Limousinen und Luftschiffe

Lichtbogen

Bilder zum Hörspiel "Lichtbogen" (Ursendung 4.6.) von Irmgard Maenner
Rosa ist schwanger und noch fremd im eigenen Haus. © Irmgard Maenner
Von Irmgard Maenner · 20.07.2016
Rosa wohnt jetzt in diesem vornehmen Viertel. Die Umzugskisten stehen unausgepackt da, ihren Job bei der Agentur ist sie los und schwanger ist sie auch. Ab und zu kommt eine SMS von Anton, der irgendwo auf der Welt Prozesse kontrolliert.
Damen aus der Kohlschen Ära und Männer in Limousinen kreuzen Rosas Weg. Hört sie da was? Rasenmäher, Plätschern vom Pool, Flipflops. Wie über einen Lichtbogen springen Stimmen in ihren Kopf. Sie sprechen von Bomben, und von einem Luftschiff über dem Ozean. Und dann hat Rosa auf einmal einen Grund zu rennen.

Regie: Judith Lorentz
Mit: Lisa Hrdina, Felix von Manteuffel, Erik Hansen, Ulrike Bliefert, Britta Steffenhagen, Moritz Grove, Lynn Femme u.a.
Ton: Martin Eichberg
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2014

Länge: 54'22

Irmgard Maenner, 1959 in Bayern geboren, studierte Theaterwissenschaft und italienische Philologie in Berlin. Stipendiatin u.a. des Literarischen Colloquiums Berlin und des Berliner Kultursenats auf Schloss Wiepersdorf. Zahlreiche Hörspiele und Features. Zuletzt: "Federland oder Der Sechzehnkindermann" (Deutschlandradio Kultur 2011) und Wurfsendungen. Lebt in Berlin.

Poetische Notizen zu "Lichtbogen"
Von Irmgard Maenner
Der Ort Wird nicht benannt. Doch die Stimme von Doris Day dringt aus den Bungalows, in denen früher die amerikanischen Offiziere wohnten. Ike Eisenhowers Geist grollt. Er sucht seinen Namen auf den Straßenschildern der Hauptstadt. Während Damen noch von Helmut Kohls Wimpern schwärmen, parkt nebenan schon der Umzugswagen von Bad Boy. Hinter den Stacheldrahtrollen auf der alten Kasernenmauer entstehen Residenzen,
über der Brache wächst das Gerippe einer Mall in die Höhe
und die jungen Familien lassen vor den Terassenwohnungen Rollrasen auslegen. Westliche Geschichte lagert hier.
Schicht an Schicht. Technik und Bewegung Sein schneller und wendiger Flieger brachte den alten Piloten über den Ärmelkanal. Er warf Bomben ab, viele verloren ihr Leben, er nur ein Bein. Nun geht er mit einem Orden, einem toten und einem lebenden Bein durch die Zeit und redet. Die von denen er redet, schweigen.
Rosas Liebster schickt sekundenschnell Nachrichten aus Kirgisien und Paris, wo er Prozesse optimiert. Auch Mascha ist global unterwegs und benutzt die Minibar.
Reisende kommen aus der U-Bahn, die Augen zwischen ihren Geräten und der Welt hin und her führend.
Rosa aber geht an allen vorbei. Ein Kind wächst in ihrem Bauch. Stimmen springen über und setzen sich in ihren Kopf. Moderne Sklaverei? Eher unbemerkt, beiläufig. Ganz ohne Ketten.
Siehe Hilfsorganisation für Frauen Ban Ying