"Lust und Laster" von Evelyn Waugh

Eine Gesellschaft vergnügungssüchtiger Taugenichtse

Zwei Champagnergläser stehen auf einem Tisch.
In Waughs Roman betrinken sich alle unablässig und interessieren sich für gar nichts. © picture alliance / ZB - Jens Kalaene
Von Manuela Reichart · 01.06.2015
Party, nichts als Party: Mit der jungen Generation war in den 1920er-Jahren in England sonst nicht viel anzufangen. "Lust und Laster", der zweite Roman des großen Gesellschaftsautors Evelyn Waugh, ist in einer hervorragenden neuen Übersetzung erschienen.
Als das Buch 1930 erschien, war der (1903 geborene, 1966 gestorbene) englische Autor frisch geschieden und hatte seiner offenbar vergnügungssüchtigen Frau in diesem, seinem zweiten Roman eine - nicht gerade schmeichelhafte - Hommage gewidmet.
Nina schiebt die Hochzeit mit dem Helden, einem jungen Klatschkolumnisten, immer wieder auf, je nach dem, wie dessen finanzielle Lage gerade aussieht. Schließlich entscheidet sie sich doch lieber für einen reichen Erben. Weil sie sich mit dem jedoch schon auf der Hochzeitsreise entsetzlich langweilt, betrügt sie ihn gerne und ohne Skrupel mit dem Ex-Bräutigam. Aber auch der ist nicht gerade moralisch integer, hatte er die Geliebte doch seinem Nebenbuhler quasi verkauft, weil er Geld brauchte, um seine Mietschulden zu zahlen.
Generation egoistischer Taugenichtse
Evelyn Waugh schildert in diesem rasanten Gesellschaftsroman eine junge Generation von egoistischen Taugenichtsen, die von Party zu Party eilt:
"Kostümpartys, wilde Partys, viktorianische Partys, griechische Partys, Wildwest-Partys, russische Partys, Zirkus-Partys, Partys, auf denen man angezogen kommen sollte wie jemand anderes, halbnackte Partys in St John's Wood, Partys in Apartments und Ateliers, in Häusern, auf Booten, in Hotels und Nachtclubs, in Windmühlen und Schwimmbädern .... alle diese Abfolgen und Wiederholungen und Ansammlungen von Menschen... Lust und Laster ..."
Alle betrinken sich unablässig und interessieren sich für gar nichts. Aber auch die ältere Generation - Politiker, reiche Leute und bornierte Adlige - taugt nicht gerade als Vorbild. Am Ende bricht der Zweite Weltkrieg aus, und das Fest ist zu Ende.
Der britische Schriftsteller Evelyn Waugh im Jahre 1961.
Der britische Schriftsteller Evelyn Waugh© picture-alliance / dpa / PA
Evelyn Waugh, der selber als Reporter gearbeitet hat, lässt seinen Helden durch eine entschieden oberflächliche Welt schliddern, es geht um korrupte Journalisten und eine marode Filmproduktion, das Geschäft mit esoterischem Firlefanz und verrückte Sportbegeisterung. Lauter Geschichten von gestern, deren Motive höchst vertraut klingen.
Amüsante Gesellschaftssatire
Bitter und genau beschreibt Waugh in seiner amüsanten Gesellschaftssatire Menschen, die bereit sind, sich zu Tode zu amüsieren. Keine seiner Figuren gewinnt dabei wirklich Kontur oder Charakter, er setzt vielmehr auf slapstickartige Konstellationen und groteske Situationen. In atemberaubender Geschwindigkeit lässt er sein Personal auf- und abtreten, schreibt grandiose Dialoge und benutzt eine dramaturgische Schnitttechnik, die man aus dem Kino kannte und kennt. Alles dreht und bewegt sich:
"Bis – wie ein kreiselnder Taifun – der Lärm der Schlacht zurückkehrte."

Evelyn Waugh: Lust und Laster
Aus dem Englischen von pociao
Diogenes Verlag, Zürich 2015
285 Seiten, 23,90 Euro

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