Literarischer Streifzug

Der schwäbische Parnass

Denkmal des Dichters und Historikers Friedrich Schiller in Marbach
Denkmal des Dichters und Historikers Friedrich Schiller in Marbach © picture alliance / dpa / Inga Kjer
Von Uschi Götz · 24.02.2015
Die Dichterdichte im alten Württemberg war Ende des 18. und während des 19. Jahrhunderts sehr groß: Schiller, Hölderlin, Mörike oder viele andere wären zu nennen. Unsere Autorin Uschi Götz hat sich auf deren Spuren begeben.
"Wir sind das Volk der Dichter,
Ein jeder dichten kann,
Man seh' nur die Gesichter
Von unser einem an.
Der Schelling und der Hegel,
der Schiller und der Hauff,
das ist bei uns die Regel,
das fällt hier gar nicht auf."
Gereimt von dem Kunsthistoriker und Dichter Eduard Paulus, veröffentlicht im Jahr 1897. Ein Schriftsteller bezeichnete einmal diesen Vierzeiler als einen der arrogantesten Sätze, mit denen ein Volksstamm angibt.
Also wieder einmal ein Zeugnis dafür, dass die Schwaben an Selbstüberschätzung leiden?
Noi, des stemmt edda! Des sagt au Dr. Helmuth Mojem vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach:
"Wenn man jetzt die Namen aufzählt: Hölderlin, Schiller, Mörike bezeichnen den absoluten Höhenkamm, der deutschen Literatur. Uhland der heute ein bisschen in den Hintergrund geraten ist, galt im 19. Jahrhundert neben und nach Goethe und Schiller als der dritte deutsche Klassiker. Also man muss sich das klar machen, dass er damals wirklich in dieser Reihenfolge genannt wurde."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Zeitgenössisches Porträt des deutschen Schriftstellers Wilhelm Hauff (1802-1827). © picture alliance / dpa / Bifab
Namhafte Geistesgrößen
Die deutschen Klassiker hatten eine Reihenfolge. Im Württembergischen gab es damals reihenlos namhafte Geistesgrößen: Philosophen, Poeten, Dichter. Wir bleiben zunächst bei den Dichtern. Wilhelm Hauff. Denn kennt tatsächlich bis heute noch fast jedes Kind:
"Wilhelm Hauff ist der Märchendichter schlechthin. Hauff hat es geschafft mit seinen Märchen tatsächlich zum Volksautor zu werden."
Aus seiner Feder stammen viele bis heute bekannte Märchen, wie etwa 'Die Geschichte vom kleinen Muck', 'Kalif Storch', auch 'Das Wirtshaus im Spessart' hat Hauff geschrieben."
Der Roman "Lichtenstein" gilt neben seinen Märchen als sein größter literarischer Erfolg. Hauff zählt zu den Begründern des historischen Romans in Deutschland.
Wilhelm Hauff, Gotthilf von Köstlin, Eduard Mörike, Gustav Schwab, um nur einige zu nennen, zählten mit zu jener Schwäbischen Dichterschule, die sich um 1805 in Tübingen gebildet hatte. Im Mittelpunkt standen dabei der spätere Arzt Justinus Kerner und der Dichter, Jurist und Politiker Ludwig Uhland.
"Auch wenn der eine oder andere dieser schwäbischen Autoren heute nicht mehr so gelesen wird, wie er es verdiente, literaturgeschichtlich stehen die eigentlich allesamt in vorderster Front."
Ganz weit vorne stand Uhland. Ludwig Uhland wurde 1787 in eine akademisch geprägte, gutbürgerliche Tübinger Familie hineingeboren. Die vorgesehene Juristenlaufbahn gab er bald auf, um seinen künstlerischen Neigungen, politischen Überzeugungen und seiner Begeisterung für mittelalterliche Literatur zu folgen.
Verse schmieden
Andrea Bachmann: "Das ist schon erstaunlich, dass es jemand schafft, der Gedichte schreibt zwischen seinem 18. und 25. Lebensjahr und zwar in einer Zeit und in einer Gesellschaft, wo Gedichte schreiben normal ist. Als Gesellschaftsspiel trifft man sich abends und schreibt Gedichte. Es ist auch vollkommen üblich die Eltern zum Geburtstag mit einem selbstgeschriebenen Gedicht zu beglücken. Also das ist ja auch etwas, was man in der Schule lernte: Verse zu schmieden und zusammenzusetzen, also von daher hat er das auch schon gelernt und gekonnt."
"Der wackere Schwabe
Als Kaiser Rotbart lobesam
zum heil'gen Land gezogen kam,
da mußt er mit dem frommen Heer
durch ein Gebirge wüst und leer.
Daselbst erhub sich große Not,
viel Steine gab's und wenig Brot,
und mancher deutsche Reitersmann
hat dort den Trunk sich abgetan;
den Pferden war's so schwer im Magen,
fast musste der Reiter die Mähre tragen."
Johann Ludwig „Louis“ Uhland
Johann Ludwig „Louis“ Uhland© picture alliance / dpa / Bifab
Die Germanistin und Journalistin Andrea Bachmann hat schon einige Bücher und Stadtführer über Tübingen und Umgebung geschrieben. Sie kennt sich aus in der württembergischen Literaturgeschichte und erzählt lebendig von den wundersamen Geistesgrößen, die einst in Tübingen gewirkt haben.
Andrea Bachmann steht vor Uhlands' Geburtshaus in der Tübinger Neckarhalde. Ein stattliches, mehrgeschossiges Haus. Beste Lage. Ein paar Meter den Berg hinab fließt der Neckar, zumindest heute still an Tübingen vorbei. Uhland selbst, so schreibt der verstorbene Tübinger Kulturredakteur Helmut Hornbogen, wirkte seltsam geheimnislos als Mensch wie auch als Dichter.
"Der schreibt dann als junger Mann ein paar Gedichte und Balladen, die wirklich unglaublich populär waren. Wo sich so ein Bürgertum, dass seine eigene Identität suchte, selbst vergewissern konnte, ganz viele Balladen, die in so einem Mittelalter spielen, dass mit dem authentischen Mittelalter ungefähr so viel zu tun hat, wie der Wilde Westen mit Karl May. Also so ein ganz Seltsames. Aber, er war so erfolgreich, dass Theodor Storm mal zugegeben hat, dass er als Primaner noch gedacht hat, Ludwig Uhland sei ein mittelalterlicher Minnesänger. Er hat genau dieses 19. Jahrhundert-Mittelalterbild bedient mit seinen Texten und war da entsprechend erfolgreich."
Uhland zählte also damals zu jenem Dichterkreis, den es in dieser Konzentration nur einmal, nämlich Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab.
Der Schwäbische Parnass
Es war die Hochzeit der württembergischen Dichtung. Der Literaturhistoriker und Gründungsdirektor des Deutschen Literaturarchivs, Bernhard Zeller, beschrieb diese Dichterdichte als den Schwäbischen Parnass. Der Gipfel des Musenbergs war ganz sicher Tübingen.
In Tübingen waren fast alle, auch wenn sie sich nicht alle persönlich kannten. Doch wie kann es sein, dass es zu einer bestimmten Zeit so eine Häufung gab?
Moyem: "Als Erklärungsversuch wird man als allererstes das württembergische Schulsystem nehmen müssen, das auch schon sehr viel früher eine Besonderheit aufgewiesen hat."
Württemberg förderte damals seine Elite. Wer dem Lehrer oder Pfarrer auffiel, wurde zu einer landesweiten Prüfung, dem Landexamen zugelassen. Die Prüfung fand meist im Alter von 14 Jahren statt.
Moyem: "Wer diese strenge und auf Leistung orientierte Prüfung bestanden hat, der konnte daraufhin, mit einem Stipendium versehen, auf Staatskosten, zunächst in den Seminaren und dann im Tübinger Stift Theologie studieren. Die gesamte Ausbildung wurde bezahlt und auf diese Weise kamen eben auch Kinder zu höherer Bildung, die es normalerweise nicht geschafft hätten."
Die begabten Kinder, es waren ausnahmslos männliche Schüler, wurden dadurch gefördert und entdeckt. Doch nahezu alle Dichter und Philosophen kamen aus der gleichen Gegend, dem heutigen mittleren Neckarraum. Fast alle entstammten der gleichen sozialen Schicht. Nicht wenige waren verwandt und verschwägert miteinander. Die berühmte schwäbische Vetterleswirtschaft - mindestens damals auch eine erste große Blüte.
Hinzu kam noch der bis heute spürbare Pietismus, der gerade im 18. Jahrhundert in Württemberg ausgeprägt war:
Moyem: "Nicht nur da, aber hier besonders - über die Schwabenväter Bengel und Oettinger. Und der Pietismus hat die Konzentration auf das Wort gefördert, er hat einer bestimmten Form von Fantasie Vorschub geleistet."
Auffällig viele aus dem akademischen Bürgertum stammende Kinder besuchten die württembergischen Seminare Maulbronn, Urach und Blaubeuren. Die jungen Schüler mussten Griechisch und Latein lernen. Unter den Seminaristen herrschte ein harter Wettbewerb. Die Eltern übten Druck aus, aber auch die Öffentlichkeit, Ehrbarkeit genannt, saßen den jungen Schülern im Genick.
Im "Schwäbischen Merkur" wurden zudem regelmäßig die Examensnoten veröffentlich. Die Hochbegabten mussten liefern. Wer die Seminarzeit erfolgreich absolviert hatte, dem standen zwei Schulen im Südwesten offen: das Tübinger Stift für die theologische Laufbahn und die Stuttgarter Hohe Karlsschule, die herzogliche Militärschule.
"Die Handschrift ist sehr mittelmäsig"
Besonders hart traf es den jungen Friedrich Schiller aus Marbach am Neckar. Schiller kam 1773 auf die Hohe Karlsschule nach Stuttgart. Er hatte, fast möchte man sagen leider, die harte Aufnahmeprüfung bestanden.
"Johann Christoph Friedrich Schiller, confirmiert, übersetzt die in den trivial-Schulen eingeführte collectionem autorum latinorum, nicht weniger das Griechische Neue Testament mit zimlicher Fertigkeit; hat einen guten Anfang in der lateinischen Poesie; die Handschrift ist sehr mittelmäsig."
Die Zöglinge wurden auch medizinisch untersucht. So heißt es im Aufnahmejahr:

"Johann Christoph Friedrich Schiller, aus Marbach gebürtig, alt 13 Jahre, hat sich bei vorgenommener Untersuchung seiner Leibesbeschaffenheit, mit einem ausgebrochenen Kopf und etwas verfrörten Füssen behaftet, sonst aber gesund befunden."

In strengster Abgeschiedenheit wurden die Schüler in der Hohen Karlsschule mit heute unvorstellbarem Drill erzogen und unterrichtet. Später schrieb Schiller über seine Stuttgarter Schulzeit:
"Es gab in dieser herzoglichen Lernanstalt weder Ferien noch Freizeit und keine Sekunde ohne Aufsicht und Terror. Sieben lange Jahre musste ich diese Hölle der verlorenen Kindheit durchleben! Mein Leben glich einem lautlosen Schrei, der so verzweifelt war, dass er aus der Tiefe meiner Hölle bis zu Gott dringen musste."
Mojem: "Dieses Schulsystem hat was zweischneidiges, sowohl die Karlsschule, wie auch das Stift. Da gibt es durchaus gebrochene Existenzen, und solche, die es nicht geschafft haben, oder die seelisch verkrüppelt herausgekommen sind. Aber es hat eben zwei Seiten. Es wurde ihnen ja auch ein ausgezeichnetes Bildungsangebot gemacht und man konnte dort sehr viel für das spätere Leben und die geistige Ausbildung schöpfen. Bezahlen musste man mit einer Pädagogik, die wir heute wohl nicht mehr vertreten würden. Schiller und auch die Absolventen des Stifts, das ist ein Topos, die haben schon während der Schulzeit fürchterlich geschimpft auf ihre Erziehungsanstalten, über den Kleiderzwang, den Drill, die Ausgehsperren, die Prüfungen, so wie das heutige Schüler eben auch tun. Die Karlschule hat das militärische Element stärker ausgeprägt. Beim Stift war es eben religiöse Disziplin, aber beides hat den Entfaltungsdrang der jungen Menschen doch sehr eingeschränkt."
Schiller ist schon längst aus Württemberg geflohen, da kommt der junge Hölderlin in das Studieralter. Hölderlin kommt im Tübinger Stift unter. Die Zeiten stehen auf Sturm, gerade war die Französische Revolution ausgebrochen.
Bachmann: "Ein revolutionärer Student sozusagen. Also im Jahr der Französischen Revolution, die natürlich von den Studenten hier in Tübingen aufgenommen wurde und beobachtet wurde. Und man hat sich von diesem Freiheitsgedanken dann schon sehr inspirieren lassen. Also gerade diese jungen Theologiestudenten, das war ja eine Clique, hochbegabter Adoleszenten, die da in dem Stift zusammengehockt haben und Freiheit und Gleichheit geträumt haben."
Doch auch Hölderlin litt unter dem Drill. 1789 schrieb er einen verzweifelten Brief an seine Mutter:
"O liebe Mamma! mein seeliger Vater pflegte ja so oft zu sagen, seine Universitätsjahre seien seine vergnügtesten gewesen, soll ich einst sagen müssen, meine Universitätsjahre verbitterten mir das Leben auf immer."
Es muss auch Lichtblicke gegeben haben. Hölderlin teilte sich eine Stube mit den später bedeutenden Philosophen Hegel und Schelling. Schelling galt damals als Wunderkind, Hegel allerdings fiel zunächst dadurch auf, dass er oft und viel trank.
Zeitgenössische Darstellung des Schriftstellers und Dichters Johann Christian Friedrich Hölderlin
Zeitgenössische Darstellung des Schriftstellers und Dichters Johann Christian Friedrich Hölderlin© picture alliance / dpa
Hölderlin schrieb in seiner Stiftszeit schon an seinem Roman "Hyperion".
Zitat aus Hyperion, Hölderlin
"Es gibt ein Vergessen alles Daseins, ein Verstummen unsers Wesens, wo uns ist, als hätten wir alles gefunden. Es gibt ein Verstummen, ein Vergessen alles Daseins, wo uns ist, als hätten wir alles verloren, eine Nacht unsrer Seele, wo kein Schimmer eines Sterns, wo nicht einmal ein faules Holz uns leuchtet."
Mag es auch eine harte Schule gewesen sein, es sind geniale Werke, die jeder für sich noch zu Studienzeiten und erst recht, man denke an die Philosophen Hegel und Schelling, auch später verfassten.
Andrea Bachmann blickt auf den Innenhof des Tübinger Stifts:
"Das war schon so, dass die hier eine ganz gründliche humanistische Ausbildung bekommen haben. Also die lernten als zukünftige Pfarrer fließend Latein und Griechisch und lasen dann diese ganzen antiken Philosophen und antiken Schriftsteller und die haben in denen dann wirklich das Denken beigebracht."
Weder Hölderlin noch Schelling und Hegel gingen in den Pfarrdienst. Anders Eduard Mörike. Er arbeitete ein paar Jahre als Pfarrer. Vom Schreiben zu leben, das hatte er sich nicht zugetraut. Überhaupt konnten die wenigstens württembergischen Dichter nur vom Schreiben leben.
Mojem: "Der Wohlstand, den wir heute mit dem Südwesten verbinden, der ist im Grunde eine Frucht der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts. Davor war Württemberg ein landwirtschaftlich geprägtes und armes Land. Die geistige Ausbildung mit den Stipendien, die gewährte den Absolventen eine Ausbildung. Danach folgte die sogenannte Vikariatsknechtschaft, das heißt, sie wurden als Pfarrgehilfen durchs Land geschickt, oftmals auf viele verschiedene Stellen, bis sie dann irgendwann einmal eine Anstellung als Pfarrer bekamen, sofern sie das wollten. Nun gibt es den einen oder anderen Dichterpfarrer, der seine Schäfle auch gelegentlich vernachlässigt hat, um zu schreiben. Mörike ist da so ein Beispiel, der sich ja auch bald hat pensionieren lassen. Aber es gab natürlich auch etliche , die gar nicht in den geistlichen Beruf wollten und die sich dann recht und schlecht durchgeschlagen haben."
Uhland heiratete eine reiche Frau, dieses Glück hatten nur die wenigsten. Viele lebten von der Hand in den Mund. Hermann Kurz zum Beispiel, auch er hatte das Tübinger Stift besucht, litt sehr unter seiner brotlosen Kunst.
Mojem: "Und es ist schon bezeichnend, dass Cotta als Verleger mit dem Verlag von sehr anspruchsvollen Büchern zum Millionär geworden ist, aber von seinen Autoren hat das wiederum keiner geschafft."
Hölderlin wurde auf Vermittlung seines Landsmannes Friedrich Schiller zunächst Hauslehrer. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Jena und in Frankreich, kam er psychisch krank wieder zurück nach Tübingen. Dort wurde er zunächst ärztlich behandelt und für unheilbar geisteskrank erklärt.
Die Schreinerfamilie Zimmer nahm ihn im sogenannten Turm-Haus auf. Fast vier Jahrzehnte lebte Hölderlin in dem Haus am Neckar, das heute als Hölderlinturm bekannt ist.
Sehr viel später würdigte der Schriftsteller Peter Härtling in seinem Buch "Hölderlin" die Familie, die den kranken Dichter so lange gepflegt hat mit dem Satz:

"Diese beiden, Ernst und Lotte Zimmer, habe ich schreibend, zärtlich geliebt."
"Der hat nichts hingekriegt im Leben!"
Bachmann: "Also ich kann mir vorstellen, dass er nicht mehr in der Lage war, seinen Alltag zu bewältigen, in den Maßstäben, wie wir das auch heute normal finden würden. Und das ist etwas, was sowieso etwas, was so erstaunlich ist, dass wir jemanden zu einer Symbolfigur für dieses romantische, poetische, malerische, melancholische Tübingen machen, der nach schwäbischen Grundsätzen eigentlich hoffnungslos gescheitert ist. Der hat nichts hingekriegt im Leben! Der hat gerade einmal ein Studium abgeschlossen, dann hat er ein paar Jahre gejobbt, ein Buch geschrieben, und dann ist er verrückt geworden. Also, kein Haus, kein Baum, kein Kind, sondern wirklich ein Leben das nun nicht gerade was geworden ist, wenn man das so nach schwäbischen Maßstäben misst. Und trotzdem wird er zu einer Symbolfigur. Anscheinend steht nichts einer Universitätsstadt so gut wie ein wahnsinniger, aber genialer Dichter."
Einige Freunde aus früheren Zeiten sind Hölderlin treu geblieben. Uhland und der Schriftsteller Gustav Schwab gaben 1826 eine erste Auswahl von Hölderlins Gedichten heraus. Eduard Mörike begleitete den kranken Dichter auf Spaziergängen. Hölderlin starb 1843 in Tübingen.
Die Begabungen begannen sich zu verschieben.
Moyem: "Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hört Württemberg auf Dichter zu produzieren und fängt an, die Ingenieure hervorzubringen. Also da kommen dann, in ebenfalls erstaunlicher Fülle, Zeppelin und Daimler und Bosch und wie sie alle heißen, ab da ist Württemberg dann nicht mehr bekannt für die Winkelpoeten, sondern für die Fahrzeuge, die hier hergestellt werden."
Doch einer ist noch dazwischen gerutscht. Der 1836 in Kirchheim unter der Teck geborene Maximilian Eyth.
Moyem: "Das ist ein Dichteringenieur. Sein Vater ist Ephorus in Schöntal gewesen, stammt auch aus dieser klösterlichen Bildungsschicht, aber der Sohn ist dann aufs Stuttgarter Polytechnikum gegangen, ist Ingenieur gewesen, und hat aber, nachdem er sich in Ruhestand gesetzt hat, begonnen darüber zu schreiben. Es gibt von ihm Techniknovellen und er hat auch einen Roman geschrieben über den Schneider von Ulm, wo er dann auch dieses Bildungssytem sehr genau beschreibt. Der hat so eine Art Scharnierfunktion. Ab da geht es rüber ins Naturwissenschaftliche ... Und im 20. Jahrhundert ist dann eher der Daimler und der Bosch die Regel."
Mehr zum Thema