist, als zwinge gerade die Grobheit seines urdeutschen Schlüsselreizes – blond – das Land immer wieder dazu, seine Identität in dieser Figur zu suchen, sich seiner selbst zu versichern, sich aufs Tiefste zu verabscheuen und sich stetig neu zu überschreiben. Er sei der 'Sänger der schweigenden Mehrheit', sagt Heino darüber."
Ein Mann des Karamba-Karacho war der Jazz-Gitarrist Jim Hall ganz sicher nie. 83-jährig verstarb der ehemalige Begleitmusiker von Ella Fitzgerald am Dienstag in New York, und die Feuilletons sind sich in ihrer Wertschätzung einig: "Seine Akkorde und Linien umgarnten zart und schlagfertig die Phrasen und Motive von Mitmusikern. So wuchs das Spielen über das Persönliche hinaus ins gemeinsame Musikalische. In dieser Kunst erreichte Jim Hall eine Perfektion, die sein Improvisieren nun tatsächlich als spontanes Komponieren auswies, schreibt Ueli Bernays in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Und die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG titelt: "Er war ein Gitarrist wie sonst keiner."