Luca Sapio

Retro-Soul aus Bella Italia

Luca Sapio
Luca Sapio © Cargo Records / Stefano Caporilli
Von Mathias Mauersberger · 02.06.2015
Er klingt wie ein waschechter "Soulman", stammt aber aus Rom: Luca Sapio huldigt mit seinem Album "Everyday Is Gonna Be The Day" seinen Vorbildern Al Green oder Curtis Mayfield. Seinen Titelsong sieht er als Ermutigung für seine krisengeschüttelten Landsleute.
Er trägt einen schwarzen Anzug, Elvistolle und Sonnenbrille. Auf dem Cover seines neuen Albums sieht Luca Sapio aus, als sei er gerade dem berühmten Film "Blues Brothers" entsprungen. Wenn man dann die CD einlegt, möchte man meinen, einen verschollenen Sänger aus den amerikanischen Südstaaten zu hören.
Aber der erste Eindruck täuscht: Luca Sapio stammt nicht aus Memphis, sondern aus Rom. Er hat sich aber trotzdem mit Haut und Haaren dem Soul verschrieben.
"Muddy Waters hat mal gesagt: 'In Europa, da gibt es diese jungen Typen, die versuchen, den Blues zu spielen. Die können genauso Gitarre spielen wie ich – aber sie können nicht so singen wie ich! Denn ich habe in meinem Leben viele Probleme überwunden, habe auf dem Feld Baumwolle gezupft.' Ich will mich jetzt nicht als den Inbegriff des 'Soul' definieren, denn ich bin ein weißer Typ und stamme aus Italien. Aber es ist die Einstellung, die 'attitude', die mich dann doch zum echten Soulmusiker macht."
Luca Sapio wuchs in mittelständischen Verhältnissen in einer italienischen Kleinstadt auf, eine glückliche, normale Kindheit, könnte man meinen. Aber mit 14 erkrankte er an Krebs, wurde jahrelang immer wieder in verschiedenen Spezialkliniken behandelt. Eine einschneidende Erfahrung, die auch seine Musik bis heute prägt.
"Das Einzige was mir in dieser harten Zeit geholfen hat, war Musik zu hören. In der Plattensammlung meine Vaters fand ich eine Platte von Memphis Slim, und auf der Innenseite des Covers stand der schöne Satz: 'You can’t sing the blues unless you have lived the blues'. Ich war zu dieser Zeit sehr krank, ich hatte selber den Blues! Da wurde mir klar, dass ich gerade eine 'Blues-situation' (engl.) durchmachte. Ich habe Memphis Slim also viel zu verdanken!"
Retro-Soul-Mixtur
Egal ob Memphis Slim oder Muddy Waters – auf Luca Sapios zweitem Album lässt sich nicht leugnen, aus welchen Quellen sich die Songs speisen. Rhythm & Blues, Memphis Sound, eine Prise JJ. Cale und The Doors – fertig ist die Retro-Soul-Mixtur.
Allerdings saß auch dieses Mal wieder ein Mann am Mischpult, der sich darauf spezialisiert hat, Neues "alt" klingen zu lassen: Thomas Brenneck, Produzent von Größen wie Sharon Jones. In seinem Studio in Brooklyn,New York wurde "Everyday Is Gonna Be The Day" aufgenommen.
"Ich war im Tempel dieser ganzen Retro-Soul-Bewegung! Es war eine großartige Erfahrung, mit diesen Typen zusammen zu arbeiten, die den Stil der alten Soul-Platten perfektioniert hatten – von legendären Plattenfirmen wie Hi Records, Motown oder Stax. Wir Italiener haben den Amerikanern wirklich völlig vertraut – das waren für uns die Meister!"
Auch wenn Luca Sapio immer wieder von den amerikanischen Vorbildern schwärmt, so ist er doch fest in der italienischen Kultur verwurzelt. Er schwört auf Filmkomponisten wie Ennio Morricone oder Piero Piccioni, auf die italienische Beat- und Psychedelic-Szene der 60er. Und er beschäftigt sich in seinen neuen Songs ganz explizit mit der politischen Lage in seinem Heimatland.
"Wir stecken in einer großen Krise, davon könnt ihr ja ständig in der Zeitung lesen. Italien ist in Gefahr, die wirtschaftliche Lage ist so schlecht wie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Viele meinen, man solle das Land verlassen, Italien habe keine Zukunft mehr. Das ist vor allem für die jungen Leute sehr entmutigend. Ich finde, man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Deshalb singe ich im Titelsong 'Everyday Is Gonna Be The Day' ja auch: Jeder Tag ist ein neuer Tag, um die schlechte Lage durchzustehen."
Der einzige Soulsänger Italiens
Luca Sapio mag nur ein kleiner Fisch im großen Retro Soul-Teich sein, er ist aber wahrscheinlich auch der einzige Soulsänger Italiens, der diese Bezeichnung wirklich verdient. Seine kehlige, leidende Stimme erinnert an Größen wie Al Green oder Charles Bradley, seine Band The Dark Shadows zaubert dazu einen Klangteppich, der den Geist der 60er und 70er Jahre heraufbeschwört.
Einzig und allein das italienische Publikum, das sei noch schwer zu knacken. Aber auch hier bleibt Luca Sapio am Ende ganz optimistisch.
"Die Leute sind es leid, Musik zu hören, die überproduziert ist und nach Plastik klingt. Sie wollen in einen Club oder auf ein Festival gehen, wollen den Sänger richtig schwitzen sehen. Und Soul ist eben 'echt', Mann. Das ist der Klang der Seele! Jetzt ist genau die richtige Zeit um Musik zu machen, die ehrlich, wahrhaftig und 'real' (engl.) ist."