London

Objekte der Rebellion

Ein Citroën 2CV, besser bekannt als "Ente", mit einem Aufkleber mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein Danke"
Ein Citroën 2CV, besser bekannt als "Ente", mit einem Aufkleber mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein Danke" © picture alliance / dpa
Von Walter Bohnacker · 25.07.2014
Masken, Satirepuppen und aufblasbare Pflastersteine: Reform- und Protestbewegungen gehen bei ihren Aktionen einfallsreich ans Werk. Eine Ausstellung im Victoria and Albert Museum versammelt jetzt gelungene Designs des politischen Aktivismus.
Banner, Sticker, Kochtopfdeckel aus Argentinien; ein Reissack-T-Shirt von einer Demo gegen die Welthandelsorganisation; Pappmaché-Puppen von Protesten gegen den Irak-Krieg in den USA und ein zur Rikscha umfunktioniertes Doppelfahrrad inklusive Laptop und Megaphonanlage, das bei einer Klimakonferenz in Kopenhagen an die Front fuhr. So sieht's aus, wenn die Basis mobil macht.
"Disobedient Objects" lädt ein zum Rundgang durch eine, sagen wir mal, repräsentative Leistungsschau des internationalen politisch-künstlerischen Aktivismus der letzten dreißig Jahre. Und die Ausstellung macht eines ganz deutlich: Der Kreativität des Ungehorsams sind keine Grenzen gesetzt.
"Wie gelungen die Artefakte sind, soll der Besucher selbst entscheiden", sagt Kuratorin Catherine Flood. Ihr gehe es um die Bestandsaufnahme eines Themas, das lange vernachlässigt wurde. Vieles von dem, was hier gezeigt werde, sei allenfalls als Randphänomen bekannt.
Opposition im Äther betrieb in den 1980er Jahren in Polen die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Ihre Anhänger entfernten die Widerstände aus den Wohnzimmerradios und steckten sich die Teilchen symbolisch ans Revers. Sympathisanten verstanden die subversiven Signale sofort: "Hört den Piratensender - nicht den Staatsrundfunk in Warschau!"
Mit Geld den Widerstand in Umlauf bringen
Eine Handvoll Kreative erschien persönlich zum Pressetermin im Museum. Unter ihnen der Filmemacher und Grafikdesigner aus San Francisco, Ivan Cash. Bei dem, was er sich einfallen ließ, geht's tatsächlich um "Cash", konkret: um die Kritik an der ungleichen Verteilung des Wohlstands unter seinen Mitbürgern.
Für die Occupy-Bewegung in den USA bedruckte Cash originale Ein-Dollarscheine mit roten Lettern quer über das Porträt George Washingtons. Auf der linken Hälfte steht "Die reichsten 400 Amerikaner" und rechts daneben "Die ärmsten 150 Millionen". Signiert ist die Bank-Protestnote mit OCCUPYGEORGE. COM.
"Die Idee ist: Man geht einkaufen, bezahlt und bringt mit dem Geld den Widerstand in Umlauf. Auch so können Demos aussehen. Sanfte Aktionen wie diese wirken weniger polarisierend, man gibt schließlich nur faktische Informationen weiter. Und wer noch mehr wissen will, findet alles weitere auf der Website."
Besonders erfinderisch und medienwirksam wird der kreative Widerstand immer dann, wenn Witz und Ironie mit ins Spiel kommen.
Die Schutzschilde zum Beispiel, die Demonstranten in New York bei Protesten gegen die Schliessung von Bibliotheken vor sich her führten. Sie sind Büchern nachempfunden und tragen die Titel von Werken prominenter Verfasser: Oscar Wilde und Thomas Paine. Peinlich für die Polizisten: ihr Einsatz kam rüber als Angriff auf den Intellekt.
Oder die überdimensionalen aufblasbaren Pflastersteine, die im Museum unter der Decke schweben. Entworfen hat sie der in Berlin lebende Niederländer Artúr van Balen von der Gruppe "Tools for Action".
"Wir haben es das erste Mal gemacht in Barcelona. Da war ein Generalstreik, und da haben wir sie eingesetzt und dann zum 1. Mai-Protest in Berlin-Kreuzberg benutzt in 2012."
Alternative künstlerische Mobilisierungsstrategie
Ähnlich wie in New York ging es auch bei der Berliner Aktion darum, den Stil umzudrehen und der Macht den Stachel zu ziehen, gewaltfrei mit Humor.
"Dann waren sie involviert in einem unfreiwilligen Volleyballspiel. Also, es hat eigentlich sehr viel Spaß gemacht, mit den Objekten so zu spielen. Es transformierte einen Protest in einfach eine Art zelebrierendes Festival. Und zugleich ist die Situation viel schwieriger zu kontrollieren auch für die Polizei."
Die Schau versammelt 99 Exponate. Für das hundertste Stück ließen die Kuratoren an der Galeriewand eine Fläche frei - für die beste Idee, die noch auf ihren Einsatz wartet. Wem was einfällt, darf es hier bis Ende Januar abgeben.
Und noch was: Besucher können sich in der Ausstellung eindecken mit Gebrauchsanleitungen für den Widerstand zum Selberbasteln. Wie wär's mit einer improvisierten Tränengasmaske aus Plastikflaschen oder - für Anspruchsvolle - einer Rikscha Deluxe, wie gesagt mit vorprogrammierter Megaphonie.
Für derlei Kuratorenengagement hat Protest-Designer Van Balen einen schönen Begriff. Er nennt das "alternative künstlerische Mobilisierungsstrategie".
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