Literarische Parodie

Seine Ornella Muti entpuppt sich als Transsexueller

Ornella Muti auf einer Party in Moskau
Das ist die echte Ornella Muti - der Romanheld von Emil Hakl verehrt die Schauspielerin © Imago / Itar-Tass
Von Jörg Plath · 28.01.2015
Der böhmische Schriftsteller Jan hat genug vom willenlosen Volk und vom Literaturbetrieb. Die Hauptfigur in Emil Hakls Roman "Acht Tage bis Montag" plant mit einem Mord zurückzuschlagen und wird dabei in allerhand absurde Abenteuer verwickelt.
Rache ist süß? Nein, Rache ist ziemlich mühsam. Sie zwingt nämlich dazu, vor dem Mord den irgendwo vergrabenen Führerschein zu suchen. Und den Stuhl auf dem Balkon zu verlassen, auf dem sich, unterstützt von Flüssigkeiten aller Art, die Tage mit einem Freund wunderbar verplaudern oder durchschweigen lassen. Kein Wunder, dass die Tage vor dem Mord eine schwere Prüfung darstellen. Aber Jan steht die "Acht Tage bis Montag", so der Titel von Emil Hakls neuem Roman, durch. Jan will die böhmische Duldsamkeit abschütteln, er will endlich zurückschlagen.
Nicht gleich allerdings. Denn Hakls Erzähler ist alles andere als ein wutentbrannter Rächer. Zwar besitzt er eine erhebliche Verachtung für bürgerliche Existenzen im Allgemeinen und den Literaturbetrieb im Besonderen. Nur ist er als Angestellter leider selbst eine bürgerliche Existenz und dazu noch Schriftsteller. Der Prager ist ein mittelböhmischer Dödel, wie er im Buche steht, jedenfalls in denen Emil Hakls, wo die Dödel, Mirko Kraetschs spielerisch-atmosphärischer Übersetzungen sei Dank, auch Dödel genannt werden. Als solcher kriegt er es hin, Beihilfe zum Mord zu leisten und dabei die passive, höchstens lustvoll schwadronierende Widerständigkeit nicht zu lassen, die schon Hašeks Schwejk besaß.
Matti liest Bücher über Morde der RAF
Kein Wunder, dass "Acht Tage bis Montag" ebenso wie die anderen Bücher Hakls, "Treffpunkt Pinguinhaus" und "Regeln des lächerlichen Benehmens", die Gattung des Romans durch anarchistische Nonchalance überschreitet. Dabei tut sich allerhand: Der Schriftsteller Jan sondert auf einer Literaturkonferenz in Oslo einige Ratlosigkeiten ab, er begegnet seinem Schwarm Ornella Muti, die sich alsbald als Transsexueller entpuppt, liest gebannt ein Buch über die Morde der Rote Armee Fraktion, hört von den Morden des Anders Behring Breivik auf einer norwegischen Ferieninsel und nutzt jedes Internetcafé am Bürgersteigrand, um mit dem Prager Freund Evžen das Spiel "Sargweitwurf" fortzusetzen. In Prag folgt eine Liebesgeschichte mit einer jungen und schönen Frau, unterbrochen von schönen Stunden mit Freund Evžen und dessen Kollegen Fratze, nur leicht beeinträchtigt von einem tagelangen Kaufrausch, in den Jan gerät, weil er irrtümlich zu Pillen greift, mit denen der Biologe Fratze üblicherweise Ratten zur Produktion eines Serums anregt.
Solche Dödel wie er können nicht morden
Solcherart sind die Abenteuer in diesem Buch, das Elemente des Dissidentenromans, des Liebesromans, des Thrillers parodiert, sie gekonnt mit Chatroom-Unterhaltungen und Emails, mit Titeln und Künstlernamen aus Musik, Literatur, Kino und Computerspielen abmischt – und mit Taten der Rote Armee Fraktion und des norwegischen Attentäters Breivik. Souverän beiläufig lässt Hakl den Gedanken an einen aufrüttelnden, politischen Mord aufkommen, aus Erbitterung über das Schicksal von Jans Freund Evžen, von Müttern und Verwandten, denen Spekulanten die Häuser und Wohnungen nehmen.
Einer der Staatsanwälte, die die Zwangsversteigerungen willig legitimieren, muss am bewussten Montag sein Leben in Trockeneis aushauchen. Nach vollbrachter Tat herrscht bei Jan, mehr noch bei Fratze allerdings so großer Rededrang, dazu Zähneklappern, dass eine systemerschütternde Mordserie wenig wahrscheinlich erscheint. Sicher, eine "kleine, aber unumkehrbare" Veränderung täte not, meint Jan. Aber dazu bräuchte es "wenigstens eine Mohnhaupt, wenigstens einen Baader". Und nicht solche Dödel wie ihn.

Emil Hakl: Acht Tage bis Montag
Aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch
Braumüller Verlag, Wien 2014
216 Seiten, 19,90 Euro

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