Lyrik-Lesung

Zeitlose Zeilen

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
"Es ist was es ist / sagt die Liebe" - das die wohl bekanntesten Zeilen von Erich Fried. © dpa picture alliance / Werner Baum
Von Sigrid Menzinger · 30.05.2014
Mit seinen "Liebesgedichten" (1979) wurde Erich Fried zum meistgelesenen Lyriker nach Bertolt Brecht. Jetzt erscheinen die Gedichte lustvoll interpretiert von prominenten deutschen Sprechern. Bei der begleitenden Musik wäre etwas weniger besser gewesen.
Ich bin wieder - weil Du bist
Du bist gekommen, du wieder
Und immer wieder wieder Du
Du, Du, Du und ich
Immer wieder und wieder
Auch nach zig Jahren klingen diese Zeilen für mich alles andere als gestrig: berührend und unverbraucht. Die Hingabe, das Sentiment und das gelegentliche Pathos treffen mich heute noch ebenso wie die stets darunter liegende Melancholie:
wenn ich einschlafen will
und nicht mehr wachen zur täglichen Trauer
um das was geschieht in der Welt
und was ich nicht verhindern kann
beginnt da und dort sich ein Wort zu putzen und leise zu summen
der halbe Gedanke kämmt sich und sucht einen anderen
der vielleicht eben noch an etwas gewürgt hat
was er nicht schlucken konnte
Doch jetzt sich umsieht
und den halben Gedanken an der Hand nimmt,
und sagt zu ihm:
Komm
Da hadert der homo politicus mit der Welt - und verleiht zugleich seiner Sehnucht beredten Ausdruck. Und der Liebe:
aber das unbeschreiblich immer größer Werden der Liebe
von dem ich schreibe
das erlebt man bei Tag und bei Nacht
auch in der Nähe
13 Top-Sprecher
Von der Nähe handeln Erich Frieds Gedichte, von der Unmöglichkeit der Liebe, ihrem innewohnenden Ende - und von ihrer Irrationalität. "Ich sehne mich nach Dir, weil ich mich sehne", schrieb er - und:
Ich liebe Dich, nicht weil es gut oder schlecht ist
Und nicht weil es Recht oder Unrecht ist
Sondern, weil ich Dich liebe
Klug, nachvollziehbar und kenntnisreich hat Regisseur Christoph Grube die zweiundzwanzig Gedichte auf die sage und schreibe dreizehn Top-Sprecher-Stimmen verteilt:
Zu viele Linien waren in meiner Hand
zu viele Menschen waren auf dieser Messe
zuviel Ge-soll und Ge-haben
zuviel Zeit ohne Dich
Die Texte kommen oft so wohltuend lakonisch daher. Aber warum ist das Intermezzo nach diesen eben gehörten vier Zeilen fast eine Minute lang!? Damit überfrachten die durchaus anhörbare Musik und die atmosphärischen Töne die meisten Gedichte unnötig. Da scheint mir "Wortschatz" doch ein bisschen zu verliebt in sein eigenes kompositorisches Werk.
Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich Dich
nicht getroffen hätte -
Es wäre nur nicht
mein Leben
Ich hab dich so lieb, dass ich nicht mehr weiß
ob ich Dich so liebhabe
oder ob ich mich fürchte zu sehen
was ohne Dich in meinem Leben noch am Leben bliebe
Das für mich Schönste aber ist auch Erich Frieds berühmtestes Gedicht über die Liebe. Die Unsinn sei, Unglück, Stolz - und aussichtslos. Und dennoch:
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht
Es ist, was es ist, sagt die Liebe
Es ist lächerlich,
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried: wieder / und immer wieder / wieder du
Erich Frieds Liebesgedichte, gelesen von Hannelore Elsner, Jessica Schwarz, Alexander Fehling, Charles Brauer, Benno Führmann u.a., musikalisch untermalt vom Duo Wortschatz
Random House Audio
1 CD, 75 Minuten, 29,90 Euro