Liebe in vielgestaltiger Form

07.05.2008
Mircea Cartarescus Geschichtenband "Warum wir Frauen lieben" war in Rumänien ein Bestseller. Darin dreht es sich um Liebe und Eros in allen Variationen und Situationen, von grotesk bis komisch. Das Spielerische seines Sujets findet sich auch in seinem Stil wieder.
Mircea Cartarescu ist noch heute stolz darauf, den Brasilianer Paul Coelho gut ein Jahr lang vom Platz der Bestsellerliste verdrängt zu haben. Nicht weniger als 140.000 Mal verkaufte sich sein Erzählungsband "Warum wir die Frauen lieben" auf dem kleinen Buchmarkt Rumäniens. Die Tatsache, dass die Geschichten zuvor größtenteils in der rumänischen Ausgabe der Modezeitschrift "Elle" erschienen waren, dürfte an dem Erfolg nicht ganz unschuldig sein.

Doch dessen schämen muss sich der wohl bekannteste Schriftsteller seines Landes nicht, der in seinen opulenten Werken "Die Wissenden" oder "Nostalgia" immer ins Kosmologische ausgreift und dafür sämtliche Gegensätze, auch den von Organik und Anorganik, miteinander verschmilzt. Denn die Erzählungen sind keine wohlfeilen Elogen an das weibliche Publikum der "Elle", sie biedern sich den zuweilen angesprochenen "geneigten Leserinnen" nicht an, und sie vermeiden auch die aus anderen Gefilden her bekannte realistische Beschreibung von manchem "zarten Stück weiblicher Anatomie". Cartarescu bleibt Metaphysiker, wenn er plaudernd vorgibt, sich zu erinnern, welche Freuden und Leiden ihm das andere Geschlecht seit frühester Zeit verschafft und zugefügt hat.

Die Liebe in diesen Geschichten ist so vielgestaltig wie die Frauen, denen sie gilt. Einmal ist es nur ein Geruch, der "das Hirn wie mit einer Schrotladung wegpustet" und eine Kette von Erinnerungen an verschiedene Frauen auslöst, an deren Ende die Mutter des Dreijährigen und eine Tüte Bonbons stehen.

Ein andermal ist es eine sechzehnjährige "Negerin" in der Metro von Berkeley, die am tiefsten Punkt der Fahrtstrecke, dort, wo die Bahn sich auf dem Grund des Meeres befindet, alle Blicke auf sich zieht. "Das Mädchen war nicht schön, sondern das sensible Bild der Schönheit" und zudem von einer "räuberischen Schönheit", weshalb alle Passagiere im Waggon ihre Geiseln gewesen seien: Keiner habe den Blick abwenden können.

Nicht immer stehen solch ergriffene Augenblicke im Mittelpunkt. Eine ausgesprochen komische Episode handelt von dem Aufenthalt eines Schriftstellers auf einem Schloss in Irland. Mit von der Partie sind zwei einander hassende Dichterkolleginnen aus Rumänien, ein Haufen stets betrunkener Iren mitsamt Groupies sowie ein Schlossgespenst, das zu Recht vieldeutig "the fucking countess" genannt wird und den Erzähler am Ende nächtens beehrt.

Ein ausgesprochen gruseliger Zwischenfall mit einer Zwergin trägt sich in Turin zu, und auch die Tragikomik kommt nicht zu kurz, wenn sich ein 23-jähriger, blasser, kleiner, schwacher und daher von den Frauen beharrlich übersehener Graphomane bemüht, endlich die eigene "sexuelle Agenda" zu eröffnen.

Cartarescu erzählt keine Schwerenöterstorys. Sein Ich-Erzähler, der vorgibt, mit dem Autor identisch zu sein, ist ein durchschnittlicher Mensch mit anfangs ausbleibendem und dann nicht selten zufälligem Triebleben. Die hässliche Geliebte, bei der er seine Unschuld unter ekelerregenden Umständen verliert, geht bald zur Securitate, was ihrer Vorliebe für Jorge Luis Borges und dem Gefühl der Unwirklichkeit aller Wirklichkeit in Rumänien entgegenkommt.

In Paris versucht ein Paar den betrunkenen Erzähler zu verführen, doch er sieht nur zu, wie sie sich lieben. Auch das Melodram hat Platz in diesem Band, doch die unsterbliche Liebe zwischen einem Tangosänger und seiner Zigeunergeliebten verlegt Cartarescu in die Halbwelt des Zweiten Weltkriegs.

Auf kurzweilige Weise probiert Mircea Cartarescu in "Warum wir die Frauen lieben" Haltungen und Stillagen aus und behauptet zugleich, alles erlebt zu haben. Verglichen mit seinen überbordenden, stets aufs Ganze zielenden Romanen wirken diese Geschichten ausgesprochen spielerisch. Eine kommt sogar ohne jede Frau aus: Sie handelt von dem Gegenstand, der den Erzähler inspiriert, ohne den er niemals etwas geschrieben hätte und dem er alles verdankt, was er ist. Was das sei? "Fortsetzung auf S. 177", heißt es am Ende der Erzählung. Doch das Buch hat nur 175 bedruckte Seiten ...

Rezensiert von Jörg Plath

Mircea Cartarescu: Warum wir die Frauen lieben
Geschichten, Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
176 Seiten, EUR 17,80