Aus den Feuilletons

Safer Sex in Zeiten des Coronavirus

06:09 Minuten
Der bis auf eine Person menschenleere Times Square in New York.
Der Times Square in New York ist wie ausgestorben. Die dortige Gesundheitsbehörde hat Tipps zum Safer Sex für die Daheimgebliebenen veröffentlicht. © Roman Makhmutov/Sputnik/dpa
Von Ulrike Timm · 28.03.2020
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Die New Yorker Gesundheitsbehörde rät zur Masturbation, schließlich sei man selbst der sicherste Sexualpartner, lesen wir in der „taz“. Nur sollte man auch dabei nicht auf das Händewaschen verzichten – mindestens 20 Sekunden lang und mit Seife.
Gesucht: Ein Zaubertrank. Wann dürfen wir wieder durch die Welt reisen wie Asterix und seine Freunde? Nie wäre ein magischer Trunk so willkommen wie heute. Der SPIEGEL konzentriert sich auf die Frage: "Wie kommen wir da wieder raus?" – möglichst ohne uns anzustecken und die Wirtschaft komplett zu ruinieren.
Und im TAGESSPIEGEL bringt Mathias Müller von Blumencron es so auf den Punkt:
"Wann übersteigen die Schäden durch den Stillstand den Nutzen der Virusbekämpfung? Es ist die Mutter aller Fragen, sie führt geradewegs in das schlimmste ethische Dilemma: Leben ist abzuwägen mit Wohlstand, Freiheit, sozialer Sicherheit – und damit wiederum mit Leben. Denn eine ärmer werdende Gesellschaft, so zeigen alle Untersuchungen, führt in der Konsequenz auch zu einem sich langsamer entwickelnden Gesundheitswesen, zu mehr Krankheit und kürzerer Lebenserwartung."

Der Staat regiert in die privatesten Belange hinein

Derweil haben wir uns alle mehr oder weniger eingerichtet damit, dass der Staat, um Schaden abzuwenden, unsere Freiheit in einem nie dagewesenen Maße beschränkt. Mancher hatte wohl sogar schon ein trist-trautes Treffen mit seiner Sockenschublade. Ordnung schaffen gibt Struktur!
Marie Schmidt bemerkt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Plötzlich regiert der Staat wieder in die privatesten Belange hinein. Zu den Dingen, die man vor Tagen noch für unerhört gehalten hätte, gehört, wie bang man jetzt das eigene Beziehungsleben mit einem behördlichen Maßnahmenkatalog abgleicht. Es geschieht nur für den Moment und aus gravierenden Gründen", so die SZ weiter.
"Trotzdem wirkt die Vorstellung, man müsse einem Polizeibeamten erklären können, wie man zu der Figur steht, neben der man die Straße entlanggeht, wie aus einer merkwürdigen moralischen Fantasie geboren."

Kritik an britischer Corona-Bekämpfungsstrategie

Großbritanniens Premier Boris Johnson kuriert hinter den Mauern von Downing Street seine Corona-Infektion aus: "Ich lebe in sozialer Isolation!" Auch der britische Gesundheitsminister hat sich angesteckt, ebenso Prinz Charles.
Lange hatte man in London auf Herdenimmunität aufgrund von Durchseuchung gesetzt. – Wir können nichts für dieses Wort, es ist ein gängiger Fachbegriff! - Jetzt erst wird die Kritik daran laut. Gina Thomas fasst in der FAZ die Tipps zusammen, die das Königreich für seine Untertanen bereit hält:
"Die Regierung hat nicht zusammen lebenden Paaren, die wissen wollten, ob sie sich trotz Ausgangssperre noch treffen können, mitgeteilt, sie müssten sich zwischen alles oder nichts entscheiden und entweder zusammenziehen oder auf den physischen Kontakt verzichten. In der Zeitung finden sie Hinweise auf virtuelle Ausweichmöglichkeiten."
Die spinnen, die Briten!

Der sicherste Sexualpartner ist man selbst

In New York veröffentlicht die Gesundheitsbehörde Tipps zum Safer Sex und ruft dazu auf, Hand an sich zu legen. "Der sicherste Sexualpartner sei man selbst, man solle nur darauf achten, Hände und Hilfsmittel danach mindestens 20 Sekunden gründlich mit Seife zu waschen", das weiß die TAZ. Und auch dies: "Bei Cybersex gibt die Behörde grundsätzlich Entwarnung." Immerhin.

Von Eremiten lernen

Bleibt eigentlich nur noch das Eremitentum. "Getrennt von allen und doch vereint mit allen", zitiert feierlich der TAGESSPIEGEL. Passt wie Arsch auf Töpfchen, ist aber keine Weisheit aus Corona-Zeiten, sondern uralt, aus dem 4. Jahrhundert überliefertes Credo des Eremiten Evagrios Pontikos.
Gunda Bartels hat recherchiert und dabei auch allerhand heutige Eremiten aufgetan: einen georgischen Mönch, der auf einer vierzig Meter hohen Kalksteinfelsnadel lebt und mit dem Seilzug versorgt wird. Obskure Käuze in niedersächsischen Wäldern.
Und Maria Anna, die Diözeseneremitin des Erzbistums Osnabrück. Ihr asketisches Leben hindert sie aber nicht daran, "zwei Webseiten zu betreiben und eine Schaltstelle der neueremitischen Bewegung in Deutschland zu sein". Maria Annas Tür steht immer offen, wenn auch momentan nur mit zwei Meter Abstand.

Auch die Wallfahrtskirche von Altötting ist dicht

Nun sind wir derzeit lediglich Eremiten im Schnuppertest, elementare Grundausbildung, aber auch gläubige Menschen haben es derzeit nicht leicht. Alles zu, selbst die Wallfahrtskirche von Altötting, besucht seit 1489. "Und jetzt?", fragt die FAZ, "geschlossen, chiuso. Stattdessen täglich fünf Messen online. Beichte nur noch in Einzelfällen und nach telefonischer Anmeldung. Auf der Homepage der Wallfahrtsdirektion liest man: ‘Bitte beten Sie zu Hause.‘"
Schon klar. Gott hat ja nicht zu, bloß weil die Kirche dicht ist.

Mit Klassikern durch die Quarantäne

"Ich habe weder Ulysses gelesen noch Don Quijote, nicht Lolita, nicht Catch-22, nicht 1984, keinen Roman von Virginia Woolf, nichts von Dickens oder den Brontes."
Dann mal ran!, möchte man rufen, wo wir in diesen Tagen doch mit Klassiker-Vorschlägen geradezu überflutet werden. Die WELT hat den Satz in Woody Allens Autobiographie gefunden, die jetzt ungeachtet aller Missbrauchsvorwürfe vom Rowohlt-Verlag vorgezogen wird und nach der elektronischen Version nun auch gedruckt erscheint.

Zum Tod von Albert Uderzo

Und damit noch zu einem wirklich Großen: Alle Feuilletons würdigen den Zeichner Albert Uderzo, der mit Asterix den berühmtesten Comic Europas schuf.
"Seufz, Seufz, Seufz", so trauern Asterix und Obelix in der WELT AM SONNTAG, dort heißt es weiter:
"Er führte ein Leben, prall wie ein Obelix-Bauch: Albert Uderzo kam als Kind italienischer Einwanderer (also gewissermaßen von Römern) zur Welt, war am Ende dank seiner Kunst so reich wie Kleopatra, hatte so viele Sportwagen, wie Caesar Prunkpferde besaß, und wurde mit 92 fast so alt wie der fidele Dorfälteste Methusalix."
Der letzte Gallier - und uns fehlt jetzt so viel mehr als nur ein magischer Schluck! "Wenn einer als Kind in den Zaubertrank fällt", so sinniert die ZEIT über den genialen Zeichner, der in Paris gestorben ist, im Schlaf, an einem Herzinfarkt.
"Seine Familie teilt mit, es gebe keinen Zusammenhang mit dem Coronavirus. Das wäre ja auch gelacht, beim Teutates."
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