Lissi statt Sissi

Vorgestellt von Hannelore Heider · 24.10.2007
Michael "Bully" Herbig hat sich in seiner dritten Filmparodie die Sissi-Filme vorgenommen und sie in einen Animationsfilm mit der naiv-fröhlichen Lissi verwandelt. Im Filmdebüt des französischen Bestsellerautors Eric-Emmanuel Schmitt "Odette Toulemonde" verliebt sich ein Schriftsteller in einer Sinnkrise glücklich in einen weiblichen Fan.
Lissi und der wilde Kaiser
Deutschland 2007, Regie: Michael "Bully" Herbig, Animationsfilm,
sechs Jahren


Als erste große deutsche 3D-Animation legt Herbig hier eine Parodie der Sissi-Filme hin, die er selbst als "Romantik-Action-Drama-Kitsch-Komödie" bezeichnet und die als Sketchreihe aus seiner TV-Sendung "Billyparade" stammt. Für den Animationsfilm wurde eine durchlaufende Handlung entworfen, die darin besteht, dass Sissi, die zu Lissi mutiert ist, von einem Jeti aus Schloss Schöngrün entführt wird, worauf Kaiser Franz mit Hofmarschall und Schwiegermutter-Kaiserin die Verfolgung aufnimmt.

Die Versatzstücke der Story sind dramaturgisch beliebig, schon der Ausgangspunkt, ein Pakt mit dem Teufel, den der wie vom Himmel gefallene Jeti eingeht, um sein Leben zu retten und dem Teufel die schönste Frau des Königsreiches zu bringen, ist einigermaßen abstrus, was aber dem Lachpotenzial von Bully-Filmen noch nie geschadet hat.

Die größte Schwierigkeit bei dieser dritten Filmparodie besteht sicher darin, dass die Sissi-Filme an sich nicht nur Kult, sondern in sich schon Karikaturen sind. Herbig gelingt einfach keine weitere subversive Brechung, die animierte Welt bleibt in Ausstattung und Farbgebung ganz bei den alten Filmen. Es ist ein naiv-fröhliches Märchen mit einer lebensfrohen, selbstbewussten Lissi, die ihre Romanze mit dem trottligen Kaiser herzallerliebst auf Schloss Schöngrün auslebt, um sich genauso fröhlich den Strapazen einer Entführung zu stellen und ihre Befreiung couragiert selbst in die Hand zu nehmen, weil von dem Verfolgergespann nun wirklich nichts zu erwarten ist.

Sicher aus finanziellen Gründen - für die deutsche 3D-Variante stand nur ungefähr ein Zehntel der in Hollywood üblichen Mittel zur Verfügung - hat sich Herbig auf zehn Hauptfiguren konzentriert und die Hintergründe des Filmes oft in plakativer Starre gelassen. Das stört weniger als der wirklich magere Dialogwitz, der die simple Story nicht aufputzen kann, und – für Fans der Bully-Filme – sicher die Abwesenheit ihres Stars, Michael-Bully-Herbig selbst, der einen Großteil des "Brachialhumors" beim "Schuh des Manitu" und "(T)Raumschiff Enterprise" einfuhr.

<im_41093>"Odette Toulemonde" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_41093>Odette Toulemonde
Belgien/Frankreich 2006, Regie: Eric-Emmanuel Schmitt, Hauptdarsteller: Catherine Frot, Albert Dupontel, ab 6 Jahren

Odette Toulemonde, auf Deutsch etwa "Jedermann", ist eine "Allerweltsfrau, die absolut einzigartig ist". So beschreibt Hauptdarstellerin Catherine Frot ihre Filmheldin. Im Filmdebüt des französischen Bestsellerautors Eric-Emmanuel Schmitt erlebt diese eine Liebesgeschichte, wie sie in seinem oder im Roman seines Alter Egos im Film, des vergötterten Schriftstellers Balthasar Balsan, stehen könnte. Als ihn Odette endlich bei einer Lesung kennenlernt, ist dieser gerade in einer Sinnkrise. Nach der auch persönlich depürierenden Herabsetzung als "Kitschautor" in aller FS-Öffentlichkeit seitens eines Kritikers, der ihm auch noch als Ehemann Hörner aufsetzt, verfällt er in tiefe Depression und flieht aus Paris. Seine Flucht führt ihn zu Odette Toulemonde, die sich in einem Brief als glühende Verehrerin geoutet hatte. Ihnen, so schreibt sie auf rosarotem Briefpapier, verdanke ich mein Leben.

Aus den autobiografischen Parallelen macht Eric-Emmanuel Schmitt keinen Hehl. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Autor und Leser und der nur aufs Image gerichtete Literaturbetrieb geben der märchenhaft überhöhten Romanze eine angenehm ironische Grundierung, ohne den Kern der Lovestory zu verleugnen. Denn der gebeutelte Erfolgsschriftsteller entdeckt bei der einfach gestrickten und trotz aller Mühsal lebensfrohen Odette seine Seele wieder, während die vom Glück immer nur träumende Witwe und Mutter halb erwachsener Kinder die Liebe wirklich findet.

Diese durchaus sentimentgeladene Geschichte wird durch sentimentale, aber witzig inszenierte Chansons immer wieder gebrochen. Odette träumt sich in rosarote Sonnenuntergänge und schwebt – wenn ihrer Seele gerade danach ist – wortwörtlich über den Dächern. Das ist kitschig und sentimental und könnte leicht lächerlich wirken, aber nicht mit Catherine Frot! In zartlila Häkelpullis ist sie eine durchaus auf dem Boden der Realität stehende, gute Fee, die den Autor eines lehrt: Nicht seine Bücher sind falsch, falsch ist sein Leben!
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