Lupo Martini Wolfsburg

Deutschlands ältester Gastarbeiter-Verein

Das Stadion von Lupo Martini Wolfsburg
Das Stadion von Lupo Martini Wolfsburg © Deutschlandradio/Heinz Schindler
Von Heinz Schindler · 09.10.2016
Die italienischen Gastarbeiter von VW lebten vor mehr als 50 Jahren in einem umzäunten Teil Wolfsburgs. Als Ablenkung nach Schichtende entstand die Idee, einen Verein zu gründen. Mit dem Lupo Martini Wolfsburg erreichten sie mehr Zuschauer als damals der VfL Wolfsburg.
Dort, wo heute die moderne Arena des VfL Wolfsburg steht, lag vor mehr als 50 Jahren und damit gerade einmal fünfzehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das hoch umzäunte Italienerdorf. Motor und Schattenseite des wirtschaftlichen Aufschwungs, erinnert sich Giuseppe Genetiempro.
"Man war vom Werkschutz bewacht, man war da schon sein eigenes... Wie ein Lager, wie ein Ghetto. Und dieser Fußball bot halt die Chance, da ein Stück rauszutreten und Kontakte zu knüpfen und das ist ja auch im Laufe der Jahre auch, wir sind ja total integriert mittlerweile."
Die Sozialabteilung von VW und der italienische Geistliche Don Barenti kamen damals auf die Idee, die in Wolfsburg noch heute gilt: Sport als Ablenkung nach Schichtende, so der zweite Vorsitzende von Lupo Martini, Giovanni Carboni.
"Damals wurde der Verein gegründet, weil es kamen ungefähr zehntausend Italiener nach Wolfsburg. Die hatten am Wochenende natürlich auch viel Freizeit. Sind dann auch öfters mal unterwegs gewesen und es gab dann auch manchmal ein bisschen Ärger. Aus diesem Grund hat man sich gedacht, man müsste den italienischen Herren etwas bieten, wo die am Wochenende dann Abwechslung haben. Und so entstand dann der Verein Lupo und das war 1962."

Ein Schlüssel zur Integration

Der Sportverein Lupo war der erste von Gastarbeitern gegründete Verein in Deutschland. Er hatte weitaus mehr Zuschauer als der damals noch sehr kleine VfL Wolfsburg. Giuseppe Genetiempro, Spartenleiter bei Lupo Martini, erinnert sich daran, dass Spiele gegen Lupo immer auch ein wenig Deutschland gegen Italien waren:
"Gerade beim den Gegnern wurde das immer als Länderspiel tituliert, das Spiel gegen Lupo. Als kleiner Junge, das weiß ich, weil ich da mit meinem Vater immer dabei war, da hat man dann auch angefangen, den Gegner mal einzuladen ins Centro Italiano, das war dann damals der Anlaufpunkt, das war in der Stadt. Und da hat man dann zusammen auch mal gefeiert und den Gegner zum Wein eingeladen und zur Pizza und zum Grillen und so weiter. Und da gab's dann die dritte Halbzeit, ja."
Ein Schlüssel zur Integration. - Lupo und der mittlerweile gegründete Verein Martini fusionierten zu Lupo Martini, dessen Heimat in Wolfsburgs Nordstadt liegt, wo die alteingesessenen Wolfsburger ihr Reihenhaus haben. 400 Mitglieder, 300 davon sind Jugendliche, hat der Verein, der inzwischen so international ist wie die Bevölkerung in der Autostadt.
"Der Verein Lupo Martini ist noch ein italienischer Verein, aber ich denke mal, siebzig Prozent aller Mitglieder sind nicht mehr Italiener. Und sogar in unserer ersten Mannschaft spielen nur noch zwei Italiener. Das aufgrund natürlich, weil in der Regionalliga hat man nicht mehr so viele Italiener, die die Klasse spielen könnten. Wir sind jetzt ein absoluter internationaler Verein."

"Sehr viel Volkswagen zu verdanken"

Dessen Vorzeigestück ist die erste Mannschaft, die im letzten Sommer in die Regionalliga Nord aufgestiegen ist. Mit Fußballern, die oft eine Vergangenheit beim VfL hatten, dort dann aber doch nicht Profi wurden und parallel zum Beruf bei Lupo Martini spielen, erzählt Franciso Coppi, der Trainer:
"Wir profitieren natürlich auch von der guten Jugendarbeit des VfL, weil wir die spielhöchste Mannschaft nach dem VfL in Wolfsburg sind. Und die Kontakte zwischen Lupo und VfL sind eigentlich ziemlich groß und wir tauschen uns eigentlich jede Woche mit denen aus."
Bei den Sponsoren gibt es inzwischen mehr und mehr deutsche, allen voran VW, das gern seine lokale Verbundenheit dokumentiert. Über deren Umfang man aber nicht redet. - Trainingslager werden gern in Italien abgehalten und manchmal kommt von dort sogar prominenter Besuch wie Luca Toni. Mit Hilfe des Autokonzerns, wie so oft, wie bei so vielem, erzählt Giovanni Carboni:
"Wir haben natürlich sehr viel Volkswagen zu verdanken, weil die das Ganze dann auch organisieren. Luca Toni zum Beispiel war begeistert. Der konnte es nicht fassen, dass wir so viele Italiener hier in Wolfsburg haben. Er kam hierher, da waren über tausend Kinder hier auf einmal und die ihn empfangen haben. Das war 'ne tolle Aktion. Es hat sich rumgesprochen und das spricht, glaub ich, für Lupo Martini."
Der multikulturelle Verein unter italienischer Führung pflegt die Mentalität einer großen Familie, der Vorstand etwa tagt öffentlich an einem Tisch in der Pizzeria, wo Eltern auf ihre kickenden Kinder warten. Dieses Zwischenmenschliche will Lupo Martini als seine DNA verstanden wissen – ganz gleich, welche Erfolge der Verein noch haben wird.

Mit der Sport- und Integrationswissenschaftlerin Tina Nobis haben wir uns zudem darüber unterhalten, wie der Sport zur Integration beitragen kann. Hier hören Sie das Interview
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