Literatur

Endlich Johnson lesen!

Das Studienbuch von Uwe Johnson im gleichnamigen Archiv in der Universitätsbibliothek Rostock
Das Studienbuch von Uwe Johnson im gleichnamigen Archiv in der Universitätsbibliothek Rostock © picture alliance / dpa / Foto: Bernd Wüstneck
Von Alexa Hennings · 15.07.2014
Uwe Johnson ist weltberühmt, aber in seiner Heimat Mecklenburg kennt ihn kaum jemand, geschweige hat ihn gelesen. Abhilfe tut not, zumal in diesem Jahr, da sich sein Todestag zum 30. und sein Geburtstag zum 80. Mal jährt.
"Gut. Ist alles klar bei Ihnen? Sitzen Sie gut? -Ja. -Überschriften mitlesen, Datum. Wir lesen mit, und falls uns was auffällt, melden wir uns. Ansonsten lassen wir sie einfach unbehelligt lesen. Viel Spaß!"
Ein kleines Tonstudio in Rostock. Ein Flachbau mit DDR-Charme. Eigentlich geht es hier sonst ziemlich heftig zu, Rockbands nehmen ihre Platten auf. Heute ist Uwe Johnson dran.
"18. Dezember 1967. Montag. Noch 1935 konnte man am Kiosk der Deutschen Reichsbahn am Ende des Dampfersteges in Rande/Ostsee Fahrkarten kaufen nach über all hin. Nach Lübeck wie nach London…"
Ein älterer Herr mit Lesebrille tut sein Bestes, um ein Stück aus dem Buch "Jahrestage" von Uwe Johnson vorzutragen. Johnsons Hauptwerk, das in Mecklenburg und in New York handelt, hat 1891 Seiten. Oft schwierige Seiten. 365 Tageskapitel schrieb Johnson. Also gibt es 365 Vorleser in dem Projekt "Eine Stadt liest Uwe Johnsons Jahrestage". Einer ist Hans-Peter Dahnke, gelernter Rundfunktechniker, später kirchlicher Mitarbeiter, heute Rentner aus Rostock.
"Die würden sich noch wundern über die zwölf deutschen U-Boote, die Ende 1935 in Dienst gestellt wurden - Entschuldigung: Ende Juni. - Ach! Ja. Ich beginne bei:die Ende? Ja."
Vorgelesen von 365 Rostockern
Ab dem 20. August 2014 - Johnsons erster Eintrag ist vom 20. August 1967 - soll jeden Tag ein Kapitel der Jahrestage ins Internet gestellt werden. Vorgelesen von 365 Rostockern und ein paar Gästen. Es ist eine von vielen Möglichkeiten, Uwe Johnson zu ehren. Denn auch im Jahr seines 80. Geburtstages und seines 30. Todestages gehört er nicht gerade zu jenen Autoren, die viel gelesen werden. Und das gilt nicht nur für Mecklenburg. Selbst Vorleser Hans-Peter Dahnke gibt zu, im zweiten Drittel des umfänglichen Romans stecken geblieben zu sein.
"Eigentlich müsste er mehr gelesen werden. Denn er beschreibt ja eigentlich auch die Zeit, wie sie sich entwickelt hat, nicht nur die Zeit nach dem Krieg, wo Leute - so wie die Generation meiner Eltern - auf alles geschimpft hat, was dann war, nachdem die Russen da waren. Sondern eigentlich: Wie ist es dahin gekommen? Wie die Leute sich so - na ja, so durchgewurschtelt haben. Das muss mehr publiziert werden, die Leute müssen es lesen - aber sie müssen wohl eine gewisse Einführung dann auch haben."
Auf "eine gewisse Einführung" werden die Hörer des Rostocker Mammut-Vorhabens wohl verzichten müssen. Sie werden jedoch auf der Internet-Seite des Projekts und auch auf den Seiten der Uwe-Johnson-Gesellschaft, die sogar einen Blog auf Facebook betreibt, mit Hintergründen versorgt. Ole Landschuff gehört zu der Gruppe junger Wissenschaftler, die das Vorlese-Projekt betreuen. Gerade unter seinen Altersgenossen ist Johnson kaum bekannt, bedauert der Student.
"Ich habe z.B. Freunde gefragt, ob sie Lust haben, einzulesen. Sie ist Biologie-Studentin, er Maschinenbau-Student. Die hatten von Johnson überhaupt noch nichts gehört. Und die waren aber so begeistert! Die waren hier im Studio und hatten Kapitel, wo es um die New York Times geht. Das ist eben das Tolle bei Johnson: Man versteht Mecklenburg, wenn man ihn liest, aber man hat auch einen Großstadtroman mit in den Jahrestagen."
Uwe-Johnson-Archiv in Rostock
Uwe-Johnson-Tagung im Rostocker Rathaus. Wissenschaftler aus New York und Tokio, Göteborg, Liége, München, Berlin und natürlich aus Rostock reden über Johnson und Phantastik, Johnson und Fontane, Johnson und Religion, Johnson und New York. Rostock ist - spätestens seit dem vergangenen Jahr - zum Zentrum der weltweiten Johnson-Forschung geworden. Denn seit Oktober 2012 ist hier das Uwe-Johnson-Archiv zuhause. Vorher war es in Frankfurt beim Suhrkamp-Verlag beheimatet.
Nach dem Umzug des Verlags nach Berlin kam Johnsons Nachlass ans Deutsche Literaturarchiv nach Marbach - wo er jedoch nur einer unter vielen war. Schon seit 2009 gibt es in Rostock die Uwe-Johnson-Stiftungsprofessur. Beides - Umzug des Archivs und Professur - sind undenkbar ohne Ulrich Fries. Der Chef der Unternehmen der FRIES-Gruppe, einer norddeutschen Firma für Baustoffhandel, ist Literaturwissenschaftler und promovierte in Harvard über Uwe Johnsons "Jahrestage". Schon 1994 gründete er zusammen mit dem Rostocker Stiftungsprofessor Holger Helbig das Johnson-Jahrbuch, in dem alljährlich die neuesten Forschungen vorgestellt werden.
"Zu der Stiftung kam es erst in dem Moment, als es um das Archiv ging. Und es klar war, dass Marbach das Archiv nicht bezahlen konnte. Und die Frage war, wo das Archiv hingeben? Daraufhin hatte ich die Idee mit der Stiftung. Ich musste irgendwie das Geld auftreiben. Ich glaube, es gibt keinen besseren Ort als Rostock und das Umfeld der Professur. Weil hier so viel Arbeit - ich rede mal nicht von Liebe - aber weil hier so viel Arbeit reingesteckt wird. Hier ist in drei Jahren so viel Arbeit geleistet worden wie vorher nicht in 30 Jahren. Da war das Mädchen, auf das er gewartet hatte seit 1904. Er hatte noch nicht einmal ihre Stimme gehört. Sie war die Frau für sein Leben. Was sah er denn?"
Es ist nicht nur die Stimme Uwe Johnsons, die im Rostocker Archiv konserviert ist - hier liest der Autor aus den "Jahrestagen" vor. Johnsons Nachlass hat einen legendären Umfang: 8000 Bücher seiner Privatbibliothek, 50.000 Manuskriptseiten, dazu persönliche Dokumente, Briefe, Postkarten und seine berühmte Sammlung von Zeitungsausschnitten, auf die er beim Schreiben zurückgriff. Denn: Für Johnson musste alles Erfundene zwischen New York und Mecklenburg wahr sein. Die Rostocker Literaturwissenschaftlerin Antje Pautzke war von Anfang an dabei beim Ein- und Auspacken des Nachlasses.
"Innerhalb von zwei Tagen haben wir in Marbach mit einem elfköpfigen Team alles eingepackt, das waren über 100 Kisten, seine Bilder und seine Objekte, wie seine Schreibmaschine, auf der er geschrieben hat oder der New-York-Times-Beutel, mit dem er unterwegs gewesen ist in New York. Das ist alles nach Rostock gekommen und seitdem ist es da, und zwar seit Oktober 2012."
In der Rekordzeit Nachlass erfasst
In der Rekordzeit von einem Jahr wurde in Rostock der Nachlass erfasst, seit Ende 2013 können Johnson-Forscher und Leser aus aller Welt in einer Datenbank recherchieren, wo genau im Archiv man was findet. Jetzt geht es darum, die Dokumente präzise zu erschließen. Täglich Brot für Antje Pautzke.
Die junge Literaturwissenschaftlerin, die in der Gruppe des Johnson-Stiftungsprofessors Holger Helbig arbeitet, sitzt gerade an einer Mappe voller persönlicher Dokumente des Schriftstellers.
"Was wir hier gerade sehen, ist ein Datensatz von Uwe Johnsons Schwimmerzeugnis, das er am 10.7. 1944, ausgehändigt bekommen hat. Und zwar ist das eine Bescheinigung der Freischwimmerprüfung…"
Ob die Tatsache, dass sich Uwe Johnson mit neun Jahren 15 Minuten über Wasser halten konnte für die Forschung dermal einst von Belang sein wird, lässt sich noch nicht sagen. Aber so ein Archiv erfasst eben wirklich alles - bis hin zu drei Boxen mit Steuererklärungen, die noch auf Antje Pautzke warten. Das ist dann der eher dröge Teil der Arbeit. Besonders angetan haben es ihr die Briefe Uwe Johnsons.
"Die Briefe machen den größten Teil des Nachlasses aus. Ich habe als letztes den Briefwechsel von Uwe Johnson und Günter Eich erschlossen, auch einer der großen Autoren des 20. Jahrhunderts in der Nachkriegsliteratur Das war sehr spannend und aufschlussreich und auch unterhaltsam. Weil Uwe Johnson ja eigentlich auch ein Mann mit ungeheurem Humor gewesen ist."
Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers Uwe Johnson. Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1934, wurde Johnson im heute polnischen Cammin geboren. Am 23. Februar 1984 starb der Autor in Großbritannien. 
Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers Uwe Johnson. Am 23. Februar 1984 starb der Autor in Großbritannien. © picture alliance / dpa
Uwe Johnson: "Worin bestand die verbrecherische Schuld der Sozialdemokraten in dieser Lage?! - ImVerzicht auf den Generalstreik, Herr Rektor. - Na ja, Cresspahl. - Die Schülerin Cresspahl hatte wenige Aussichten gefunden für einen allgemeinen Ausstand, wenn drei Viertel der Organisierten ohne Arbeit sind. Inzwischen fliegt Hitler zum dritten Mal hin und her über Deutschland, 63 Städte versucht er dumm zu reden in einem halben Monat, bei Stralsund soll er mal fast abgestürzt sein. Die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte, das war mal ein Kurzreferat in der Gewi-Stunde. Gesellschaftswissenschaft…"
50 000 Manuskriptseiten, Briefe und Dokumente: Ehrgeiziges Ziel ist eine vollständige, historisch-kritische Werkausgabe. Das dauert. In 24 Jahren soll das von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften geförderte Projekt vollendet sein. Die jungen Rostocker Assistenten, die heute Johnsons Zeugnisse ordnen, werden dann schon fast Großeltern sein. Und Holger Helbig, Inhaber der Uwe-Johnson-Stiftungsprofessor, längst Rentner.
"Es ist ein Akademievorhaben. Und es ist ganz ungewöhnlich, dass für einen Schriftsteller so kurz nach seinem Tod eine solche Ausgabe begonnen wird. Wir reden hier nicht von einer Werkausgabe - Akademieausgabe heißt, da werden die Kulturschätze von nationaler Bedeutung aufbewahrt. Wir haben 50.000 Blatt Papier und wir werden sie verwandeln in 40 Bände Buch. Und eine Plattform im Internet, wo man all die Informationen, die nicht ins Buch kommen, auch finden wird - plus die Informationen, die im Buch stehen. Und das ist ein Novum, diesen Ansatz hat es kommen. Bisher noch nicht gegeben für Akademievorhaben. Da betreten wir jetzt alle zusammen Neuland."
Wiedergutmachung in der Heimat
Holger Helbig betrachtet das Engagement der Universität und der Stadt Rostock auch als eine Art Wiedergutmachung. Der kritische Geist verließ 1959 den Osten, als sein erstes Buch im Westen herauskam, und er Schwierigkeiten befürchtete. Seine Werke bekam man in der DDR nicht zu lesen. Ein wesentlicher Grund, warum Uwe Johnson fast unbekannt ist in seiner Heimat Mecklenburg.
Dem abzuhelfen, sind Peter Löck und Horst Lederer, zwei pensionierte Lehrer aus Klütz, angetreten. Vor einem Getreidespeicher aus gelblichem Backstein haben sie eine Gruppe um sich versammelt. Über ihren Köpfen ein Schild, Konturen in Metall gefräst: Der Kopf des jungen Uwe Johnson mit Nickelbrille, Pfeife und vom Wind zerzausten Haar, auf eine weite Landschaft blickend. Hommage an ein berühmtes Foto. Es wurde zum Logo des Uwe-Johnson-Literaturhauses, das es seit 2006 in Klütz gibt.
"Das ist unter den deutschen Literaturhäusern und Gedenkstätten so was wie ein Platz in der Bundesliga. Obwohl Klütz kein Lebensort für Uwe Johnson war. Eventuell ein Aufenthaltsort auf der Durchreise nach Boltenhagen. Aber das werden wir unterwegs noch ein paar Mal berühren, diese immer wieder gestellte Frage: War er denn überhaupt hier? Aber das ist eine Frage, die zweitrangig ist. Vordergründig für uns ist, Uwe Johnson nahezubringen und auf seinen Roman neugierig zu machen. Und da gibt es einige Anhaltspunkte, Ähnlichkeiten zwischen dem Handlungsort Jerichow und dem geografischen Ort Klütz."
Jeder dritte Ort in Mecklenburg könnte behaupten: Johnson war hier und genau das ist unsere Stadt, die er da beschrieben hat! Das muss sie einfach sein, hier stimmt so vieles – aber anderes wieder nicht. Noch heute verhext der Dichter mit seinem Erinnerungspuzzle die Leser und foppt sie mit seinem "tatsächlich Erfundenen". Und so hält sich nun einmal Klütz für Jerichow, jenen Kindheitsort der Heldin Gesine Cresspahl aus den "Jahrestagen". Das Buch lernte Peter Löck, der ehemalige Deutschlehrer, erst nach der Wende kennen.
"Uwe Johnson war tabu. Ende der 80er-Jahre brachte meine Tante aus Lübeck, die sogenannte Marzipantante, nicht nur Marzipan mit, sondern auch das Buch ´Ingrid Babendererde` von Uwe Johnson. Und da bin ich also auf Johnson aufmerksam geworden. Und habe ihn in den Schulunterricht einbezogen. Und dann kam vor zehn Jahren der Glücksfall, dass hier in Klütz von einer Kollegin Deutschlehrerin und einem Schulleiter die Idee geboren wurde, einen Uwe-Johnson-Förderverein zu gründen und ihm auch eine Heimstatt zu geben. Und nach vielen Jahren des Bemühens wurde hier dieser Getreidespeicher am Markt dazu umgebaut."
Ausstellung im alten Getreidespeicher
In Klütz hat man das Kunststück fertig gebracht, einen alten Getreidespeicher in ein Uwe-Johnson-Literaturhaus zu verwandeln. Und darin eine Ausstellung zu machen, ohne auch nur eine Schreibmaschine, die Pfeife des Dichters oder gar die "Katze Erinnerung" hineinstellen zu können. Diese "Reliquien" befinden sich im Rostocker Johnson-Archiv und sollen später einmal in einem eigenen Uwe-Johnson-Haus in Rostock ausgestellt werden. Bis das fertig ist, bleibt Klütz die erste Adresse für Johnson-Touristen und Leser, die in der Ausstellung die Lebensstationen und das Werk des Schriftstellers in Hör-, Lese - und Filmstationen kennenlernen.
"Das ist unser Anspruch und unser Antrieb: Hierzulande ist Johnson noch immer unbekannt nach so vielen Jahren, dass man ihn nun wieder lesen kann. Er ist kein Schulstoff gewesen, das merkt man immer noch. Aber wir bemühen uns, das hierzulande nachzuholen, was einmal ein Versäumnis war. Und Uwe Johnson auch beizustehen nachträglich."
Horst Lederer hat auch schon viel gegrübelt, was das denn sei mit Johnson und Mecklenburg. Dass selbst Menschen, die sich für Literatur interessieren, ihn nicht kennen und auch nicht kennenlernen wollen. Der ist abgehauen in den Westen, werfen ihm manche noch heute vor.
"Ihm haftet heute noch der üble Ruch an, nicht so ganz dazuzugehören. Es gibt viele Leute, auch hier in Klütz, die ein Geschichtsbild haben, da zieht es einem manchmal die Schuhe aus. Es ist leider so, man kann’s nicht ändern. Ich weiß, dass viele Klützer – nicht die Klützer, viele Klützer – eine Aversion gegen Uwe Johnson haben. Und ich fühle mich als hier Aufgewachsener gewissermaßen dafür verantwortlich, dass Uwe Johnson hier in Klütz die Position erwirbt, die ihm zusteht."
Längster Lebensabschnitt in Güstrow
Güstrow ist der Ort, an dem Uwe Johnson am längsten lebte. Hier gibt es weder ein Johnson-Haus noch Johnson-Spaziergänge wie in Klütz. Vor dem Güstrower Gymnasium steht zwar eine von Wieland Förster geschaffene Johnson-Figur, die Schule trägt aber den Namen eines anderen Dichters: John Brinckmann. Immerhin gibt es eine Uwe-Johnson-Bibliothek. Zu Zeiten, als dies einfach nur die Güstrower Stadtbücherei war und der Oberschüler Uwe einer der treuesten Leser, gab es einmal einen nächtlichen Besuch, von dem nur zwei Menschen wüssten: Uwe Johnson und sein Schulfreund Heinz Lehmbäcker, genannt Henry.
"Uwe war da fast zuhause. Er kannte also auch, wie man dort reinkommt, wenn mal ein Fenster angelehnt ist. Das darf man heute gar keinem erzählen - die Jungs, die steigen da ein! Aber er hat gedacht: Wenn du das dem Henry vorliest, dann such auch bitte den Platz für das Ganze. Und da stand ein Sessel und ich musste mich hinsetzen. Und dann hat er mir seine Geschichte aus der "Babendererde“, aus der Vorstufe, vorgelesen. Und Heinzi war baff."
"Ingrid Babendererde“, jenes schmale Büchlein, das die Schulzeit in Güstrow behandelt, war Johnsons erstes Werk. Es wurde jedoch erst nach seinem Tod veröffentlicht. Heinz Lehmbäcker möchte es all jenen zu empfehlen, die einen sanften Einstieg in den Kosmos des Uwe Johnson suchen. Er selbst, der später Wissenschaftsjournalist beim DDR-Fernsehen wurde, hat natürlich jede Zeile des Freundes gelesen. Die Bücher gelangten auf Umwegen über andere Schriftsteller zu ihm - oder er bekam sie von Johnson selbst, wenn der ihn besuchte.
Heinz Lehmbäcker ist, weil er seit seiner Schulzeit ständig fotografierte, in die Rolle eines Johnson-Fotografen hineingerutscht. Es gibt viele, die den später so berühmten Autor porträtierten. Doch kaum einem gelang es, mit seinen Fotos solch eine Nähe herzustellen zu dem von vielen als schwierig empfundenen Mann. Auch eines der berühmtesten und immer wieder gedruckten Johnson-Fotos stammt von Heinz Lehmbäcker: Jenes, das den jungen Johnson mit windzerzausten Haaren und Pfeife am Güstrower Inselsee zeigt - und das in Metall gefräst am Klützer Literaturhaus hängt.
"Er hat mich also eingeladen zu einer Paddeltour. Den Bach durch, auf den Inselsee rauf und sind dann hier auf den Burgwall, das ist eine Halbinsel, die da reingeht. Ich habe eine 6x6-Kamera gehabt die Reflekta zwo. Ich habe ihn fotografiert, wie man ebenso einen guten Freund fotografiert. Dass da nun so’nBild entstanden ist, mehr oder weniger zufällig! Die Güstrower haben sich ein bisschen aufgeregt: Uwe in der Badehose! Wie sieht denn das aus, der Dichter eines künftigen Deutschland in Badehose auf dem Bild."
Von Heinz Lehmbäcker stammt nicht nur dieses erste, sondern auch das letzte Porträt des Schriftstellers, aufgenommen wenige Monate vor seinem Tod in der Küche des Fotografen. Jetzt, im Jahr des 80. Geburtstages der beiden Schulfreunde, ist in Güstrow Gelegenheit, sich Lehmbäckers Fotografien anzuschauen: Bis Ende September sind sie in der Uwe-Johnson-Bibliothek ausgestellt.
"Wenn es in Güstrow nicht die ehemalige Leiterin der Bibliothek Sabine Moritz gegeben hätte, dann wäre das mit Uwe Johnson man ziemlich dünne gewesen! Das sag ich Ihnen hier so rein ins Mikrofon, das können Sie auch schneiden! Da brauchen Sie auch Geld und Leute, die sich dafür interessieren. Das ist ein ganz mühsames Geschäft. Und das ist leider in Güstrow nicht so gelungen, wie die Klützer das gemacht haben. Warum soll dann nicht eine Führung da stattfinden und die Leute können das auch assoziieren und sagen: Klütz, das mag ja Jerichow gewesen sein - bitte!"
Wie ehrt man Johnson am besten im Jahr seines 80. Geburtstages? Indem man auf seinen Spuren durch Klütz läuft? Indem man die Mammut-Lesung im Internet verfolgt oder sich die Ausstellungen in Klütz und in Güstrow anschaut? Für den pensionierten Deutschlehrer Peter Löck gibt es nur eine Antwort: Endlich Johnson lesen!
"Er hat so wunderbar uns nahegebracht, was uns in der deutschen Geschichte passiert ist. Das hat er verständlich und begreiflich gemacht. So dass wir wohl auch etwas gegen das Vergessen tun mit Johnsons Hilfe."
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