Literatur über die Polizeigewalt in den USA

"Sie haben ihn einfach abgeknallt"

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in Dallas, Texas, USA
Teilnehmer einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in Dallas, Texas, USA © AFP/ Laura Buckman
Von Michael Hillebrecht · 15.07.2016
Übergriffe der Polizei gegen schwarze Bürger sind in den USA allgengwärtig. Regelmäßig führen überzogene Polizeieinsätze zu Todesopfern. Amerikanische Intellektuelle und Schriftsteller haben sich mit den Hintergründen dieser Missstände beschäftigt.
Seit der Erschießung von Michael Brown in Ferguson im Jahr 2014 sorgen Fälle von Polizeigewalt in den USA regelmäßig für Schlagzeilen. Oft kursieren Videos im Internet, die das Geschehen dokumentieren. Auch in den Gefängnissen sind Afroamerikaner nach wie vor stark überrepräsentiert und auch hier gibt es dubiose Todesfälle. Jenseits der aktuellen Schlagzeilen versuchen Intellektuelle und Schriftsteller in den USA nun die Hintergründe dieser schon lange bestehenden Missstände aufzudecken. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten sie die Arbeit der Polizei und deren Umgang mit Afroamerikanern.
"Wer glaubt, das hätte mit besonders bösartigen Polizisten zu tun, verkennt das Problem. Wir stellen uns viel zu selten die Frage, nach welchen Mustern die Polizei überhaupt vorgeht."
Ta-Nehisi Coates setzt sich als afroamerikanischer Journalist und Autor intensiv mit Gegenwart und Geschichte des amerikanischen Rassismus auseinander.
"Seit beinahe 50 Jahren haben wird die Rechte der Menschen im Umgang mit dem Strafrechtssystem immer weiter beschnitten und die Strafen verschärft. Letztlich geht es also nicht nur darum, wie sich die Polizisten verhalten, sondern darum, welche Grundsatzentscheidungen wir als Bürger dieses Landes getroffen haben."
Alice Goffmann hat als weiße Soziologie-Studentin sechs Jahre in einem vornehmlich von Afroamerikanern bewohnten Viertel von Philadelphia gelebt. In ihrem Buch "On the Run – Die Kriminalisierung der Armen in Amerika" untersucht sie sehr genau, welche Folgen geänderte Polizeistrategien für die Bewohner dieses Viertels und ihr Zusammenleben haben.
"In der Null-Toleranz-Ära erhielten die städtischen Polizeibezirke sehr viel staatliches Geld. Deshalb stieg nicht nur die Zahl der Polizisten, sondern auch ihre Vorgehensweise änderte sich in den 1980er- und 1990er-Jahren. Eine Frau im Viertel hat das als Besatzungsarmee bezeichnet. Eine ganze Flotte von Spezialeinheiten ist seitdem im Einsatz und ihr Erfolg wird nur noch an möglichst hohen Verhaftungszahlen gemessen."
Der weiße Schriftsteller Matt Burgess hat für seinen zweiten Roman "Cops" intensiv bei der New Yorker Polizei recherchiert und mit vielen Polizisten persönlich gesprochen.
"Quoten sind bei der New Yorker Polizei eigentlich verboten. Die Vorgesetzten dürfen also nicht 15 Verhaftungen im Monat von jemandem verlangen. Aber sie machen es natürlich trotzdem, weil die Polizei ihre Erfolge nur an Zahlen und Statistiken misst."
Im Zentrum des Romans von Matt Burgess steht die Arbeit der verdeckten Drogenfahnder im New Yorker Stadtteil Queens. Burgess nimmt vor allem die polizeiinternen Zwänge unter die Lupe, denen auch dunkelhäutige Polizisten unterliegen. Inoffizielle Quoten für Verhaftungen existieren aber nicht nur bei der New Yorker Polizei, sondern fast überall in den USA.
Ta-Nehisi Coates stellt sich in seinem Buch "Zwischen mir und der Welt" die Frage, was es heißt, heute als Afroamerikaner in den USA zu leben. Coates wurde 1975 geboren und ist in Baltimore als Sohn eines Vietnam-Veteranen und Black Panther-Aktivisten aufgewachsen. In seinem autobiographischen Buch formuliert Coates seine Frustration über die herrschenden Zustände als Brief an seinen 15-jährigen Sohn Samori.
Zitat: "Ich schreibe dir in deinem 15. Lebensjahr. Ich schreibe dir jetzt, denn dies ist das Jahr, in dem du gesehen hast, wie Eric Garner erwürgt wurde, weil er Zigaretten ver-kaufte, und dass John Crawford erschossen wurde, weil er durch еin Kaufhaus schlenderte. Du hast gesehen, wie Männer in Uniform im Vorbeifahren Tamir Rice ermordeten, einen zwölfjährigen Jungen, den sie ihrem Eid gemäß hätten beschützen sollen. Und du hast Männer in ebensolchen Uniformen gesehen, wie sie am Straßenrand auf Marlene Pinnock einprügelten, eine Großmutter. Und spätestens jetzt weißt du, dass die Polizeireviere deines Landes mit der Befugnis ausgestattet sind, deinen Körper zu zerstören.
Die Zerstörer werden selten zur Rechen-schaft gezogen. Meist erhalten sie eine Rente. Und Zerstörung ist auch nur die Steigerung einer Herrschaft, die Filzen, Fest-nehmen, Schlagen und Demütigen vorsieht. All das ist normal für Schwarze. Ein alter Hut. Verantwortlich gemacht wird dafür niemand."

Junge dunkelhäutige Polizisten werden rekrutiert

In seinem Roman "Cops" zeigt Matt Burgess, dass die Polizei ihr eigenes Personal, unter anderem auch in den Vierteln anwirbt, die von ihr besonders scharf überwacht werden. Janice Itwaru, die Hauptfigur des Romans, arbeitet als verdeckte Drogenfahnderin. Sie ist selbst dunkelhäutig und als Kind mit ihren Eltern aus dem südamerikanischen Guyana in die USA eingewandert.
"Die New Yorker Polizei rekrutiert für die verdeckte Drogenfahndung vor allem junge dunkelhäutige Polizisten, weil das ihren Zielgruppen entspricht."
Janice Itwaru arbeitet im selben Teil von Queens, in dem sie auch zu Hause ist. Das macht ihre Arbeit noch gefährlicher. Denn Janice streift als Junkie getarnt durch die Straßen und versucht, Dealer oder einfache Passanten zu animieren, ihr Drogen zu verkaufen. Gelingt ihr ein Drogenkauf, informiert Janice heimlich ihre Kollegen und sie verhaften dann den Verkäufer, damit die Tarnung von Janice erhalten bleibt. Weil Janice als Einwanderin der ersten Generation über keine persönlichen Kontakte im Polizeiapparat verfügt, ist die Arbeit als verdeckte Ermittlerin eine der wenigen Möglichkeiten, innerhalb der Polizei aufzusteigen. Denn um diesen unbeliebten und besonders gefährlichen Job attraktiver zu machen, lockt die New Yorker Polizei mit einem besonderen Deal.
"Zu Beginn des Buches arbeitet Janice bereits 17 Monate als verdeckte Ermittlerin. Wem es gelingt das 18 Monate durchzuhalten, ohne getötet oder wieder in den normalen Streifendienst zurück geschickt zu werden, der wird automatisch zum 'Detective' befördert."
Genau zu diesem heiklen Zeitpunkt für die weitere Laufbahn von Janice erhöht ihre Vorgesetzte den Druck. Janice soll bei ihrer verdeckten Arbeit auf der Straße mehr Drogenkäufe abschließen.
Zitat: "Mir gucken Leute über die Schulter und auf den Abwärtstrend ihrer Käufe, alles klar? Und die wollen wissen, was los ist. Die fragen mich: 'Hat sie die Lust verloren? Wird das noch schlechter werden bei ihr?' Wieder drückte sich Janice in ihrem Stuhl hoch. 'Das Viertel bessert sich', sagte sie lahm. 'Weniger Straßenkriminalität. Gentrifizierung. Ich habe gehört, an der 37th Avenue soll sogar ein Starbucks aufmachen.'
'Ein Starbucks.' Auch diese Antwort enttäuschte offenkundig. 'Ich werde nicht in Inspector Nielsens Büro marschieren und ihm sagen, er soll sich mal entspannen, weil − man stelle sich vor − an der 37th demnächst ein Starbucks aufmachen soll. Nein, was werde ich ihm stattdessen sagen? Ich werde Nielsen sagen, Sie hätten eine Botschaft für ihn. Nämlich, dass Sie mir, als ich mich gerade mit Ihnen in meinem Büro zusammengesetzt habe, vier Käufe garantiert hätten.' Sie hielt entsprechend viele Finger in die Luft. 'Vier Käufe vor Ende des nächsten Monats. Und sollten Sie das nicht schaffen − auf Wiedersehen!'"

Ein Leben in Angst und Abhängigkeiten

Matt Burgess wurde 1983 geboren und ist selbst in Queens aufgewachsen. Burgess hat in seinem ersten Roman "Die Prinzen von Queens" das Leben von zwei Brüdern beschrieben, die nur durch Diebstähle und als kleine Dealer ihren eigenen Drogenkonsum finanzieren können. Für seinen zweiten Roman "Cops" hat er gewissermaßen die Perspektive um 180 Grad gedreht und ist in das Leben der verdeckten Drogenfahnder eingetaucht. Bei seinen Gesprächen mit Polizisten hat Burgess dabei überraschende Einsichten gewonnen.
"Ich habe einen verdeckten Ermittler gefragt, wovor er am meisten Angst hätte. Man würde ja eigentlich erwarten, dass er sich besonders fürchtete, erschossen zu werden. Stattdessen hatte er aber am meisten Angst davor, Probleme mit seinen Chefs zu bekommen und in die Mühlen der Polizeibürokratie zu geraten."
Ta-Nehisi Coates beschreibt in "Zwischen mir und der Welt" sein Heranwachsen in einem vornehmlich afroamerikanischen Viertel in West Baltimore Mitte der 1980er-Jahre. Auch zu dieser Zeit waren der Ruf und die Rolle der Polizei nicht unumstritten.
"Mit Polizisten musste man sich gut stellen, weil sie Gewalt ausüben konnten. Ich bin Amerikaner und mir war schon klar, dass sie in gewisser Hinsicht mein Land repräsentierten, aber andererseits konnte ich keinen moralischen Unterschied zwischen der Polizei und den Gangs erkennen, die im Viertel Gewalt verbreiteten."
Coates schildert eine Atmosphäre der Angst, bei der von mehreren Seiten Gewalt droht, die in letzter Konsequenz tödlich sein kann. Für ihn ist die permanente Angst vor Gewalt ein seit Generationen tradiertes Gefühl unter Afroamerikanern. Er zieht hier eine Linie von der Gegenwart über Lynchmorde an Schwarzen im 19. und 20. Jahrhundert bis hin zur Brutalität der Sklaverei noch im 19. Jahrhundert. In seinem Buch wendet sich Coates wieder direkt an seinen Sohn.
Zitat: "Ich spürte die Angst, wenn ich meine Großmutter in Phila-delphia besuchte. Du hast sie nicht mehr kennengelernt. Ich kannte sie auch kaum, aber ich erinnere mich an ihre schroffe Art, ihre raue Stimme. Und ich wusste, dass der Vater meines Vaters tot war und dass mein Onkel Oscar tot war und dass mein Onkel David tot war und dass das alles unnatürlichen Umständen zu verdanken war. Und ich sah die Angst bei meinem Vater, der dich liebt, der dir Ratschläge erteilt, der mir Geld zugesteckt hat, damit du versorgt bist. Mein Vater hatte solche Angst. Sie saß in dem schwarzen Ledergürtel, den er mit mehr Sorge als Zorn auf mich niederknallen ließ, mein Vater, der mich schlug, als könnte mich jemand stehlen, weil genau das um uns herum geschah. Jeder hatte ein Kind verloren, an die Straße, an das Gefängnis, an Drogen, an eine Kugel. Jetzt waren sie fort, und ihr Vermächtnis war eine große Angst."

Beamtenwillkür und Straffreiheit

Eine der Gewalt ausübenden Gruppen in den afroamerikanischen Vierteln ist nach wie vor die Polizei. Und Alice Goffmann hat in Gesprächen mit Polizisten Belege dafür gefunden, dass exzessive Gewalt nicht auf einzelne Beamte beschränkt ist, die in der Hitze des Augenblicks die Kontrolle verlieren.
Zitat: "In Interviews erklärten mir die Beamten der Fahndungsabteilung, der Einsatz von Gewalt entspräche der offiziellen – wenn auch nicht öf-fentlich gemachten – Politik, es sei keineswegs so, dass manche Cops einfach ab und an zu weit gingen. Die Leute von der Polizei in Phila-delphia, mit denen ich sprach, haben eine sehr lockere Auffassung da-von, was verhältnismäßige Anwendung von Gewalt ist, und viele gaben offen zu, sie hätten Anweisungen ihres Captains, dass jeder, der einen Cop auch nur anfasse, 'krankenhausreif geschlagen gehört'."
Auch Matt Burgess bezieht sich in seinem Roman "Cops" mehrfach auf einen realen Fall von Polizeigewalt, der in New York im Jahr 2006 großes Aufsehen erregte.
"Als Hintergrund der Handlung spielt die Erschießung von Sean Bell eine Rolle. Sean Bell wurde als Afroamerikaner von Polizisten erschossen, obwohl er unbewaffnet war. Er fuhr in seinem Auto auf die Polizisten zu, die etwa 50 Mal auf ihn schossen. In den Medien geht es meistens um rassistische weiße Polizisten, die junge schwarze Männer angreifen und das ist hier sicherlich allgegenwärtig. Aber im Fall von Sean Bell waren es eben keine weißen Polizisten und es ist fast so, dass die Hautfarbe der Polizisten keine Rolle spielt, denn ihr Verhalten wird vor allem von ihrer Uniform bestimmt und deren Farbe ist blau."

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgte Ta-Nehisi Coates, als er sich in einer Reihe von Artikeln mit der Polizei von Prince George's County auseinandersetzte. Einer der Artikel trägt den Titel "Black and Blue", also "Schwarz und Blau". Prince George's County gehört zum Ballungsraum der US-Hauptstadt Washington D.C und hat eine überwiegend afroamerikanische Bevölkerung. Auch bei der Polizei ist der Anteil schwarzer Polizisten hoch.
New York 
Protest im Mai 2008 in New York nach dem Freispruch an drei Polizisten, die den wehrlosen Sean Bell erschossen hatten. © picture alliance/dpa/Foto: UPPA Xinua
"Prince George's County war damals eine der wohlhabendsten afroamerikanischen Enklaven im ganzen Land. Trotzdem zählte die Polizei dort zu den brutalsten im Lande. Wie war das möglich? Letztlich hatten die Bewohner dort die selbe Entscheidung getroffen wie die weißen Bürger dieses Landes: Sie hatten so große Angst vor Kriminalität, dass die Polizei bei den kleinsten Anzeichen eines Vergehens machen konnte, was sie wollte."
In seinem Buch "Zwischen mir und der Welt" schildert Coates seinem Sohn Samori, wie er selbst in eine Polizeikontrolle der Polizei von Prince George's County geriet.
Zitat: "Kurz vor deiner Geburt wurde ich von der Polizei in Prince George's County-tyt angehalten, von derselben Polizei, vor der mich Freunde in D.C. gewarnt hatten. Sie näherten sich von beiden Seiten und leuchteten mit ihren Taschenlampen durch die Fenster. Sie nahmen meinen Führerschein mit zum Streifenwagen. Ich wartete panisch. Zum damaligen Zeitpunkt gab es in keinem Revier des Landes Polizeibeamte, die häufiger von ihren Schusswaffen Gebrauch machten als die in Prince George's County. Das FBI leitete Untersuchungen ein — manchmal mehrere binnen einer Woche. Der Polizeichef bekam eine Gehaltserhöhung. All das ging mir durch den Kopf, als ich in meinem Auto saß, in ihren Fängen. Diese Polizisten hatten meinen Körper, sie konnten damit machen, was sie wollten, und sollte ich noch in der Lage sein zu schildern, was sie damit angestellt hatten, würde die Beschwerde nichts bringen. Der Polizist kehrte zurück. Gab mir meinen Führerschein wieder. Keine Erklärung, wieso sie mich angehalten hatten."
Ta-Nehisi Coates erinnert sich an diese glimpflich verlaufene Polizeikontrolle vor allem deshalb, weil im weiteren Verlauf desselben Jahres eine vergleichbare Situation für einen Collegefreund von Coates tödlich endete. Der 25-jährige Prince Jones wurde im September 2001 von einem schwarzen Polizisten der Polizei von Prince George's County erschossen.
"Sie haben ihn getötet, und niemand wurde zur Rechenschaft gezogen. Der Polizist wurde gleich wieder auf die Straße geschickt. Ich konnte es nicht fassen."
Prince Jones hatte zusammen mit Ta-Nehisi Coates an der Howard University in Washington D.C. studiert. Coates bezeichnet die Universität mit ihrer langen Tradition als Bildungseinrichtung für Afroamerikaner und so berühmten Absolventen wie Toni Morrison und Amiri Baraka als "das Mekka". Prince Jones wurde aber auch durch seine hervorragende Ausbildung nicht davor bewahrt, Opfer eines Polizisten zu werden.
"Sie haben ihn einfach abgeknallt, als wäre er vogelfrei. Die Polizisten suchten einen Mann, der verdächtigt wurde, einem Polizisten die Waffe gestohlen zu haben. Sie setzten sich in den Kopf, dass der Jeep von Prince dem Verdächtigen gehörte. Weil der Wagen unter der Adresse der Mutter von Prince gemeldet war, dachten sie, er wäre gestohlen. In Wirklichkeit war der Jeep ein Geschenk seiner Mutter."

Schuld wird meist den Opfern angelastet

Ta-Nehisi Coates beschreibt in seinem Buch die absurde Kopflosigkeit und Blindheit mit der die Polizei vorging. Prince Jones wurde zunächst von zwei Zivilpolizisten in getrennten Fahrzeugen verfolgt, zur tödlichen Konfrontation kam es aber nur mit einem der beiden Beamten.
Zitat: "Der Polizist war als Undercover-Drogendealer getarnt gewesen. Er war ausgesandt worden, um einen Mann aufzuspüren, der einen Meter 65 groß war und 120 Kilo wog. Wir wissen von einem Rechtsmediziner, dass Prince eins neunzig groß gewesen war und 95 Kilo gewogen hatte."
"Sie folgten Prince Jones von Maryland über Washington D.C bis nach Virginia, wo sie ihn nicht weit entfernt vom Haus seiner Freundin erschossen. Der Polizist erklärte anschließend, Prince hätte versucht, sein Auto zu rammen und er hätte schießen müssen, weil er sich in Lebensgefahr befand."
Es fällt Coates nicht sehr schwer, sich in die Situation von Prince Jones zu versetzen.
"Der Polizist fuhr nicht in einem Polizeiauto und trug keine Uniform. Er sagte aus, er hätte sein Pistole gezogen, Polizei gerufen, aber nicht seine Erkennungsmarke gezeigt. Er war im verdeckten Einsatz und wie ein Drogendealer gekleidet. Wenn ich mir vorstelle, ich würde irgendwann merken, dass ich verfolgt werde, ohne zu wissen, dass es ein Polizist ist und dann würde in der Nähe des Hauses meiner Freundin eine Waffe auf mich gerichtet, dann ist es doch vollkommen logisch, dass sich Prince bedroht fühlte."
Bei seinen Recherchen zu dem Fall befasste sich Ta-Nehisi Coates auch mit der Vorgeschichte des Beamten, der Prince Jones erschossen hatte.
"Der Polizist hatte früher in einem anderen Fall nachweislich gelogen. Die Staatsanwaltschaft musste deshalb jeden Fall zurückziehen, bei dem er ausgesagt hatte."
Was Coates besonders in Rage bringt, ist die Tatsache, dass egal wie zweifelhaft die Polizisten sich auch verhalten, letztlich die Schuld an den Vorfällen häufig den Opfern in die Schuhe geschoben wird. Im Fall von Prince Jones blieb schließlich in den Akten stehen, er habe versucht einen Polizisten zu töten.
"Nach der Erschießung von Prince Jones musste ich den Schluss ziehen, dass Polizisten vom Staat die Macht zur Anwendung tödlicher Gewalt erhalten hatten. Und die Chance, dass einer von ihnen bestraft würde, war minimal. Sollten also ich oder mein Sohn wegen irgendeines Missverständnisses getötet werden, konnte ich sicher sein, dass niemand dafür zur Rechenschaft gezogen werden würde."
Für Ta-Nehisi Coates war es vor allem auch seine Rolle als Vater, die seiner Beschäftigung mit der Geschichte des Rassismus in den USA eine neue Perspektive verlieh und zum Anstoß für sein Buch "Zwischen mir und der Welt" wurde. Er fühlte sich als Vater für den Schutz seines Sohnes verantwortlich, wurde sich aber zunehmend bewusst, dass das Leben seines Sohnes von Kräften bedroht wurde, die sich seiner Kontrolle als Vater entzogen. Trotz dieser Ängste wünscht sich Coates für seinen Sohn ein freieres Verhältnis zur Welt, sein "Schwarzsein" soll nicht mehr wie bei seinem Vater zwischen ihm und der Welt stehen. Und vor allem soll die Angst seinen Sohn nicht vom Widerstand gegen Rassismus abhalten. Das brachte Coates bereits bei der Wahl des Vornamens für seinen Sohn zum Ausdruck. Samori verweist auf den Namen eines antikolonialistischen Vorkämpfers in West-Afrika gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
Zitat: "Der Kampf steckt in deinem Namen, Samori – du bist nach Samori Touré benannt, der gegen die französischen Kolonialisten um das Recht an seinem eigenen schwarzen Körper stritt. Er starb in Gefangenschaft, doch wir profitieren von seinem und ähnlichen
Kämpfen, auch wenn das Ziel unseres Kampfes sich so oft unserem Zugriff entzieht."
Was Coates seinem Sohn Samori mit seinem Buch angesichts der erschreckenden Situation für Afroamerikaner in den USA also vermitteln will, ist letztlich keinesfalls Resignation.
"Ich gab ihm diesen Namen, weil für mich Kampf und Widerstand auch dann einen Sinn haben, wenn man verliert. Sie stellen einen Wert an sich dar. Ich habe immer versucht, das meinem Sohn zu vermitteln."
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