Lit.Cologne

Lesemenü und Gerüchteküche

Michael Lentz und Herbert Grönemeyer auf der Lit.Cologne
Der Lyriker Michael Lentz (l-r) und Sänger Herbert Grönemeyer am 11.03.2015 bei einer Lesung auf dem Literaturfestival Lit.Cologne. © picture alliance / dpa / Foto: Horst Galuschka
Von Michael Köhler · 18.03.2015
Zum 15. Mal findet in Köln gerade das Literaturfestival Lit.Cologne statt. Noch bis zum Wochenende gibt es eine Fülle von Lesungen und Veranstaltungen. Sänger Herbert Grönemeyer hat aber schon mal über seine Musik- und Lyrikqualitäten berichtet.
Wenn der Karneval die fünfte Jahreszeit am Rhein ist, dann ist die Lit.Cologne inzwischen die sechste. Etabliert, sehr gut besucht, eine Art vergnügungshungrige Fastenzeit, ein Pop-Konzert ohne Musik, dafür mit heilenden Worten, ein Markt für Worte. Zur Eröffnung beschmusten sich der Poet und Schreibwerkstatt Professor Michael Lentz und der Pop Gigant aus Bochum Herbert Grönemeyer. Ausverkauft natürlich. Mindestens 1200 Menschen. Lentz fragte nach Grönemeyers Erfolg. Er verwendete das Wort "Erfolgsrezept".
Lentz: "Die Frage ist, was kann das Lied, der Song von einem Gedicht lernen. Ist das Lesen von Gedichten, ein Vorbereitung Liedtexte zu schreiben?"
Grönemeyer: "Nee, ich denke, ein Gedicht muss die Musik auch schon in sich haben. Ich hab immer das Glück, Worte müssen nicht ganz so stark sein, weil ich immer noch Musik dazu habe. Ein Gedicht muss in sich beides haben. Ich glaube persönlich, dass ich schönere Musik als Texte schreibe, aber das ist noch nicht durchgedrungen hier in Deutschland, aber ich denk postum wird man das dann sehen. Aber ich glaub, das Gedicht ist in sich `ne viel strengere und kraftvollere Einheit als meine Liedtexte, das denk ich schon."
Ja, Liebeslieder seien das, was er schreibt, sagt er. Und die Melancholie der Lyrikerin Mascha Kalékos sei einflussreich für ihn.
Grönemeyer: "Und ich denke natürlich, in der Melancholie, da muss man durch, da geht man auch durch. Und das hat dann aber auch was sehr Kräftigendes."
So wie Linseneintopf mit Mettwurst. Über "Currywurst" hat er ja schon gesungen. Literatur hat längst Song-Text-Format. Lyrik als Tonspur für Selfies.
Ein Geschenk des Herrn Silvio Berlusconi
Überhaupt wurden Tellergerichte der bürgerlichen Sprech- und Unterhaltungsküche geboten. Joschka Fischer etwa, Bundesaußenminister a.D., gewissermaßen die Frankfurter "grüne Soß" unter den Elder Statesmen, erzählte, was es bei Silvio so zum Dinner gibt. Giovanni die Lorenzo fragte ihn.
"Sie sind beim Abendessen mit Silvio Berlusconi. Sie nehmen die Serviette vom Teller hoch und da liegt eine kostbare Uhr, die sie nicht annehmen. Ist diese Geschichte wahr?"
Fischer: "Das mit der Uhr stimmt, aber die Umstände waren andere. Das war das erste Treffen im Palazzo Chigi. Und das Erste, was Freund Silvio macht, ´Caro Joschka`, er gibt mir so ne teure Uhr."
Di Lorenzo: "Zur Begrüßung gleich?"
Fischer: "Zur Begrüßung. Da gibt es dankenswerterweise eine Einrichtung, die nennt sich ´Das Protokoll`, der Protokollbeamte und Berlusconi neben mir. Ich hab´ die gar nicht angefasst."
Di Lorenzo: "Haben Sie das Modell erkannt? Sie sind doch ein Uhrenkenner."
Fischer: "Ja, das Modell habe ich erkannt, es fällt mir jetzt nicht mehr ein."
Die Lorenzo: "War´s ne gute Uhr?"
Fischer: "Ja, war ne gute Uhr."
Die charmante Sternköchin
Tellerwechsel:Im Kölner Tanzbrunnen, natürlich auch ausverkauft, sprachen der Drei-Sternkoch Dieter Müller, der Gastrosoph und -kritiker Jürgen Dollase mit Moderator Denis Scheck über deren Kochbücher und die Kunst, Teller zu lesen. Alle haben gerade Kochbücher oder Autobiografien vorgelegt. Lauter gutbürgerliche Damen und Herren reiferen Alters lauschten den besternten Küchenkünstlern, sogenannten "kulinarischen Quartett". Der leuchtende Stern unter den Kerlen aber war sie: Lea Linster aus Luxemburg. Was die Sternköchin und charmante Unterhalterin, die Gewinnerin des Bocuse d´Or, der Weltmeisterschaft der Köche preisgab, hörte sich an wie das Erfolgsrezept der Lit.Cologne.
Lea Linster: "Das hat mich so gefreut, dass, wenn du gut kochst, kriegst du alles verziehen."
Ja, auf der Lit.Cologne wurde gut gekocht, und so ist alles verziehen. "Lesen" heißt aber auch aufsammeln, ernten, keltern und wirken lassen. Literatur unter Festival-Bedingungen ist aber eher Aufreißen, Konsumieren, Wohlfühlen. Eine Fünf-Minuten-Terrine fürs Gefühl. Ein verbraucherfreundliches Convenience-Produkt. Fraglos unterhaltsam, insofern gelungen.
Linster: "Für mich ist ein gutes Rezept, wenn es gelingt. Es stresst denjenigen nicht zu sehr, der es macht, bisschen Aufregung gehört dazu, aber es darf kein Stress werden, man muss das genießen. Und nachher kriegt man ganz viele Komplimente."
Aber wie sagte Jürgen Dollase treffend: "Lernt essen, nicht kochen“! Das Erfolgsrezept der Lit.Cologne ist es, in rascher Abfolge bekömmliche Tellergerichte zu servieren. Man steht beschwingt auf, nimmt ein gutes Gefühl mit und hat sich nicht überfressen.
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