Livemusik

Verwegen, geheimnisvoll, skurril

Get the Blessing, Jazzfest Berlin 2014
Verhüllt: die britische Band Get The Blessing © © Tom Barnes
Von Manuela Krause · 31.10.2014
Ihre Musik kling wie nichts, was man sonst aus dem Jazz kennt. Get The Blessing um die Ex-Portishead-Mitglieder Clive Deamer und Jim Barr machen verwegene Musik mit viel Humor.
Angefangen hat alles mit einer Leidenschaft für die amerikanische Saxophonlegende Ornette Coleman, die die vier Musiker aus Bristol Anfang 2000 teilten. Darunter zwei ehemalige Mitglieder der britischen Trio-Hop-Band Portishead: der Schlagzeuger Clive Deamer und der Bassist Jim Barr.
Barr: "Wir kannten uns schon einige Jahre. Irgendwann kam die Idee auf, ein paar Ornette Coleman Stücke zu spielen. Clive und ich kamen gerade von einer langen Portishead-Tour zurück und wir brannten darauf, endlich mal wieder was anderes zu spielen. Über Monate haben wir uns wöchentlich getroffen, ohne dass es um irgendwelche Gigs ging. Wir hatten einfach nur Spaß am Spielen und meistens spielten wir Musik von Ornette. Nach zehn Jahren ungefähr fanden wir es dann langweilig, immer nur das Zeug von ihm zu spielen, also schrieben wir unsere eigenen Stücke. Aber, wie gesagt, wir kannten uns schon lange Zeit davor und wir brauchten das. Plötzlich entdeckten wir, dass es da in der Musik von Ornette Coleman eine Möglichkeit gibt, so zu spielen, wie es uns entspricht. Dadurch fühlten wir uns befreit, das war toll, ein großer Moment."
Ein wilder Mix aus Jazz, Punk, Rock und elektronischer Musik

Als Get The Blessing 2008 mit ihrem Debut-Album den BBC Jazz Award für das beste Album des Jahres gewannen, bemerkte der Bassist Jim Barr, dass sie totale Außenseiter und sowas wie der Punk-Eintrag in der Jazz-Kategorie waren. Ihre Musik klingt auch heute, sechs Jahre später und nach drei weiteren Alben, wie nichts, was man sonst aus dem Jazz kennt. Dafür: verwegen, geheimnisvoll und skurril. Ein wilder und bunter Mix aus Jazz, Punk, Rock, Elektronik mit vielen psychedelischen Momenten. Get The Blessing lassen sich in kein eindeutiges Genre einordnen, was Schlagzeuger Clive Deamer als Ergebnis ihrer musikalischen Sozialisation betrachtet:

"Jeder einzelne von uns hat einen sehr reichen und vielfältigen musikalischen Hintergrund. Sagen wir es so: Keiner von uns ist Purist. Weißt Du, wir haben alle schon viele unterschiedliche Sachen gespielt und unsere Ohren sind weit geöffnet für alle möglichen Arten von Musik. Und wie es Dir vermutlich jeder Musiker sagen wird: Im Laufe der Zeit wird all die Musik, die Du gespielt und gehört hast, und die Dir gefallen hat, irgendwo abgespeichert. Und wenn Du dann älter wirst, bist Du in der Lage, alles was Du gehört hast umzuformulieren und zu nutzen. Und das machen wir, wir Vier machen das simultan."
Auch wenn die peitschenden Rhythmusschläge auf ihrem aktuellen Album "Lope and Antilope" gegen sanftere Beats ausgetauscht wurden, mangelt es trotzdem nicht an überschäumender Energie. Und wer sich die Namen der einzelnen Titel auf "Lope and Antilope" anschaut, erkennt auch hier wieder den Humor von Get The Blessing und ihre typische, immer etwas schelmische Haltung:
"Ja, es ist albern und symbolisch zugleich."
Judge: "Nun, ich denke, es ist durchaus philosophisch, aber es ist auch extrem albern. Darum ist es auch eine gute Zusammenfassung von dem, was wir tun. Wir sind alle große Fans der großen britische Tradition der Wortspiele. Und die Wahl von Titeln für das Album, dieser Prozess war ein großer Teil davon. Wir waren besessen von Worten mit dem Suffix oder der Buchstabenkombination 'ope'. So gibt es nun Stücke wie 'Trope' und 'Hope' und 'Viking Death Mope-d' und 'Lope'. Und dann kam Jim mit einem kleinen Wortspiel und fragte nach dem Gegenteil von 'loping' - und so entstand 'antiloping', wobei man natürlich sofort an das Tier, die Antilope denkt. In diesem Wortspiel geht es jedoch auch um Bewegungen und Rhythmen und das Gegenteil von Bewegungen und Rhythmen, eine Art Stauung oder so etwas. Ja, es ist albern und symbolisch zugleich."

Um die bisherige Komfortzone zu verlassen und mit alten Aufnahmegewohnheiten zu brechen, wurde das Album "Lope and Antilope" in einer leerstehenden alten Töpferei im Südwesten von Wales aufgenommen. Das Album ist das Ergebnis einer viertägigen Session. Sowohl im Studio als auch live experimentieren Get The Blessing mit akustischen und elektrischen Soundeffekten, die in ihrer Musik einen besonderen Stellenwert haben:
Musik voller klanglicher und rhythmischer Überraschungen
Barr: "Entscheidend für den Einsatz von Effekten ist besonders im Zusammenhang mit den Bläsern, sie werden niemals zur Dekoration genutzt. Sie werden immer als integraler Bestandteil des Klangs verwendet. Ein Stück verändert sich durch den Effekt."

Deamer: "Sie sind wie Charaktere. Meine Erinnerung an die Aufnahmen zu diesem Album ist so, dass jedes mal wenn Pete, Jake und Jim anfingen einen Sound zu benutzen, hatte dieser sofort Charakter und eine eigene Persönlichkeit. Und dann haben wir alle zu diesem Sound gespielt. Das war so, als ob dieser Sound eine neue Person im Plot einer Geschichte wäre. Er hat uns gezeigt, was wir spielen müssen und so die Idee zum Entstehen des Stückes entwickelt."
Die Musik von Get The Blessing steckt voller klanglicher und rhythmischer Überraschungen. Es gibt keine musikalischen Grenzen. Alles ist möglich und genau wegen dieser Haltung bereichern die vier Briten auch das Jazzfest Berlin.
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