Lob für Berliner Mauer-Gedenkkonzept

Moderation: Ulrike Timm · 21.06.2006
Der Vorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, hat das Mauer-Gedenkstättenkonzept des Berliner Senats grundsätzlich begrüßt. Allerdings sei es ihm wichtig, dass an dem Konzept nicht nur Politiker, Parlamentarier und Beamte mitarbeiteten, sondern dass auch Künstler und Betroffene beteiligt würden, erklärte der CDU-Politiker.
Ulrike Timm: Schönen Guten Morgen, Herr Eppelmann.

Rainer Eppelmann: Schönen Guten Morgen, Frau Timm.

Timm: Herr Eppelmann, wenn Sie heute in Berlin, einem Gast den genauen Verlauf der früheren Mauer zeigen sollten, können Sie das?

Eppelmann: In winzigen Teilen ja. Da muss ich aber ein gut informierter Mensch sein und an Pflastersteinen lang laufen, also etwa in der Nähe des Reichstages und des Brandenburger Tores gibt es einen sehr dezenten, nur für Kundige erkennbaren Hinweis, wo die Mauer mal gestanden hat, aber das gilt eben nur für einen ganz, ganz kleinen Bereich und ist so unauffällig, dass man schon sehr genau wissen muss, die meisten Leute laufen einfach drüber.

Timm: Die Zeitungen haben heute Morgen durchgehend relativ anerkennend auf dieses neue Museumskonzept reagiert, Tenor 'endlich geschafft'. Die Planungen gehen bis 2011, dann will man das umgesetzt haben und die verschiedenen dezentralen Ausstellungsfelder bestückt haben, gestaltet haben. Lange Zeit. Eine beschämend lange Zeit?

Eppelmann: Es ist eine lange Zeit, das ist richtig. Aber viel länger ist die Zeit, bis dieses Konzept auf den Tisch gepackt worden ist. Sie haben in ihrer Einspielung ja gesagt, dass verständlicherweise 1990 alle nur daran dachten, möglichst schnell weg mit dem Ungeheuer und inzwischen sind wir nachdenklicher geworden und ein Stück traurig darüber, weil wir uns auf einmal klar darüber sind, dass wir für unsere Kinder und für die Nachfolgenden, aber auch für die vielen Menschen, die die Mauer in ihrem Leben nicht erlebt haben, also auch die Touristen, die nach Berlin kommen oder nach Deutschland kommen, im Grunde authentische Orte kaum zeigen können, an denen vorstellbar wird, wie das möglich war, dass ein Volk oder die Hälfte eines Volkes, 17 Millionen Menschen, sich da haben einsperren lassen und dass das eine so schreckliche Anlage war, dass sie tausenden von Menschen das Leben gekostet hat, also das ist das Eigentliche. Und ich muss es auch noch einmal sagen, ein bisschen Asche auf das Haupt von uns Berlinern und von uns Deutschen: Die beiden Menschen, die maßgeblich in den letzten Jahren dafür Sorge getragen haben, diese Diskussion wieder anzuschieben, sind eine Frau aus der Ukraine und ein Mann aus dem Iran, die inzwischen viele Jahre in Deutschland, in Berlin leben. Das ist Kani Alavi und das ist die Frau Hildebrand, die die Diskussion angeschoben haben. Also das sind keine Berliner gewesen.

Timm: Frau Hildebrand leitet das Museum am Checkpoint Charlie, eines der meist besuchten Museen in Berlin, in privater Hand. Es zeigt schreckliche Fluchtgeschichten, die aber nach Meinung von vielen, auch ein bisschen showmäßig. Jetzt soll an diesem Ort, am Checkpoint Charlie, eine Dauerausstellung dieses Museum ergänzen, nicht zuletzt, dass man an diesem hoch symbolischen Ort nicht alles einer privaten Initiative überlässt. Begrüßen Sie das?

Eppelmann: Ich kann mir auch ein Konzept vorstellen. Ich muss dazu sagen, dass ich das neue, jetzt vorgelegte Konzept noch nicht kenne. Ich habe also bisher nur Medien verfolgen können, von daher finde ich es gut, dass es erstmal ein Konzept gibt inzwischen. Halte die Zeit von fünf Jahren, wenn sie denn eingehalten wird auch für eine verständliche und überschaubare, wäre natürlich nicht böse, wenn große Teile vorher schon fertig würden und wenn das Ganze im Vollzug nachher in einer Mischung von einer Vorlage der Berliner Regierung, Veränderungsvorschlägen des Berliner Senates, des Bundestages und der Miteinbeziehung von Künstlern, von Fachleuten und auch von Betroffenen, dann wachsen und gedeihen kann, würde ich das noch sympathischer finden. Also mir wäre es nicht so ganz Recht, wenn ein Mitglied der SED seit 1976 der Letztbestimmer der Inhalte ist, weil ich dann die Sorge hätte, dann würden die zu Tode gekommen Grenzsoldaten genauso gewichtet werden, wie die über tausend an der Mauer Umgekommenen.

Timm: Damit spielen Sie süffisant auf den Berliner Kultursenator Thomas Flierl an, der sehr, sehr umstritten ist, dieses Konzept verantwortet. Ein Konzept aber, das nicht nur auf Thomas Flierl zurückgeht, sondern das von vielen Fachleuten mitgestaltet wurde und auch für gut befunden wurde, also auch von Historikern, nicht nur von Parteimenschen. Selbst wenn es nun vom äußerst umstrittenen PDS-Kultursenator Flierl verantwortlich wird, warum fällt es Ihrer Partei, der CDU, eigentlich so schwer zu sagen, ja da sind wir mit dabei. Die Berliner CDU wirft ihm ja nach wie vor vor, die emotionale Auseinandersetzung fehlt und ähnliche Dinge.

Eppelmann: Ja, da würde ich Sie bitten wollen, den Landesvorsitzenden der CDU in Berlin zu fragen. Das bin ich nicht. Ich fühl mich da auch nicht wiedergegeben, wenn mir das schwer fällt zu sagen, dass das gut ist. Ich sage das, was ich bisher davon weiß aus den Medien, das macht mir einen ausgesprochen guten Eindruck und ich bin froh darüber, dass nun endlich etwas auf dem Tisch liegt, das sinnvoll zu sein scheint. Ich wünsche mir allerdings, dass das nicht nur Gestaltung von Politikern und Parlamentariern und Beamten ist, sondern dass da Künstler und dass da auch Betroffene mit hinein genommen werden. Und ich möchte gleich nochmal auf zwei Dinge, hinweisen: Einmal die veranschlagten Kosten von knapp 40 Millionen, die in dem Papier drin stehen, die ließen sich ja möglicherweise verringern, wenn es in Verhandlungen mit dem Bund, den dazu zu bringen, dass er die Grundstücke des Bundes zum Freundschaftspreis veräußert und da nicht versucht Höchstpreise raus zu ziehen, denn die Bodenpreise oder die Grundstückskäufe sind wohl der höchste Posten innerhalb der ganzen Kostenfrage. Und das Zweite ist, es muss uns deutlich sein, mit dieser Mauer-Gedenkerinnerungslandschaft ist das Problem eines zentralen Denkmals für die Opfer der SED-Diktatur noch nicht vom Tisch, denn es haben nicht nur Leute unter der Mauer gelitten. Ich denke an den 17. Juni und, und, und...

Timm: Mauer-Gedenkerinnerungslandschaft. Alleine das Wort sagt schon, wie schwer man sich damit tut. Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit Rainer Eppelmann, dem Vorsitzenden der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, über das Mauer-Gedenkstättenkonzept, das der Berliner Senat gestern verabschiedet hat. Herr Eppelmann, Sie sprachen es an, 40 Millionen Kosten rund sind veranschlagt und die Kosten hängen auch an vielen Grundstücken, um die noch gestritten wird, Grundstücke, die noch zum Teil leer sind, umzäunt sind, steht dann drauf 'privat' oder 'vom Bund' und die man für dieses Konzept für diese Museumslandschaft um die Bernauerstraße hin erwerben muss, und so begründet der Kultursenator auch den großen Zeithorizont. Da müssen sich der Bund und das Land Berlin mal sehr, sehr hart zusammensetzten. Meinen Sie, dass das gelingt?

Eppelmann: Erstens müssen Sie das, jawohl. Und das möglichst bald. Also meine Hoffnung wäre, wenn es nicht schon begonnen worden ist, aller, aller spätestens gleich nach der Sommerpause. Und dann muss auf eine faire Art und Weise miteinander geredet werden. Vielleicht auch das mir sehr verständliche Begehren Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht dazu, dass der Bund stärker als bisher die Verantwortung, die finanzielle Verantwortung für das, was in Berlin stellvertretend für alle Bundesländer passiert auch materiell stärker zu unterstützten. Und da wäre meiner Meinung nach, der materielle Erwerb dieses Grundstücks ein erstes Zeichen der Bundesregierung und der Länder zu sagen, jawohl, wir haben verstanden. Also das kann lange dauern, das befürchte ich auch, aber meine Hoffnung ist, dass es hier eine freundliche und eine erfreuliche Überraschung gibt, dass das sehr viel schneller und persönlicher ausgeht, wegen des Themas.

Timm: Es ist ja auch ein aparter Schlenker, der zu gedenken gibt, wenn der Erwerb dieser Grundstücke unter anderem deshalb so schwierig ist, weil Gesetze aus der Ära Kohl das so schwer machen.

Eppelmann: Ja, gut, Sie haben ja am Anfang schon einmal darüber geredet, am Anfang ging es darum, die Mauer sollte verschwinden und sie haben zu wenig darüber nachgedacht, was müssen wir für unsere Kinder und die Enkelkinder bewahren, damit sie sich erinnern können und bewusst auch erlebbar für sie wird, dass sie sagen können: Nie wieder.

Timm: Herr Eppelmann, Sie setzten sich sehr dafür ein, dass die DDR-Geschichte an den Schulen und an den Universitäten nicht vergessen wird. Stellen wir uns vor, eine Schulklasse kommt zum 50. Jahrestag 2011 nach Berlin, was soll die ihrer Meinung nach vorfinden an Erinnerung, die Kinder, die Jugendlichen?

Eppelmann: Ja, meiner Meinung nach müssten sie die Grausamkeit und die Perfektion dieser Grenzsicherungsanlage, die im Grunde Hoffnungslosigkeit dieser Anlage für die 17 Millionen Eingesperrten, dass das so aufgebaut gewesen ist, so eingerichtet gewesen ist, so abgeschirmt gewesen ist, dass praktisch für einen unbewaffneten, untrainierten Menschen es nahezu aussichtslos gewesen ist, die DDR tatsächlich zu verlassen. Das ist ja letztlich auch der Anlass und der Grund dieser Sache gewesen und das wäre mir eben ungeheuer wichtig, dass das optisch erkennbar ist und dass es auch deutlich ist, wer die Baumeister dieser schrecklichen Anlage gewesen sind.

Timm: Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zur Aufarbeitung der
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