Liebe auf Schlingerkurs

21.08.2012
In "Die Logik des Herzens" erzählt Priya Basil vom Konfliktpotenzial, das in der unterschiedlichen Herkunft und Religion eines Londoner Liebespaares liegt. Mit großem Einfühlungsvermögen zeichnet die britische Autorin das Bild einer von ihren Gefühlen zerrissenen jungen Frau.
"Wir sind unsere eigenen Teufel. Wir vertreiben uns aus dem Paradies."

Mit diesem Goethe-Zitat eröffnet die britische Schriftstellerin ihren Roman. Es erweist sich als Leitmotiv für die Geschichte einer großen Liebe, die unter Missverständnissen leidet, religiösen Ängsten ausgesetzt ist, moralischem Druck.

Anil, ein junger Kenianer aus reicher Familie studiert in London Architektur, als er Lina trifft. Sie ist die Tochter eines indischen Anwalts, der in Birmingham praktiziert. Die beiden verlieben sich unsterblich ineinander und können doch nicht zueinander kommen.

Vor allem Linas Herkunft und Religion stehen dem im Wege. Auch wenn sie Jura studiert, also eine eigenständige Karriere anstrebt, hat sie doch den traditionellen Rollenerwartungen ihrer Familie zu entsprechen. Ihr Vater Scharif, ein strenggläubiger Moslem erwartet von ihr, dass sie einen Moslem heiratet; alles andere ist für ihn inakzeptabel. Ihre Eltern leben in einer Parallelwelt, die mit dem englischen Leben wenig Berührungspunkte hat. Da Lina ihre Eltern liebt, wagt sie es nicht, sich ihnen zu widersetzen. Sie will sie nicht verletzten und genau das stürzt sie in massive Konflikte. Dass ihre Eltern Anil ablehnen, zwingt sie dazu, immer wieder zu lügen, ihn zu verleugnen.

Anil hat es als Atheist leichter. Zwar ist sein Vater ein Sikh und hat darum Mühe, eine muslimische Schwiegertochter zu akzeptieren. Aber er will dem Glück seines Sohnes nicht im Wege stehen.

Anils bester Freund Merc lehnt die Beziehung dagegen ab. Er wirft Lina vor, seinen Freund zu erpressen, prophezeit ein baldiges Ende und scheint recht zu behalten. Alle Versuche, Linas und Anils zu heiraten, scheitern kläglich an Linas Unfähigkeit, sich zu entscheiden. Dabei gibt es an ihrer Liebe keinerlei Zweifel.

Priya Basil schaut als allwissende Erzählerin zwar all ihren Figuren über die Schulter, weiß, was in ihnen vor sich geht, aber Linas Verfassung, ihren Ängsten und Befürchtungen gilt ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie erzählt chronologisch konventionell im Rückblick. Ihre Sprache ist klar, deutlich, schnörkellos. Sie liebt Gesprächssituationen, wörtliche Rede.

Zwischen die einzelnen Kapitel, die die Konflikte dieser Liebe ausmalen, hat Priya Basil kurze, sehr emotionale Briefe einer Unbekannten eingefügt. Die versucht ihrem indischen Geliebten zu erklären, wie sehr sie seine unverhoffte wortlose Flucht verletzt hat. Man ahnt rasch, dass dieser Mann Linas intoleranter Vater gewesen ist.

Es ist bisweilen schwer erträglich, Linas Schlingerkurs zwischen Familie und Geliebtem zu folgen. Man möchte ihr zurufen: trau dich endlich. Mit großem Einfühlungsvermögen zeichnet die Schriftstellerin, die selbst einer indischen Familie entstammt und lange in Kenia gelebt hat, das Bild einer von ihren widersprüchlichen Gefühlen zerrissenen jungen Frau. Es ist eine Romeo und Julia Situation, allerdings ohne tödliches Ende. Doch ob es ein Happy End gibt, steht ebenfalls in den Sternen. Der Roman lässt dies offen.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Priya Basil: Die Logik des Herzens
Aus dem Englischen Barbara Christ
Schöffling & Co., Frankfurt/Main 2012
486 Seiten, 22,95 Euro
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