Lucerne Festival

Prunkvoll - trotz Abbados Fehlen

Der italienische Dirigent Claudio Abbado bei der Eröffnung des Luzerner Festivals 2007
Damals gab es noch Standing Ovations: Dirigent Claudio Abbado (1933-2014) beim Luzerner Festival im Jahr 2007 © picture-alliance / dpa/Eddy Risch
Von Roger Cahn · 23.08.2014
Das erste Lucerne Festival nach dem Tod von Claudio Abbado steht ganz im Zeichen eines Generationenwechsels. An Glanz hat das Festival nicht verloren, auch wenn die persönliche Ausstrahlung eines Abbado fehlt.
Nicht nur äußerlich ist vieles anders. Auch interpretatorisch könnte der Unterschied kaum grösser sein: Hier der die Synthese suchende Altmeister - da der analytisch die Gegensätze herausarbeitende junge Dirigent. Bei den Musikern ist Nelsons bereits nach zwei Programmen voll angekommen.
Das Lucerne Festival Orchestra folgt seinen Intentionen und lässt seine Begeisterung spüren. Gerne würde es die erfolgreich begonnene Zusammenarbeit fortsetzen. Beim Luzerner Publikum muss er sich allerdings erst noch beweisen. Der Applaus nach der 3. Sinfonie von Johannes Brahms war eher verhalten. Keine Standing Ovation wie noch zu Abbados Zeiten.
Kontinuität ist hingegen beim Projekt des Lucerne Festival Academy Orchestra dank der Partnerschaft mit dem Pharmakonzern Roche gewährleistet. Der vor zehn Jahren von Pierre Boulez gegründete Klangkörper ermöglicht 120 jungen Musikerinnen und Musikern jeden Sommer eine intensive Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik unter Leitung von Komponisten und jeweils einem Stardirigenten.
Kaum endend wollender Applaus für Unsuk Chin
Als kultureller Höhepunkt steht alle zwei Jahre die Uraufführung eines Auftragswerks des Festivals auf dem Programm. Dieses Jahr wurde "Le Silence des Sirènes" der in Berlin lebenden koreanischen Komponistin Unsuk Chin aus der Taufe gehoben. Komponiert für die Sopranistin Barbara Hannigan erntete das 17 Minuten dauernde Werk mit grossem Orchester unter Leitung von Sir Simon Rattle kaum enden wollenden Applaus. Ein gelungenes Spiel mit Wort und Ton basierend auf Texten von Homer und James Joyce entwickelt musikalisch seinen ganz besonderen Reiz durch ständig wechselnde, dialogische Motive, die letztlich im Schweigen der Sirene enden.
Man muss sich tatsächlich nicht die Ohren verstopfen, um den Gesang zu überleben, wie das in der griechischen Mythologie Odysseus machen musste. Vielmehr hat Chin ein Werk geschaffen, dessen Anziehungskraft und Faszination der aufmerksame Zuhörer von Anfang an verfällt. Ganz besonders dann, wenn eine Sängerin mit starker Bühnenpräsenz auf dem Podium steht und ein grosser Meister wie Simon Rattle dirigiert.
Am Samstag wurde auch der Preis der Roche Commissions für die Uraufführung 2016 verliehen: Die Grazerin Olga Neuwirth wird ein Konzert für Schlagzeug und Orchester mit Martin Grubinger schreiben.
Fazit: Das Lucerne Festival hat auch nach Abbado kaum an Glanz und Bedeutung verloren.
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