Loske fordert rasches und klares Verfahren

Moderation: Hanns Ostermann · 08.06.2005
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Reinhard Loske, hat vor einem Schaden für die Politik durch die Diskussion um die Vertrauensfrage gewarnt. Bundeskanzler Schröder solle nun einen Weg vorschlagen, der "belastbar und verfassungsfest" sei, sagte Loske.
Ostermann: Herr Loske, macht es nicht in der Tat Sinn, den Stand der Technik und die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks als entscheidendes Kriterium zu nehmen, so wie es der FDP vorschwebt?

Loske: Nein, das halten wir für falsch. Also wenn jetzt wirklich die Laufzeiten nach hinten geöffnet werden sollen, dann bedeutet das faktisch ein Investitionsverhinderungsprogramm, denn im Moment stehen sehr viele Leute im Bereich der erneuerbaren Energien, der effizienten Kraftwerktechnik, der Kraftwärmekopplung usw. in den Startlöchern, um die wegfallenden Kapazitäten mit neuen Technologien zu ersetzen. Wenn diese neuen Technologien konkurrieren müssen mit abgeschriebenen Atomkraftwerken, dann wird das im Ergebnis dazu führen, dass die Investitionen unterlassen werden, und dieses Argument ist, glaube ich, sehr tragfähig und findet auch viel Unterstützung in energiepolitischen Fachkreisen.

Ostermann: Andrerseits sagen Fachleute, eine Laufzeit von 50 Jahren sei unbedenklich. Immer vorausgesetzt, es gibt keine aktuellen Sicherheitsbedenken, warum spielt der Markt in dieser Frage eine untergeordnete Rolle?

Loske: Die Atomenergie ist eine Energieform, die über Jahrzehnte hinweg gehätschelt worden ist vom Staat, und das hat diese Regierung beendet. Wir haben gesagt, wir wollen insgesamt maximale Laufzeiten von 32 Jahren und wir wollen umstellen, wir wollen weg von den nuklearen, fossilen Energien hin zu erneuerbaren Energien, zu Einsparung, zu Effizienztechnik. Insofern ist das, was jetzt passiert, ein Signal, dass Teile der Atomindustrie offenbar Morgenluft wittern, in der Hoffnung, CDU und FDP würden den Atomausstieg beenden. Deswegen kann man schon ganz klar sagen, wir entscheiden jetzt bei der Bundestagswahl auch darüber, ob in der nächsten Legislaturperiode Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B und Brunsbüttel abgeschaltet werden oder ob sie bis 2025 weiterlaufen. Also es ist sehr konkret.

Ostermann: Na ja, ein Signal kommt auch aus Düsseldorf. Bei den Koalitionsverhandlungen dort in Nordrhein-Westfalen wird deutlich, wo die Unterschiede zu Rot-Grün liegen. Der Ausbau für Windkraft wird wahrscheinlich begrenzt, das Landschaftsgesetz novelliert. Windparks ade, könnte man für das größte Bundesland sagen. Welche Konsequenzen hat das nach Ihrer Einschätzung?

Loske: Also wir haben bei den erneuerbaren Energien ein Hauptinstrument, das ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das ist ein Umlagemechanismus, das heißt, jeder, der Strom aus erneuerbaren Quellen produziert und das ins Netz einspeist, kriegt dafür garantierte Konditionen. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass es einen enormen Push gegeben hat. Also seit 1998 hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien verdoppelt, und wir wollen, dass er sich bis 2020 noch mal mehr als verdoppelt. Das ist auch ein Bereich, der sehr viele Arbeitsplätze schafft. Dort arbeiten heute 130.000 Menschen, und man muss sich sehr gut überlegen, ob man diese Dynamik bremsen will, aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch aus Gründen der Technologiepolitik, denn die Welt braucht diese Technologie. Wir wären töricht, wenn wir sie in Deutschland sozusagen abwürgen würden, wie das einige wollen. Das, was die CDU in Düsseldorf zusammen mit der FDP macht, ist bedauerlich, aber da werden wir natürlich gegenhalten.

Ostermann: Lassen Sie uns auch über das Klima generell im Land reden. Gestern Abend kritisierte Michael Müller von der SPD scharf die Informationspolitik des Bundespräsidenten. Es geht um die Vertrauensfrage demnächst im Bundestag. Haben Sie nicht die Befürchtung generell, dass die Politik nachhaltig Schaden nimmt bei den Diskussionen, die derzeit geführt werden?

Loske: Also ich finde das nicht gut, muss ich sagen. Zunächst finde ich diese Indiskretionen, die jetzt überall stattfinden, auch Täuschungen teilweise, ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, nicht gut.

Ostermann: Warum nicht?

Loske: Ja, das schadet dem Ansehen der Politik insgesamt und vor allem den Institutionen. Deswegen würde ich jetzt wirklich alle dazu aufrufen, die Indiskretionen sein zu lassen. Wenn der Bundeskanzler es denn will, dass ihm das Misstrauen ausgesprochen wird, dann muss er jetzt einen Weg vorschlagen, der belastbar ist, der verfassungsfest ist. Insofern sollte man jetzt auf wechselseitige Beschimpfungen verzichten. Das ist falsch und schadet der Politik insgesamt.

Ostermann: Das heißt, bei diesem Punkt ziehen Sie auch eine scharfe Grenze zwischen SPD-Linken und Bündnisgrünen?

Loske: Ich würde es jedenfalls nicht gutheißen, wenn man jetzt sozusagen anfängt, den Bundespräsidenten zu beschimpfen. Der ist in dieser Frage der Hüter der Verfassung. Das Verfahren muss sauber und klar sein. Es wäre allerdings auch von größtem Nutzen, wenn man langsam mal wüsste, was denn für eine Vertrauensfrage gestellt wird, denn je länger sich das hinzieht, desto fruchtbarer ist natürlich der Boden für Spekulationen aller Art. Die Hektik steigt und damit wird die Tonlage schärfer. Das ist insgesamt sicherlich nicht zuträglich, muss man ganz klar sagen.

Ostermann: Vielen Dank für das Gespräch.