Ludwig Stiegler wirft Medien "Hetzjournalismus" vor

Moderation: Jörg Degenhardt · 26.06.2008
Angesichts der schlechten Umfrageergebnisse seiner Partei hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Ludwig Stiegler den umstrittenen Parteivorsitzenden Kurt Beck verteidigt und den Medien Kampagnen-Journalismus vorgeworfen. Beck könne keinen Schnaufer tun, ohne dass man es ihm übel auslege, sagte Stiegler wörtlich.
Jörg Degenhardt: Sozialdemokrat zu sein, das ist in diesen Tagen ein hartes Brot. Sogar der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein sorgt sich um den Zustand der Partei. In den Umfragen ging es zwar nicht weiter runter, aber die SPD sitzt ja schon im Keller bei 22 Prozent, 30 und mehr, das war gestern. Wie kann die Partei da wieder hinkommen oder zumindest in die Nähe nach den Turbulenzen der letzten Tage um einen Auftritt des Vorsitzenden vor der Fraktion? Dazu jetzt Fragen an Ludwig Stiegler. Er ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe seiner Partei im Bundestag. Guten Morgen, Herr Stiegler!

Ludwig Stiegler: Nicht mehr der Landesgruppe, sondern das ist Florian Pronold. Ich bin bayerischer Landesvorsitzender.

Degenhardt: Dann haben wir gleich wieder was dazu gelernt. Gleichwohl, Ihre Partei hat im September Landtagswahlen zu bestehen. Schauen wir uns das gegenwärtige Erscheinungsbild der SPD an, dann kann davon nur die politische Konkurrenz profitieren. Das muss Sie doch ärgern?

Stiegler: Ich denke, wenn Sie unseren Landesparteitag erlebt hätten in Bayern, dann hätten Sie gesehen, die Bayern-SPD lässt sich von diesem Hetzjournalismus aus Berlin nicht beunruhigen und wir sehen, dass da einige Leute am Werk sind, die meinen, sie könnten den Kurt Beck wegmobben, weil er eben eine Politik verfolgt, die diesem neoliberalen Damen und Herren nicht passt. Wir stehen aber zu diesem Vorsitzenden, weil er genau eine Politik repräsentiert, die wir wollen. Und das ist eine Änderung der Politik, die in Hamburg eingeleitet worden ist und die eben auch jetzt sich Stück für Stück materialisiert.

Degenhardt: Das heißt, wieder mal sind die Journalisten schuld am Erscheinungsbild der SPD und weniger die Partei selbst?

Stiegler: Ich habe in der Tat den Eindruck, dass hier in Berlin einige Journalisten am Werke sind, die glauben, man müsse nur schreiben, um Politik zu machen und sich nicht um ein Mandat zu bewerben. Und hier wird eine Hetze betrieben, die ist unglaublich. Wenn der Beck in einen Raum kommt und guten Morgen sagt, dann schreiben diese Damen und Herren, aber er hat gar nicht guten Abend gesagt, da sehen Sie mal, wie der beieinander ist! Es ist wirklich, der kann keinen Schnaufer tun, ohne dass man es ihm übel auslegt. Das nenne ich Kampagnen-Journalismus. Hier wird auch systematisch telefoniert, bis man irgendeinen in Hinterhugelhapfing gefunden hat, der dann das passende Zitat bringt. Das nenne ich Hetze.

Degenhardt: Nun sagt aber die nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Frau Kraft, die SPD werde nicht als politische Kraft wahrgenommen, die entschlossen und geschlossen auftritt.

Stiegler: Das kommt eben davon, dass man pausenlos den Eindruck erweckt, als sei bei uns eine Riesenagonie unterwegs und ein Riesenmachtkampf hin oder her. Dabei hat man niemand. Diese Herrschaften, die Kurt Beck ans Leder wollen, zitieren ja immer nur irgendein anonymes Natterngezücht, das dann angeblich gezüngelt hat und dann sofort wieder in den Steinen verschwindet und sich gar nicht stellt. Und auch das wirft schon Fragen auf, ob ein solcher Journalismus überhaupt ethisch normal ist, dass man die Leute nicht mit offenem Visier antreten lässt. Ich bin gewohnt in meinem politischen Leben, dass ich das, was ich denke, auch sage, ob nun im Parteipräsidium oder vor dem Ortsverein und dass man eben Leute verachtet, die nur hinterfotzig und hintenrum stänkern, ohne dass sie sich nach vorne stellen.

Degenhardt: Lassen wir mal, Herr Stiegler, jetzt die Medienschelte beiseite. Trotzdem hat man ja das Gefühl bei der SPD, sie treibt einerseits nach links, um nicht der Linken potenzielle SPD-Wähler zu überlassen, andererseits soll aber auch nicht die Mitte vergrätzt werden. Geht denn überhaupt beides?

Stiegler: Wir treiben gar nichts. Sondern wir haben ganz systematisch in schwieriger Zeit mit der Agenda 2010 die Dinge grundlegend angegangen, und wir haben gesehen, dass es hier und dort eben Nachbesserungs- und Nachjustierungsbedarf ist, den arbeiten wir Stück für Stück ab. Denn unser Ziel ist, das Leben der Menschen besser zu machen und nicht hier eine Ideologie durchzusetzen. Und darum kämpfen wir für Mindestlöhne, darum kämpfen wir für eine Besserung der Altersteilzeit, weil wir einerseits die Rente mit 67 eben beschließen mussten und andererseits aber auch sehen wollen, dass diese Rente mit 67 lebbar ist. Und die Menschen sind nun mal nicht gleich, also müssen wir darauf Antworten haben. Wir betreiben unsere Sachen selber, und es ist eine dieser stillen Helfereien des Berliner Journalismus für die Linkspartei, dass sie jeden soziapolitischen Kurs der SPD diffamiert dadurch, dass sie sagt, wir reagieren ja nur auf die Linkspartei. Ich lege Wert darauf, dass ich zum Beispiel die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I schon betrieben habe, da war der Lafontaine noch in seiner Hängematte im Saarland gelegen, und dass ich die anderen Sachen, etwa das Thema Altersteilzeit, schon mit Elke Ferner zusammen betrieben habe im Auftrage der Fraktion und des Parteipräsidiums, da waren die Linken noch gar nicht wieder aufgestellt. Aber da sehen Sie, hier wird versucht, einen Kurs zu diffamieren, indem man ihn eben als Funktion der Linkspartei beschreibt. Und deshalb sind diese Journalisten und auch diese Verbandsvertreter, ich habe das kürzlich mal einem auch sehr deutlich gesagt, die Wahlhelfer der Linkspartei und die Irreführer der Menschen.

Degenhardt: Trotzdem ist natürlich die Frage, ob Sie mit dem, was Sie genannt haben, im Landtagswahlkampf in Ihrem Heimatland, im Freistaat Bayern, punkten können. Dort setzt die CSU ja die Akzente, bestimmt die Schlagzeilen, etwa mit der Rückkehr zur Pendlerpauschale. Sie will die Bürger steuerlich entlasten und an der bisher ja guten konjunkturellen Entwicklung teilhaben lassen. Was setzen Sie denn dagegen?

Stiegler: Wir haben in Bayern zum Beispiel zusammen mit dem DGB die Mindestlohnkampagne, die der CSU durchaus wehtut, und die CSU kann von ihrer Steuerkampagne kaum profitieren, weder in den Umfragen noch in der Mobilisierung der eigenen Anhänger, weil die Menschen wissen, dass die CSU etwas fordert, was von Rechts wegen kommen wird. Zum Beispiel die höheren Grundfreibeträge werden durch den Existenzminimumsbericht kommen, und die Frage der Entlastung der Arbeitnehmer, die zur Arbeit fahren, die liegt inzwischen vor dem Bundesverfassungsgericht. Und ich gehe davon aus, dass das Gericht eine Entscheidung trifft, die weit über das hinausgeht, was die CSU fordert, die ja lediglich die Rückkehr zur Pendlerpauschale verlangt, die sie früher mal abschaffen wollte, dann abgeschafft hat, dann wieder zurückholen wollte. Die CSU ist eine richtige Zickzack-Partei, und die beiden alten Herren an der Spitze, die den Stoiber ermordet haben, die machen nicht gerade den Eindruck, dass sie besser sind als Rudi Ratlos.

Degenhardt: Der Vorwahlkampf ist eröffnet. Das war Ludwig Stiegler über den Zustand seiner Partei. Ludwig Stiegler ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch! Und die nicht ganz optimale Telefonleitung, die bitten wir zu entschuldigen!