Luftige Schriftzüge

Von Nina Gruntkowski · 18.10.2011
Er stellt Schriftzüge auf Dächer. Niemand kann sie sehen. Nur das Geoinformationsprogramm Google Earth oder der Kartendienst Google Maps nehmen per Satellit von den Botschaften Notiz. Mittlerweile hat Achim Mohné zusammen mit seiner Lebenspartnerin Uta Kopp 18 Dächer von Kunst- und Kulturinstitutionen in Deutschland, Brasilien, Südafrika und Estland betextet.
Das Starten des Rechners - ein vertrautes Geräusch für Achim Mohné. Früher brauchte der Fotograf und Künstler noch ein großes Atelier; heute reicht ihm der Computerarbeitsplatz im aufgestockten Obergeschoss seines Einfamilienhauses in Köln.

"Jetzt logge ich mal schnell ein, ne?"

"Jetzt sind wir hier auf der Website von remotewords. Das ist quasi das Herzstück des Projektes. Wenn ich jetzt mal hier auf die erste Station gehe, die 2008 gemacht wurde, der Kunstraum Fuhrwerkswaage im Kölner Süden. Dann ist man sofort auch im Google Earth Bild drin."

Eigentlich müsste auf dem Dach des Kunstraums in roten Lettern "In art we trust" – wir glauben an die Kunst – geschrieben stehen. Denn Achim Mohné hat das Dach 2008 zusammen mit seiner Lebenspartnerin Uta Kopp beschriftet. Doch das Google-Satellitenbild zeigt den Schriftzug nicht – es ist seit über vier Jahren nicht aktualisiert worden.

"Normalerweise wird es einem bei Google Earth gar nicht bewusst, dass das eben so ein Flickenteppich ist und es gibt auch sehr viele Leute, die das für ein Live-Bild halten, die sagen, ,Da steht doch jetzt gar nicht mein Auto, mein Auto steht doch vor der Tür. Wieso sehe ich das da jetzt nicht?‘ (lacht) Das Interessante ist ja, dass das Digitale immer von der Echtzeit redet. Dass aber da die Echtzeit wirklich fünf Jahre alt ist, ist vielen Leuten nicht bewusst."

Und genau dies brachte Achim Mohné auf die Idee, sich dieses Medium zunutze zu machen. Zwar dauert es eine Weile, bis die Satelliten die Botschaften auf den Dächern fotografieren - doch sind sie erst einmal in das Geoinformationsprogramm Google Earth oder den Kartendienst Google Maps hochgeladen, bleiben sie dort für lange Zeit sichtbar.

Es gibt jetzt 18 Stück, bei Google Earth sind aufgetaucht mittlerweile vier. Und zwar ist das Johannesburg, das ist die Zeche Lohberg in Deutschland. Dann gibt es Sao Paulo und die Akademie der Künste in Berlin.

Die Dächer, die bislang nicht von den Satelliten erfasst worden sind, kann man sich auf der Website des Kunstprojektes remotewords als Luftbildfotografien anschauen. Denn manchmal sind die herkömmlichen Wege eben doch verlässlicher als die digitale Welt, erklärt der 48-Jährige mit einem breiten Grinsen.

"Wir verbreiten uns ja in einem digitalen Medium, arbeiten oder hacken dieses Medium aber eigentlich analog."
"Was ist das für ein Geräusch?" "Das ist der Rasenmäher (lacht). Ich hatte mir ja schon gedacht, dass der irgendwann anspringt!" (lacht)."

Wenn es nicht gerade der lärmende Rasenmäher des Nachbarn ist, fühlt sich Achim Mohné durchaus von der analogen Welt angezogen. Seine Botschaften trägt er meist eigenhändig mit der Farbrolle auf die Dächer auf und auch seine ersten beruflichen Schritte machte er in der damals noch analogen Fotografie. Anfang der 90er-Jahre bebilderte er das damals umfangreiche Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Doch schon bald wurde ihm die klassische Fotografie zu eng.

Zwei oder drei Jahre nach meinem Studium in Essen habe ich dann noch mal postgradual an der Kunsthochschule für Medien studiert und das war für mich schon ein ausschlaggebender Moment, eben das Apparative zu untersuchen. Was sind eigentlich diese Maschinen, die uns umgeben? Mit dem gerade aufkommenden Internet kam bei mir der Interessenswandel, sich eben auch sehr intensiv damit auseinander zu setzen. Eben was heißen die Maschinen? Was machen sie mit uns?

Auch Achim Mohné versteht immer weniger, wie viele der uns umgebenden Geräte funktionieren. Während man beim Plattenspieler noch sah, wie die Nadel die Rillen abtastete, ist der Laser des CD-Players auch für ihn ein Rätsel und der Computer eine wahre Blackbox. Dennoch arbeitet auch er immer mehr am Rechner und genießt es, unterwegs - wo und wann immer er will - online zu gehen. Doch angesichts der zunehmenden Nutzung persönlicher Daten in der digitalen Welt beschleicht auch ihn ein mulmiges Gefühl.

""Was da abgeht und wie schnell, wenn man die Entwicklung der Apps sieht und was möglich ist. Ich sehe bei Google Maps ja, mein Freund ist hier und da und das blinkt guck mal, der sitzt in der nächste Pinte, geh mal rüber. Das geht ja mit einer dermaßen rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit vor sich, dass das doch Gänsehaut macht, finde ich."

Mit dem Projekt remotewords lehnt sich der Künstler gegen das Ohnmachtsgefühl auf: Statt die Ablichtung von Gebäuden stillschweigend hinzunehmen, nutzt er genau diese Kanäle, um Botschaften zu verbreiten und sich in der digitalen Welt zu positionieren.

Noch ist das ja ein rechtsfreier Raum. Man braucht für jede Leuchtreklame, die über einen Meter groß ist, eine Genehmigung. Auf dem Dach ist noch rechtsfreier Raum. Das heißt, der zivile Ungehorsam ist da noch machbar.

Denn angesichts der rasanten technischen Entwicklung hinkt die Gesetzgebung hinterher. Achim Mohné nutzt diese rechtsfreien Nischen mit diebischer Freude. Die Botschaften stammen jedoch selten aus seiner Feder, sondern entstehen in enger Zusammenarbeit mit Künstlern und Schriftstellern, die den Kontext des jeweiligen Hauses einbeziehen. Mit dem politischen Künstler Klaus Staeck entwarf Achim Mohné die Aufschrift "Off limits for Google" für die direkt neben dem Brandenburger Tor liegende Akademie der Künste in Berlin.

"Für Google verboten, kein Bereich für Google, sozusagen, ihr kommt hierher, fotografiert alles ab, nicht mit meinem Haus! (lacht) Das passt auch noch mal sehr gut, weil man muss ja bedenken, dass es direkt neben dem Brandenburger Tor ist, einem der best bewachtesten Plätze der Republik. So ist auch die ganze Sicherheitsgeschichte mit der Überwachung sehr präsent."

Aktuell ist remotewords auf der Moskau-Biennale vertreten, wo die Besucher noch bis zum 30. Oktober ein Luftbild von Moskau besichtigen können, das in regelmäßigen Abständen von Kameras überflogen und abgelichtet wird. So soll einerseits die digitale Überwachung thematisiert werden, andererseits ist jeder aufgefordert seine Botschaften auf das Luftbild zu schreiben und sich so zu positionieren. Von Deutschland aus kann man über den Blog auf der Website www.remotewords.net Botschaften senden, die dann in Moskau auf das Luftbild eingetragen werden.