Literatur

Magier, Mörder, Kochlöffel

Das Foto zeigt Bücher auf einem Ramschtisch.
Billigware Buch © dpa/Robert B. Fishman
Von Benedikt Schulz  · 13.03.2014
Der Onlinehändler Amazon treibt die traditionelle Buchhandlung in Existenznöte. Um trotzdem zu überleben, setzen die kleinen Läden verstärkt auf Nischenprodukte und etablieren sich als Treffpunkt für Gleichgesinnte.
"Ich hab vor Jahren ein Buch gelesen, ein Science-Fiction Buch und mir fällt der Titel leider nicht ein - sag mal ein bisschen was dazu - das ist schwer zu sagen, also da geht's drum, dass eine irgendwie größere Stadt, da sind so komische Falterwesen - China Miéville, Perdido Street Station! - Genau, genau! Ja, also ich fand's sehr geil, in die Richtung nie wieder was gefunden. - Ja, ist super speziell, weird fiction …"
Auf wenigen Quadratmetern in Berlin-Kreuzberg befindet sich eine andere Welt. Regale, vollgestopft mit Orks, Rittern, Zauberern und fremden Planeten. In der Mitte des Raums liegen Sternkarten, Klingonisch-Sprachführer und Bastelanleitungen für Raumschiffe - im Otherland - eine Buchhandlung nur für Fantasy- und Science-Fiction. Wolfgang Tress ist einer der Inhaber und: Der athletische Typ liebt SF-Literatur, spezielle Beratung für spezielle Kunden - von Nerd zu Nerd.
"Als der damals herauskam, hat er wirklich die Grenzen gesprengt, sehr hardcore, sehr dirty, sehr explizit, sehr grob."
Bücher kaufen als Event
Lange sah es danach aus, als konnten nur die großen Player gegen das Internet bestehen. Inzwischen ist das Gegenteil der Fall. Umsatzgewinner des letzten Jahres sind die kleinen Geschäfte, die großen dagegen haben verloren, sagt der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Der Kunde will das persönliche Erlebnis. Nur verkaufen reicht da nicht mehr, meint auch Wolfgang Tress vom Otherland. Bücher kaufen wird zum Event. Und das Ziel ist: anders sein als die anderen.
Jeden ersten Donnerstag im Monat wird im Otherland gespielt - hier treffen heute Zwerge, Waldläufer und Superhelden aufeinander. Es ist Rollenspielabend.
Jakob Schmidt: "Erstmal Hallo alle! Ok, also es läuft eigentlich wie immer so ab, dass wir alle Spielleiter versammeln und die sagen, was sie anzubieten haben und verteilen uns irgendwie im Laden und haben dann so bis elf Zeit zum Spielen."
Jakob Schmidt, Mitinhaber der Buchhandlung und passionierter Rollenspieler begrüßt die 15 Gäste, die dicht gedrängt im Raum zwischen den Bücherregalen stehen. Chips, Salzstangen und Schokoriegel werden ausgepackt. Schließlich stehen rund vier Stunden Abenteuer bevor, bewaffnet nur mit Stift, Würfeln und Papier. Kollege Wolfgang schafft derweil Stühle und kaltes Bier herbei.
"Der hier scheint der Anführer zu sein, denn er brüllt: Alle auf den Boden! Was macht ihr? - Wissen wir schon von unseren Fähigkeiten? - Ja! - Ok, dann mach ich mich unsichtbar."
Während am ersten Tisch fünf Spieler mit Superkräften ihren ersten Kampf bestehen, schickt Jakob am Nebentisch die Waldläufer Sigibert und Grimfast in eine tiefe Schlucht.
Jakob Schmidt: "Es ist so später Nachmittag, es wird schon langsam dunkel, weil die Sonne so schräg in die Schlucht fällt. Was euch aber auffällt, da steht der Brückenwächter, da ist immer ein Brückenwächter am anderen Ende und der ist nicht da …"
Freaks und trotzdem cool
Wolfgang Tress: "Unser Ziel ist eben, so ein bisschen mehr Community draus zu machen. Also nicht nur Bücher zu verkaufen, sondern eben auch so bisschen Zuhause zu verkaufen, für Leute, die niemand sonst haben, mit dem sie über Horror, Science-Fiction, Fantasy reden können: Am liebsten hätten wir das, dass die Leute in uns sowas wie die Big Bang Theory sehen. Dass wir die Freaks sind, die aber trotzdem noch cool sind."
Das Zauberwort heißt Kundenbindung. Und: die Persönlichkeit des Verkäufers selbst wird da zum Alleinstellungsmerkmal. Doch bei aller Begeisterung für die Sache - auch Büchernarren müssen von irgendwas leben. Leicht ist das nicht, denn kleine Verkaufsfläche heißt auch kleiner Umsatz. Und die Mieten in Berlin steigen.
Wolfgang Tress: "Schaffen wir eigentlich nur, indem wir alle Jobs nebenher haben. Wir versuchen, das ist unser Ziel, davon hauptsächlich zu leben, im Moment ist es einen Beitrag zu unserer Miete. Wir sind Lektoren, Übersetzer, Journalisten und versuchen da zu den zwei Tagen, die jeder von uns dreien hier den Laden betreibt, versuchen wir irgendwie unser Geld zusammen zu kriegen mit Schreiben, Übersetzen und Lektorieren, um über die Runden zu kommen."
Mehr Café als Buchhandlung
Drei U-Bahnstationen entfernt, in Neukölln, befindet sich der Buchbund. Wer hier stöbert, kann das bei frischem Kaffee und selbstgebackenem Kuchen tun. Und auch sonst erinnert der Raum mit braunen Ledersofas und ruhiger Jazzmusik mehr an ein Café, als an eine Buchhandlung.
Marcin Piekoszewski liest den Anfang vom Räuber Hotzenplotz - auf Polnisch. Er und seine deutsche Frau Nina haben vor etwa zweieinhalb Jahren die deutsch-polnische Buchhandlung eröffnet. Bilaterale Kulturvermittlung - auf literarische Art. Das Konzept ist wie bei gewagt und wirtschaftlich riskant.
"Es ist schwer. Also es ist immer noch so, dass man jetzt nicht ganz beruhigt, sich zurücklehnen kann und sagen kann, es ist alles wunderbar und geht gut. Aber wir kämpfen. Leider sind wir von einer großen Stadt abhängig."
Nischenbuchhandlungen funktionieren eben kaum in einer Kleinstadt, sagt auch der Börsenverein. Um den Buchbund hat sich, mit der Zeit ein kleines Netzwerk entwickelt - mit Stammkunden und neuen Freundschaften. Das Geschäft ist Ort für Sprach- und Literaturkurse, für Ausstellungen, aber auch sozialer Treffpunkt. Hier wird geplaudert, gestritten und diskutiert - über Literatur, aber auch über die Situation in der Ukraine.
Marcin Piekoszewski: "Manchmal haben wir Tage hier, wenn wir mehr quatschen als arbeiten mit Freunden."
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