Machtpolitik

Russlands Imagekorrektur

Wladimir Putin schreitet durch eine goldbesetzte Flügeltür, die ihm von zwei Uniformierten geöffnet wird, zu seiner Rede.
Vor seiner Rede an die Nation: Wladimir Putin schreitet durch eine goldbesetzte Flügeltür. © dpa / picture-alliance / Michael Klimentyev
Von Gesine Dornblüth · 04.01.2014
Russland wird im In- und Ausland ernster genommen als noch vor einem Jahr, kommentiert Gesine Dornblüth nüchtern die Erfolgsbilanz von Wladimir Putin. Nun will der russische Präsident sein Land mit dem umstrittenen Homophobiegesetz als "Bewahrer traditioneller Werte" weltweit positionieren - und könnte auch damit Erfolg haben.
Es sollte ein Höhepunkt der Ära Putin werden, sein persönlicher Triumph: Die Olympischen Spiele in Sotschi, Spiele der Superlative. Wladimir Putin hat den Wettbewerb persönlich ans Schwarze Meer geholt. Es ging ihm dabei von Anfang an vor allem um eines: Die Chance, Russland weltweit, aber auch in der eigenen Bevölkerung einen Imagegewinn zu verschaffen.
Putins erklärtes Ziel seit seiner ersten Präsidentschaft ist es, Russland wieder den Platz in der Welt zu verschaffen, den es seiner Ansicht nach verdient. Dazu setzt das Land zunehmend auf sanfte Methoden: Auf PR-Kampagnen, auf Kulturexport, auf Sportereignisse. Sotschi ist dabei ein fester Baustein. Die Organisatoren der Spiele formulierten es so: Man werde der Welt 2014 den Geist des neuen Russland präsentieren und endlich aufräumen mit den Klischees Matrjoschka, Ziehharmonika und Wodka.
Nun haben die Attentäter von Wolgograd Putin einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf einmal sind sie wieder im öffentlichen Bewusstsein, in Russland und weltweit: Die verdrängten Probleme am Rand des Riesenreiches, der Nordkaukasus, der Terror. Und das Ausland fragt besorgt: Wie sicher ist Sotschi? Hat Putin das Land im Griff? Der Glanz von Olympia in Russland hat eine Schramme bekommen.
Dabei lief es in letzter Zeit gut für Putin. Er war auf seinem Weg, Russland zu internationalem Glanz zu verhelfen, ein gutes Stück weiter gekommen, schon vor Sotschi. Asyl für Snowden, die Chemiewaffeninitiative in Syrien, Russlands konstruktive Rolle im Atomkonflikt mit dem Iran – all das hat dafür gesorgt, dass Russland ernster genommen wird als noch vor einem Jahr.
Um das Großprojekt Sotschi kümmerte sich Putin weiterhin persönlich. Dort wurde geklotzt, nicht gekleckert. Geschickt hat der Präsident die ihm ergebenen Oligarchen zu immensen Ausgaben veranlasst, die sich niemals amortisieren werden. All die Wettkampfstätten und die gesamte Infrastruktur neu errichtet zu haben, ist eine logistische Megaleistung. Sie stehen. Erfolgreichen Wettkämpfen steht nichts mehr im Weg.
Am Homophobiegesetz hält er auf Biegen und Brechen fest
Der Kritik aus dem Ausland an mangelnder Rechtsstaatlichkeit, an politischer Justiz und der Unterdrückung Andersdenkender in Russland nahm Putin rechtzeitig vor Olympia den Wind aus den Segeln, indem er zahlreiche Regierungsgegner vorzeitig aus der Haft entließ: Chodorkowskij zum Beispiel und die Aktivistinnen von Pussy Riot. Ein kluger Schachzug.
Interessant ist übrigens die Frage, weshalb Putin zwar seine Kritiker vorzeitig freiließ, an dem international gleichfalls heftig umstrittenen Homophobiegesetz aber mit Biegen und Brechen festhält. Die Antwort liegt nahe. Russland will sich künftig als der Bewahrer traditioneller Werte profilieren: Familie, Kinder, Religion. In Abgrenzung von sogenannten europäischen Werten, zu denen auch die Toleranz gegenüber Homosexuellen gehört.
Dieser Rückgriff auf das traditionelle Familienbild ist Putins Machtbasis für die kommenden Jahre. Er weiß damit nicht nur die Mehrheit der Russen hinter sich, er will damit künftig auch im Ausland punkten, zum Beispiel bei den Amerikanern. Zu diesem Zweck nimmt dieses Jahr eine neugeschaffene Auslandsagentur ihre Arbeit auf. Deren Chef ist als homophob und antiliberal bekannt. Ein weiterer kluger Schachzug Putins. Es gibt genug Erzkonservative weltweit, die den Verfall traditioneller Werte beklagen.
Soweit also die Pläne zu Russlands Imagekorrektur, in denen Sotschi ein fester Bestandteil ist. Ob die Pläne aufgehen, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie es mit dem Terror in Russland weitergeht. Weitere Anschläge vor den Olympischen Spielen wären eine Katastrophe, egal wo, ob in Sotschi selbst oder anderswo in Zentralrussland.
Wenn es mit dem Imagegewinn Russlands in der Welt nicht klappt, bleibt Putin ein Trost: Innenpolitisch werden ihn die Attentate von Wolgograd eher stärken. Putin hat das Volk angesichts des Terrors zur Einheit aufgerufen. Patriarch Kyrill schloss sich an, machte in seiner Neujahrspredigt einen "Plan" der terroristischen Kräfte aus, eine "Kriegserklärung an das Volk", deren Ziel es sei, die Menschen zu verschrecken und zu solidarischem Handeln unfähig zu machen. Kyrills Worte haben in Russland Gewicht. Die Russen werden die Reihen schließen.
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