Luftgitarrenweltmeisterschaft in Finnland

Die Nichte des Teufels

Aline Westphal, Weltmeisterin im Luftgitarrespielen
Aline Westphal, Weltmeisterin im Luftgitarrespielen © picture alliance / dpa / Kimmo Brandt
Von Gerhard Richter · 27.08.2014
Es sind die Welttitelkämpfe, und es ist eine Disziplin, die nach Publikum giert: der interkontinentale Wettbewerb der Luftgitarrenspieler. Superstar der Szene ist Titelträgerin Aline Westphal.
Aline Westphal: "Man kann nur sagen, entweder man mag Luftgitarre oder man mag es gar nicht."
Gitarrespielen ohne Gitarre spaltet die Deutschen. Die einen finden es toll. Die andern finden daran gar nichts.
"Und es gibt sehr sehr viele negative Stimmen, wirklich böse Stimmen. Und es gibt dann auch wieder wirklich viele positive Stimmen. Auch von Leuten, von denen ich das gar nicht denke, dass sie das gut finden."
Der Titelgewinn hat Aline Westphal in eine Welt hinein katapultiert, in der man eine gute Luftgitarre zu schätzen weiß, oder wenigstens neugierig darauf ist. Unvermutete Orte.
"Fritzlar/Bad Hersfeld in Hessen – hat sich jetzt nicht so gelohnt, aber man ist mal rumgekommen. Man hat was gesehen von Deutschland. Und viele Leute kennengelernt und viel ungewöhnliche Auftrittsorte gehabt und das macht dann so Spaß, so."
Auf Knastparties hat die rothaarige Kulturexotin Luftgitarre gespielt, bei Firmenjubiläen, in Comedy-Clubs, bei Fernsehshows. Sie hat Günther Jauch kennengelernt und die Mitarbeiter des Frankfurter Ordnungsamts, denn die hatten ihren Auftritt in der Fußgängerzone untersagt wegen der Musik, zu der Aline die weltbeste Luftgitarre spielt. Energiegeladen, sexy, explosiv und sehr exaltiert.
"Es darf einem nicht peinlich sein, das ist das wichtigste. Also wenn man Hemmungen hat, dann ist man verloren."
Wenn sie über die Bühne tobt, ist sie nicht sie selbst, sondern the devils nice, die Nichte des Teufels. Ihre selbst erfundene Bühnenfigur.
Rote schulterlange Haare, rotes Tigershirt, schwarze Shorts und schwarze Glitzerweste, dazu Nietengürtel und Schnürstiefel.
Das große Preis ist dann eine echte Gitarre
Ganz überraschend gewinnt sie die deutsche Meisterschaft und fährt zur Weltmeisterschaft in die abgelegene finnische Kleinstadt Oulu. Die besten Luftgitarristen der Welt treffen sich dort - zu Radtouren, trinken und schwatzen bei Grillabenden und schwitzen gemeinsam in der Sauna. Ein Hauch von Weltfrieden.
"Also es ist nicht nur: 'Wir sind hier, um Meisterschaft zu machen." sondern es ist wie so ein Erasmus-Jahr nur in einer Woche. Man lernt ganz viele Leute kennen, ganz viele verrückte Leute, ganz viele nette Leute. Also sehr verrückte Zeit."
The Devils Nice wird Weltmeisterin. Der Preis: eine echte Gitarre. Durchsichtig.
"'ne E-Gitarre - also richtig schick. Und auf dem Griffbrett steht 'Oulu – 2011.' So ein Ding hab nur ich. Ja."
Die Luftgitarre ist seitdem Lebensthema. Die 28-Jährige schreibt ihre Diplomarbeit über die Kulturgeschichte des imaginären Instruments. Mit ihrem Hildesheimer Seminarleiter und drei Kommilitonen inszeniert sie eine einstündige Luft-Rockoper – aber noch gibt es in Deutschland keinen Bedarf an hauptberuflichen Luftgitarristen.
"Das reicht einfach noch nicht. Man braucht da wahrscheinlich einen Manager und eine Person, die einem den Weg da bereitet und sagt: 'Das was ihr macht ist großartig.'"
Aline Westpahl fährt auch dieses Jahr zur Weltmeisterschaft, ohne Wettbewerbsdruck, aber mit viel Vorfreude auf die Party.
"Aber ich freue mich einfach, Leute wiederzusehen, die ich letztes Jahr getroffen habe und auf ´ner großen Bühne zu stehen..."
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