Loske fordert Bekenntnis zum Klimaschutz

Moderation: Marie Sagenschneider · 16.05.2007
Der Umwelt-Experte Reinhard Loske hat die deutsche G8-Präsidentschaft aufgefordert, sich bei einer Erklärung zum Klimaschutz gegen die USA durchzusetzen. Wenn man auf alle Einwände der Bush-Administration eingehe, bliebe nur ein belangloses Dokument, sagte der Grünen-Politiker.
Marie Sagenschneider: Der Zaun steht, der Countdown läuft. Zwölf Kilometer Stacheldraht werden die Regierungschefs der acht größten Industrienationen schützen, wenn sie sich vom 6. Juni an in Heiligendamm treffen, um unter anderem über ein besseres Klima zu sprechen beziehungsweise die Frage, wie man dem Klimawandel begegnen soll. Deutschland, das ja die G8-Präsidentschaft innehat, will die G8-Länder auf ehrgeizige Ziele verpflichten. Bis 2020 sollen 30 Prozent Energie eingespart werden und bis 2050 der Ausstoß an Treibhausgasen weltweit halbiert werden, damit die Erderwärmung eben auf zwei Grad begrenzt werden kann. So soll es eigentlich am Ende in der Gipfelerklärung festgehalten werden, die ja immer schon im Vorfeld eines solchen Treffens ausgehandelt wird, Verhandlungen, die sich offenbar derzeit sehr mühsam gestalten, weil den USA die Ziele viel zu weit gehen. – Reinhard Loske ist Umwelt-Experte der Grünen im Bundestag und nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen Herr Loske!

Reinhard Loske: Schönen guten Morgen Frau Sagenschneider!

Sagenschneider: Nach dem jetzigen Stand, was zeichnet sich denn für Sie ab, was von diesen ehrgeizigen Zielen noch bleiben wird?

Loske: Die wollen ja alles rausschießen, die Bush-Leute. Das muss man ganz klar sagen. Die wollen beispielsweise nicht mal diesen UN-Klimabericht mit Sorge zur Kenntnis nehmen. Sie wollen das Zwei-Grad-Ziel rausschießen. Sie wollen das Ziel, dass man bis zur Mitte des Jahrhunderts den CO2-Ausstoß halbieren muss, rausschießen und sie wollen vor allen Dingen auch rausschießen, dass es heißt, dass die Industrieländer eine besondere Verantwortung haben und dass die Zeit des Redens vorbei ist und die Zeit des Handelns reif ist. Wenn man das alles zusammen nimmt, dann wäre dieses Dokument nichts sagend und belanglos, wenn das alles rausgeschossen wird. Insofern geht es jetzt darum, auch Rückgrat zu zeigen, auch von der G8-Präsidentschaft, also namentlich der Bundesregierung gegenüber den USA.

Sagenschneider: Was heißt denn Rückgrat? Die Frage ist ja wie weit darf man bei einem solch auch existenziellen Thema die diplomatischen Grenzen überschreiten? Wäre es zum Beispiel denkbar, dass Deutschland als G8-Präsident sagt, eine Erklärung, von der nichts übrig bleibt, die unterzeichnen wir nicht?

Loske: Man macht das ja nicht zur Freude. Das muss man vielleicht noch mal erklären. Der Klimaschutzprozess, dieser so genannte Kyoto-Prozess, stagniert im Moment. Er stockt. Abgesehen davon, dass die Ziele des Kyoto-Protokolls zu moderat sind, geht es im Moment auch überhaupt nicht voran. Wir hatten im vergangenen Jahr im November in Nairobi die große Klimakonferenz. Die ist krachend gescheitert, kann man sagen. Wir haben die nächste im November/Dezember in Bali in Indonesien. Es ist klar, dass dieser Kyoto-Prozess aus sich selbst heraus nicht mehr genug Kraft hat, nicht mehr genug Momentum. Der braucht externe Impulse, und zwar von ganz oben. Deswegen brauchen wir dieses starke Signal von dem G8-Gipfel, G8 plus 5 heißt es ja. Die großen Entwicklungsländer werden ja auch dann mit einbezogen. Den brauchen wir, damit es beim Klimaschutz voran geht. Insofern geht es hier nicht nur um Fragen des diplomatischen Stils und des Geschmacks, sondern es geht um existenzielle Menschheitsfragen. Da lohnt es sich in der Tat, auch scharf ranzugehen gegenüber der Bush-Administration.

Sagenschneider: Haben Sie eigentlich, Herr Loske, eine Erklärung dafür, warum die USA so mauern und blocken, denn man hatte in letzter Zeit doch den Eindruck, dass sich auch in den USA in Sachen Klimaschutz ein wenig etwas bewegt?

Loske: Ja, unbedingt. Wir dürfen auch nicht nur von "den USA" reden, sondern wir müssen präzise von der Bush-Administration reden. Die hat offenbar in ihrem außenpolitischen Pflichtenheft nicht nur den Irak-Krieg stehen, sondern auch das feste Ziel, den Kyoto-Prozess zu zerstören. Offensichtlich wollen die so in die Geschichtsbücher eingehen und das halte ich für außerordentlich kritikwürdig. In den USA selbst ist ja durchaus ein Stimmungswandel zu beobachten. In verschiedenen Bundesstaaten, gerade oben im Nordosten, in Neuengland, in Kalifornien, in verschiedenen anderen Staaten wird sehr viel gemacht Richtung erneuerbare Energien. Manche führen ein gemeinsames Emissionshandelssystem ein. Die Hoffnung, die wir alle haben, ist natürlich die, dass im Jahr 2008, wenn der neue Präsident oder die neue Präsidentin gewählt wird, das Klimathema ganz oben auf der Agenda steht und dass die USA dann auch wieder einschwenken in den internationalen Geleitzug oder sogar eine Vorreiterrolle übernehmen. Ich gebe zu: das hat auch einen Anteil von wishful thinking, wie die Amerikaner sagen, also von Wunschdenken, aber es ist auch nicht ganz unrealistisch. Deswegen sollte man jetzt keine faulen Kompromisse machen gegenüber der Bush-Regierung.

Sagenschneider: Das Problem ist ja – Sie haben es vorhin skizziert -, dass die deutsche Regierung gehofft hatte, mit einer schicken G8-Gipfelerklärung im Rücken dann im Dezember nach Bali fahren zu können. Wenn nun diese Erklärung nicht erreicht wird, lohnt es sich dann überhaupt, diese Verhandlungen fortzusetzen? Kann man tatsächlich auch noch was erreichen jenseits der USA? Kann man da die Schwellenländer wie Indien, auch wie China überzeugen, trotzdem mitzumachen?

Loske: Unbedingt! Der Punkt ist der: Die Bush-Administration hat ja einen anderen strategischen Ansatz als die Europäer zum Beispiel. Es konkurrieren ja im Prinzip zwei Herangehensweisen: einmal das Völkerrecht, Stichwort Kyoto-Protokoll, und zum anderen die freiwillige Zusammenarbeit zur Technologieförderung ohne verbindliche Ziele und ohne verbindliche Maßnahmen. Das ist der Ansatz der Bush-Administration. Das wird am deutlichsten in der so genannten Asia-Pazifik-Initiative, wo man versucht, mit einigen Ländern etwas zusammen zu machen. Die haben eine starke Aversion gegen das Völkerrecht. Sie sind ja auch nicht Vertragspartei des Kyoto-Protokolls. Deswegen würde ich raten, ehe man jetzt faule Kompromisse in dieser Abschlusserklärung macht, sollte man lieber eine kraftvolle Erklärung erarbeiten und zur Not dann eben hinnehmen, dass die Bush-Administration schimpfend am Wegesrand steht und die Karawane aber weiterzöge. Das wäre sehr, sehr wichtig. Ich sage es noch mal: eine floskelhafte, allgemeine, unverbindliche G8-Erklärung wäre nicht das, was wir im Kyoto-Prozess jetzt brauchen.

Sagenschneider: Reinhard Loske, der Umwelt-Experte der Grünen, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!