Limburg

"Das ist nicht vorstellbar, dass er zurückkehrt"

Der beurlaubte Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst
Thomas Schüller bescheinigt Franz-Peter Tebartz-van Elst eine sehr starke selbstbezogene Sicht. © dpa / picture-alliance / Fredrik Von Erichsen
Moderation: Philipp Gessler · 22.02.2014
Er hält sich für unantastbar, sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller über den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er bringe den Papst in Bedrängnis, weil er sich weigere, selbst zurückzutreten. Die jüngsten Enthüllungen über den Neubau des Limburger Bischofssitzes deuteten auf ein widerrechtliches Verhalten an vielen Stellen hin. Aber: "Ob das kriminell ist, das mögen die Juristen entscheiden."
Philipp Gessler: Die jüngsten Enthüllungen um den Limburger Skandalbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sind so atemberaubend, dass man gar nicht mehr weiß, ob man lachen oder weinen soll. Vieles spricht dafür, dass ein Geheimbericht der Bischofskonferenz zu diesem Finanzgebaren - der Bericht ist nun in seinen Kernpunkten in die Öffentlichkeit gelangt - den Skandal um diesen zwangsbeurlaubten Oberhirten noch vergrößert. So soll sein Prachtbau auf dem Domberg über der Lahn noch teurer geworden sein als bisher angenommen. Statt einst geplanter rund fünf Millionen Euro ging man zuletzt von etwa 30 Millionen aus - mittlerweile sollen es knapp 40 Millionen sein.
Mit dem katholischen Professor für kanonisches Recht, Thomas Schüller aus Münster, habe ich über den Fall Tebartz-van Elst gesprochen. Schüller war von 1993 bis 2001 zunächst ein Kirchenrechtler, dann der persönliche Referent des ehemaligen Limburger Bischofs Franz Kamphaus, des Vorgängers von Franz-Peter Tebartz-van Elst. Meine erste Frage an Professor Schüller war, ob er das überhaupt noch fassen könne, was da seit Monaten über Tebartz-van Elst zu lesen ist.
Thomas Schüller: Ja, fassen kann ich das schon noch, ich kann es auch zum Teil analysieren und verstehen, aber ich kann es nicht begreifen nach dem Motto, dass es akzeptabel wäre, sondern hier zeigt sich, dass ein Bischof, der nicht die Fähigkeit mitbringt, dieses komplexe Amt auszuüben, mit einer absolutistischen Ausübung seines Amtes eine Diözese vor die Wand fährt, um es ganz deutlich zu sagen. Das zeigt sich eben nicht nur am finanziellen Gebaren, was ja jetzt im Mittelpunkt der Erörterungen steht, sondern auch im Umgang mit den Gläubigen.
Und ich denke, der Generalvikar des Bistums Limburg, der vom Papst eingesetzte Wolfgang Rösch, hat es deutlich auf den Punkt gebracht: Der Abschlussbericht zu diesem Finanzgebaren ist nur ein Mosaikstein. Es kommen eben alle anderen Dinge hinzu. Und es stimmt einen schon traurig, wenn man sieht, welche großartigen Gestalten vor Franz-Peter Tebartz-van Elst als Bischöfe in Limburg gewirkt haben, und man sieht zweitens, wie schnell durch die zentrale Figur des Bischofs, wenn er nicht funktioniert beziehungsweise wenn er nicht segensreich wirkt, eine Diözese in große Seenot geraten kann.
Gessler: Den jüngsten Enthüllungen zufolge soll Tebartz-van Elst für seinen Prachtbau Sondervermögen, das eigentlich für Bauten von sozial Bedürftigen gedacht war, zweckentfremdet haben. Außerdem soll es eine Art geheime Wohnung zur Verwaltung der zweifelhaften Geldgeschäfte des Bischofs gegeben haben. Muss man da nicht von einer kriminellen Energie des Bischofs sprechen?
Schüller: Ich bin da vorsichtig, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Zumindest wird man jetzt schon sagen dürfen, ungeachtet, dass man wirklich erst den Bericht sorgfältig lesen sollte, dass jetzt schon bei den feststehenden Fakten ein widerrechtliches Verhalten an vielen Stellen zu beobachten ist. Ob man das kriminell nennt, das mögen die Juristen entscheiden.
Kirchenrecht ist ein kompliziertes Gebäude
Gessler: Sie haben das ja angedeutet: Also es scheint mittlerweile schon eine Sache des Kirchenrechts zu sein, also Ihres Metiers. Oder greift nach wie vor nur ein moralisches Urteil?
Schüller: Ja, das ist die Kernfrage, und ich glaube, das ist auch der Punkt, wo sich die Kommission sehr schwer tut. Zunächst müssen wir ja noch vom Kirchenrecht her schauen, ob er sich an die vermögensrechtlichen Normen gehalten hat. Das ist ein sehr kompliziertes Rechtsgebilde von Zustimmungs-, Beratungs- und Beteiligungsrechten, das geht ja bis nach Rom zur Genehmigung der Rechtsgeschäfte über fünf Millionen. Auch da scheint es ja Lakunen zu geben, also Lücken und die Nicht-Einhaltung dieser Zustimmungsrechte. Das ist kirchenrechtlich zu bewerten, und daraus ist zu überlegen, ob ein Dienstvergehen vorliegt, also ob er seinen Amtspflichten nicht nachgekommen ist.
Moralisch ist das natürlich zu bewerten, das ist natürlich auch eine wichtige Dimension jetzt bei der Entscheidung des Papstes: Wie geht er nun mit diesem Bischof um, wenn der Bericht vorliegt, wenn die Ergebnisse auf dem Tisch liegen? Und die dritte Dimension, das wird man auch zu prüfen haben, darum wartet ja die Staatsanwaltschaft Limburg mit Nachdruck auf diesen Bericht: Ergeben sich aus den dort geschilderten Sachzusammenhängen auch nach staatlichem Recht strafrechtliche Tatbestände? So denken wir an die Untreue und den Betrug. Aber all das werden die einzelnen Organe, die ich jetzt genannt habe, nach ihrem Recht jeweils prüfen.
Gessler: Man hört ja immer, die Absetzung eines Bischofs ist kirchenrechtlich sehr schwer. Stimmt das denn?
Schüller: Ja und nein. Der Papst, das ist nun wirklich so in der katholischen Kirche und nach ihrem Kirchenrecht, ist frei, bei einem Bischof, den er nicht mehr in der Lage sieht, seinen Amtsgeschäften nachzukommen, wenn er denn Gründe findet, abzusetzen. Er ist noch nichtmals begründungspflichtig. Ich darf daran erinnern, dass Papst Franziskus, der ja im Moment medial gut rüberkommt, sehr schnell und sehr zügig in Slowenien Bischöfe abgesetzt hat, die ebenfalls in einen tiefen Finanzskandal verwoben waren. Von daher ist das möglich. Es ist aber schon immer etwas Besonderes. Das ist natürlich auch in der Außenwirkung sehr negativ, wenn man einen Bischof absetzt, weil man damit auch signalisiert: Man hat den Falschen in das Amt gesetzt. Das ist also auch eine Anfrage an das päpstliche Auswahlverfahren, von daher ein sehr ungewöhnlicher Akt, aber der möglich ist.
Gessler: Dennoch die Frage: Nach all dem, was wir jetzt schon hören und wissen - ist denn eine Rückkehr von Tebartz-van Elst auf seinen Bischofsstuhl nicht mittlerweile ausgeschlossen?
Schüller: Das sehe ich so, und das ich nicht nur so, das sehen ja auch viele Mitbrüder im bischöflichen Amt so, die das öffentlich auch gesagt haben. Das ist nicht vorstellbar, dass er zurückkehrt. Das würde einen unglaublichen, weiteren Flurschaden provozieren. Umso unverständlicher ist, dass Bischof Tebartz-van Elst selbst nicht die Erkenntnis hat, auch wenn er sich in vielerlei Hinsicht ungerecht behandelt fühlt, nicht selbst dem Papst jetzt seinen Rücktritt anzubieten.
Er bringt den Papst in die Bredouille, er bringt ihn in die Bredouille, eine harte Entscheidung treffen zu müssen, die wir ja gerade in der Vorfrage diskutiert haben. Und es ist unverständlich, dass er sein persönliches Ego, sein persönliches Schicksal so in den Vordergrund stellt und nicht das Wohl des Bistums beziehungsweise das Wohl der Gesamtkirche, denn es ist ein Skandal, ein Ereignis, das weit über Limburg, weit über Deutschland hinausreicht, was den Papst in eine schwierige Entscheidungssituation bringt und seine Glaubwürdigkeit berührt.
Gessler: Man hat ja tatsächlich den Eindruck, dass Tebartz-van Elst die Realität bestenfalls noch verzerrt wahrnimmt. Er scheint in irgendwie einer eigenen Welt zu leben, in der er anscheinend noch unschuldig ist. Ist das auch Ihr Eindruck, oder wie erklären Sie sich dieses seltsame Verhalten?
Schüller: Ja, es ist eine sehr starke, selbstbezogene Sicht, das hat sich auch schon sehr früh gezeigt in der Art der Amtsausführung. Er hält sich für untouchable, das heißt, er versteht das Bischofsamt so: Wenn ich einmal als heiliger Mann Gottes in dieses Amt eingesetzt bin, dann darf an mir nicht Kritik geübt werden, dann bin ich aufgrund der Weihegnade und der Einsetzung immer im Recht. Kritiker, die es wohlwollend meinten, wurden sehr schnell abgekanzelt und ihrer Ämter enthoben beziehungsweise kaltgestellt. Hier zeigt sich ein quasi pathologisches Verhalten. Ich wage es nicht, das irgendwie psychologisch zu deuten, aber hier werden doch deutlich Grenzen der Persönlichkeit erkennbar, die wiederum rückfragen lassen: War das vorher nicht absehbar? Das ist ja eine noch Tiefendimension des Konfliktes: Wie konnte ein solcher Mann in so ein hohes Amt geraten und kommen?
Bischofswahl aus dem Volk heraus vorstellbar
Gessler: Das ist genau die Frage. Wie sehen Sie das denn als Kirchenrechtler? Liegt da nicht eine rechtliche Fehlkonstruktion vor, dass trotz des Unmuts des Kirchenvolkes und des offensichtlichen Versagens des Bischofs im Amt ein solcher Oberhirte am Ende nur durch den Papst abgesetzt werden kann?
Schüller: Nun, das hängt damit zusammen, dass wir eine streng hierarchisch organisierte Kirche sind und der Papst ja den Bischof in Deutschland mit der Sonderheit einer vorhergehenden Wahl ernennt, und dass er der einzige ist, der so einen Bischof absetzen kann. Wir sind also keine Volksdemokratie, wo das Volk Gottes den Bischof abwählen kann, sondern derjenige, der ernennt, der Papst, kann ihn nur absetzen. Das ist so. Viel kritischer finde ich die Frage - und die kann man, die wird man auch diskutieren: Wie läuft der Prozess hin, bis man einen Bischof findet? Wer wird gefragt, wer sagt was zu welchen Fragen? Und hier, glaube ich, liegen deutliche Defizite im Verfahren im Moment.
Gessler: Haben Sie denn eigentlich Sympathie für diese Laieninitiative, dass man in Köln versucht, mitzuwählen bei dem neuen Erzbischof, der dort gewählt werden soll?
Schüller: Ja, doch, Sympathie, einmal, weil ich selbst aus Köln stamme und natürlich immer noch ein virulentes Interesse habe und für diese wunderschöne Erzdiözese. Kirchenrechtlich und kirchengeschichtlich ist es so, dass bis weit in die Geschichte der Kirche hinein das Volk zusammen mit Bischöfen immer den Bischof gewählt hat. Diese momentane Entwicklung, das ist eine sehr späte Entwicklung, dass der Papst frei die Bischöfe ernennt, also diese zunehmende Zentralisierung auf den Papst hin ist eine sehr späte kirchengeschichtliche und kirchenrechtliche Entwicklung.
Und deswegen kann man aus guten Gründen schon fordern, dass der Kreis der Wählerinnen und Wähler erweitert wird und dass das Verfahren transparenter gemacht wird. Dass am Ende der Papst den Bischof ernennt, da habe ich keine Probleme mit, aber ich sympathisiere, und nicht nur aus populistischen Motiven heraus, sondern weil es eine lang andauernde katholische Tradition ist, im Übrigen auch in den katholischen Ostkirchen, die ja unsere Schwestern und Brüder im Glauben sind, die ihren Bischof wählen. Also so unvorstellbar ist das nicht.
Gessler: Nach dem Beginn der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals vor vier Jahren ist dies nun der zweite Fall, in der die ganze katholische Kirche in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus vor einem Scherbenhaufen steht. Ist dieses verlorene Vertrauen wieder aufzubauen und wenn ja, wie?
Schüller: Das wird sehr schwer sein. Ich habe in zwei Forschungsprojekten das Thema Missbrauch untersucht, auch in der medialen Aufarbeitung, also in der Wechselwirkung von öffentlicher Wahrnehmung und innerkirchlicher Bearbeitung des Konfliktes. Das Vertrauen ist wirklich weggebrochen. Es geht nur über eine sehr authentische, ehrliche Form des Umgangs mit diesen Konflikten und den Ursachen. Es geht nur dadurch, dass man an den Feldern, wo man immer schon stark war, weiter stark ist, nämlich in der Zuwendung zum Nächsten, zum Armen.
Es geht nur durch eine radikale Umkehr auch in der persönlichen Lebensführung. Das heißt, die Kirche, die sehr materiell, sehr stark ist in Deutschland wird dementsprechend auch sehr vorsichtig mit ihren Ressourcen umgehen, das heißt eben, nicht den Reichtum voranzustellen, mehr zu teilen. Das tut sie ja schon weltkirchlich. Aber es wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, bis diese Folgen beider großer Skandale aufgearbeitet sind. Es sind ja auch viele Leute ausgetreten, wirklich gute Leute, die es sich nie hätten vorstellen können, ihre Kirche zu verlassen. Und alle Erfahrungen zeigen, dass es sehr schwer ist, diese Leute zu überzeugen, zurückzukehren. Also es ist ein schwerer Aderlass.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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