"Lourdes"

31.03.2010
Die im Rollstuhl sitzende Christine fährt mit einer Wallfahrtsgruppe nach Lourdes. Dort verliebt sie sich und kann plötzlich wieder tanzen. Der Spielfilm erzählt einfühlsam von den Riten des heiligen Ortes und den Motiven seiner Besucher.
BRD, Schweiz 2009, Regie: Jessica Hausner, Hauptdarsteller: Sylvie Testud, Léa Seydoux, Gilette Barbier, Bruno Todeschini, 99 Minuten, ohne Altersbeschränkung

Der Schauplatz des Filmes, Lourdes, ist seit 150 Jahren Wallfahrt-und Pilgerort für Gläubige, die hier Heilung durch ein Wunder suchen. Zu ihnen gehört auch die Heldin des Filmes Christine (Sylvie Testud). Die an den Rollstuhl gefesselte, durch Multiple Sklerose gelähmte, an den Händen verkrüppelte junge Frau gehört zu einer Reisegruppe, die von Assistenten des Malteser Ordens durch die Grotten und Bäder des Wallfahrtsorts geführt werden.

Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Gruppe hofft Christine nicht dringlich auf ein Wunder, sondern ist einfach der Gemeinschaft wegen dabei, wie offenbar schon auf anderen von den Maltesern geführten Reisen. Dieser offene Blick einer erlebnishungrigen Frau, die nur in solch einer betreuten Gemeinschaft gleich Eingeschränkter reisen kann, ermöglicht auch dem Zuschauer ein vorurteilsfreies Erleben.

Fast dokumentarisch und von der Kirche genehmigt, tauchen wir tief in ein Paralleluniversum ein, das uns die Riten des Ortes ebenso zeigt wie die Motive der Besucher und die vielen Menschen, die an diesem heiligen Ort einfach ihrer Profession nachgehen. Verbissenes Sendungsbewusstsein ist ebenso zu erleben wie verzweifeltes Hoffen, Neid und Missgunst wie menschliches Mitgefühl und einfache Lebensfreude bei den jungen Betreuern. Ein uns sonst verschlossener Kosmos menschlicher Gefühle wird ruhig und distanziert beobachtend aufgeblättert. Die existenziellen Fragen des Glaubens oder die kritische Beobachtung kalkulierter Vermarktungsmechanismen sind darin nur Facetten.

Nachdem Christine am Abschlussabend das Wunder erlebt hat, wieder gehen und sogar tanzen zu können, bleibt der Ausgang trotzdem offen. Die Fragen, ob Christines Heilung von Dauer sein wird, was die in Lourdes für Wunder zuständige Ärztekommission bezweifelt, und welche Rolle der heilige Ort dabei gespielt hat oder das beglückende Liebeserlebnis mit einem betreuenden Malteser, muss der Zuschauer selbst beantworten. Erlösung im christlichen Sinne wird von der Drehbuchautorin und Regisseurin Jessica Hausner nicht erteilt, was ein durchaus religionskritisches Anliegen vermuten lässt.

Für religiös nicht engagierte Zuschauer ist dieser Ausgang dennoch nicht unbefriedigend, hat er durch diesen Film doch eine fremde Welt und in der von Sylvie Testud wunderbar gespielten Christine einen Menschen kennengelernt, der unser Erleben in jedem Fall bereicherte.

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Interview mit Regisseurin Jessica Hausner

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