Loske: Wir können einen Nenner finden

Moderation: Hanns Ostermann · 25.02.2008
Bremens Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) hat sich für die Bildung einer schwarz-grünen Koalition in Hamburg ausgesprochen. Man könne mit der CDU "in gesellschaftspolitischen Fragen einen gemeinsamen Nenner finden", sagte Loske. Er schränkte jedoch ein: "Da sind einige Nüsse zu knacken, wenn man zusammenkommen will."
Hanns Ostermann: Es sind schwierige politische Zeiten. Das zeigt das Hamburger Wahlergebnis. Probleme haben nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Parteien. Das bekamen in Hamburg die Grünen zu spüren. 2004 konnten sie sich noch über 12,3 Prozent der Stimmen freuen; diesmal müssen sie sich mit 9,5 Prozent begnügen. Wie in Hessen bröckelt das Fundament – so hat es den Anschein – und wie dort reicht es nicht für die Traumhochzeit, für eine rot-grüne Koalition zu kämpfen. Wohin geht der Weg der Partei? – Darüber möchte ich mit Reinhard Loske von den Bündnis-Grünen sprechen. Er ist in Bremen Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa. Guten Morgen Herr Loske!

Reinhard Loske: Schönen guten Morgen Herr Ostermann.

Ostermann: Wären Sie GAL-Chef in Hamburg, mit welchen Absichten gingen Sie in die Gespräche mit Ole von Beust?

Loske: Na ja, als Bremer Hamburgern Ratschläge zu geben, das ist immer so eine Sache. Da muss man vorsichtig sein. Die entscheiden das natürlich selbst. Aber jetzt hat eben der Wähler entschieden und es gilt, das Beste aus dem Wahlergebnis zu machen. Unsere Wunschkonstellation rot-grün ist ja, wie Sie zurecht sagten, nicht zu Stande gekommen und wenn die Alternative heißt Große Koalition oder Schwarz-Grün, ich glaube, dann wäre es fahrlässig, nicht die Option Schwarz-Grün auszuloten und zwar bis in jedes Detail.

Ostermann: Welche Chancen bietet denn jetzt grundsätzlich dieser Flirt mit der CDU?

Loske: Flirt mit der CDU würde ich das nicht nennen, aber der Wähler hat entschieden. Das Ergebnis liegt jetzt auf dem Tisch. Jetzt muss man das Beste daraus machen. Es gibt natürlich zunächst einmal die Feststellung, dass die Großstadt-CDU in Hamburg mindestens in manchen Bereichen ein gewisses Maß an Liberalität hat, und insofern glaube ich, anders als das noch vor ein paar Jahren war, als Ole von Beust mit Herrn Schill zusammen war, jetzt durchaus an ein gewisses Maß an Liberalität, sodass man in den gesellschaftspolitischen Fragen, glaube ich, durchaus einen Nenner finden kann. Es gibt aber auch sehr schwierige Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen müsste. Dazu gehört vor allen Dingen natürlich unser Kernthema: die Ökologie. Die CDU hat sich beim Thema Kohlekraftwerk in Moorburg nicht gerade mit Ruhm bekleckert oder sich beim Thema UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer eigentlich auch bis auf die Knochen blamiert. Alle anderen sind dafür. Diese Liste ließe sich fortsetzen: Stichwort Elbausbau und so weiter. Da sind einige Nüsse zu knacken, wenn man zusammenkommen will.

Ostermann: Das sind Bedingungen, von denen die Grünen wahrscheinlich nicht abrücken dürfen, denn sonst wirken sie der eigenen Basis gegenüber unglaubwürdig.

Loske: Ja, das sind auf jeden Fall schwierige Themen. Wir hatten in Bremen damals genau eine ganz ähnliche Situation. Da stand auch ein großes Kohlekraftwerk im Raum: 1000 Megawatt. In Hamburg ist es ein 1600 Megawatt Kohlekraftwerk, das mit den Klimaschutzzielen so nicht vereinbar ist. Die Stadt Hamburg hat ja an und für sich ein recht respektables Klimaschutzprogramm. Das ist durchaus zu würdigen. Aber dieser dicke Kohleblock, der passt da einfach nicht hinein und ich glaube, dass die Grünen den so auf keinen Fall mittragen können.

Ostermann: Nun ist Ihre Partei in einer Sandwich-Position: zwischen Schwarz-Gelb auf der einen, Rot-Rot auf der anderen Seite. Besteht nicht auch eine gewisse Gefahr in dieser Rolle, nämlich zerrieben zu werden?

Loske: Mindestens ist alles in Bewegung. Das kann man sagen. Alles fließt! Ich glaube, für die Grünen muss entscheidend sein, in welcher Konstellation sie ein Höchstmaß an ökologischen Zielen durchsetzen können, wo der größte Beitrag zum Klimaschutz, zur Energiewende, zur Verkehrswende gebracht werden kann, denn historisch gibt es sie aus diesem Grund würde ich sagen und damals an unseren Anfängen stand der Spruch "nicht links, nicht rechts, sondern vorn". Ich glaube, wenn man jetzt sagt, die große Ökologiefrage, die Klimafrage, die Energiefrage ist die Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts, dann wäre es fahrlässig, nicht alles dafür zu tun, um diese Ziele zu erreichen und sich für diese Ziele einzusetzen. Insofern glaube ich, die Gefahr besteht natürlich, das ist klar, aber da im Moment alles im Fluss ist, geht es jetzt auch darum, das Beste aus dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu machen. Das ist nicht einfach, aber ich glaube, wenn wir das nicht schaffen, dann wird das Vertrauen in das politische System insgesamt erodieren. Wir müssen es also hinbekommen, Regierungen zu bilden. Die Leute haben es auch glaube ich satt, immer nur Große Koalitionen zu machen. Das ist ja überall eine Hängepartie – ob es im Bund ist, ob es auch in Schleswig-Holstein ist. Ich glaube, das wollen die Leute nicht; die Leute wollen, dass auch die Kleinen sich quälen und sich fragen, wo können sie das Maximum ihrer Ziele durchsetzen.

Ostermann: Herr Loske, es gab für Ihre Partei Verluste in Hessen und jetzt auch in Hamburg – jeweils so knapp um die drei Prozentpunkte. Warum findet Ihre Partei nicht mehr den Zuspruch vergangener Jahre? Wer gräbt ihnen da das Wasser ab? Ist das die Linkspartei?

Loske: Das ist eine schwierige Frage. Auf jeden Fall ist jetzt ein politischer Mitwettbewerber mehr auf dem Markt, der mindestens von der Rhetorik her auch vieles von dem bedient, was grüne Wählerinnen und Wähler durchaus anspricht. Das ist sicherlich ein Phänomen. Es finden aber auch Ringtausche statt, glaube ich, dass von der SPD was zu den Linken fließt und je nachdem ob die SPD einen attraktiven Kandidaten hat auch von uns was zur SPD. Das hat man in Hessen gesehen, das hat man in gewissem Umfang auch in Hamburg gesehen. Wir müssen uns anstrengen, unser Programm noch präziser zu fassen und ein überzeugendes Personal anzubieten. Dann mache ich mir eigentlich keine Sorge um unsere Rolle in der Zukunft.

Ostermann: Und das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Partei ist wie Sie eben gerade gesagt haben beispielsweise die Ökologie, denn es will dann ja auf diesem Feld, das einst die Grünen ausgezeichnet hat, alle Parteien.

Loske: Ja aber da ist doch viel Greenwashing, viel heiße Luft, viel Reden und wenig Tun. Wenn ich mir beispielsweise jetzt Hamburg mal anschaue: die dortige Landesregierung, der Senat hat ein Klimaschutzprogramm, das in vielen Bereichen recht respektabel ist, aber dann pflanzt man da mitten hinein so ein riesiges Kohlekraftwerk, das alle Klimaschutzanstrengungen mit einem Schlag wieder zunichte macht. Insofern glaube ich schon, dass die Grünen das Auseinanderklaffen bei den anderen von Soll und Ist thematisieren müssen, aber selber auch noch überzeugendere Konzepte anbieten müssen. Insofern sehe ich das als große Herausforderung. Ich glaube nicht, dass die Grünen sagen wir mal da nicht ein klares Alleinstellungsmerkmal haben, aber das alleine reicht wahrscheinlich nicht aus. Es muss noch etwas dazu kommen.

Ostermann: Unstrittig ist ja, dass die Linkspartei eine immer größere Rolle spielt, längst auch in den alten Bundesländern angekommen ist. Welche Bedingung müssten aus Ihrer Sicht eigentlich erfüllt werden für ein rot-grün-rotes Bündnis?

Loske: Erst mal glaube ich, dass man die Linke nicht dämonisieren sollte. Ich habe ja mit den Leuten auch täglich zu tun in Bremen. Da sind einige ganz vernünftige dabei, die auch vernünftig argumentieren können. Andere versprechen das Blaue vom Himmel. Auf keinen Fall dämonisieren, kritisch auseinandersetzen, aber da ist natürlich schon noch enorm viel altes Denken, enorm viel Realitätsverweigerung.

Ostermann: Woran machen Sie das fest?

Loske: Beispielsweise an Haushaltsfragen. Es wird einfach darüber hinweg gegangen, wie die Haushaltssituation in einem Land ist. Das ist ein ganz offenkundiges Beispiel. Aber auch in Fragen der Sozialpolitik gibt es ein sehr paternalistisches Verständnis, dass die Menschen grundsätzlich nur in der Opferrolle vorkommen und nicht auch gesehen werden als Menschen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können und wollen, denen man dabei helfen muss, wie sie sich selber helfen können. Es ist eine sehr etatistische, sehr staatsfixierte Partei, aber jetzt mal unabhängig davon: Ich glaube, wenn sich das jetzt im Westen stabilisiert, dann wird man nicht darum herum kommen, sie auch einzubeziehen in die Überlegungen. Ich glaube beispielsweise in Hessen: besser als Roland Koch ist allemal eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen, die sich dann fallweise, themenweise ihre Mehrheiten zusammensucht. Das ist ganz klar meine Meinung!