Leutheusser-Schnarrenberger bedauert Scheitern der Jamaika-Koalition

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Ute Welty · 07.01.2012
Ein koordinierteres Vorgehen im Saarland hätte sie sich gewünscht, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende FDP-Vorsitzende. Dass das Regierungsaus während des FDP-Dreikönigstreffens bekannt wurde, sei "doch schon merkwürdig".
Ute Welty: Eigentlich ist alles super im Saarland, sagt die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer – alles super, bis auf die saarländische FDP.

Annegret Kramp-Karrenbauer: Die FDP-Landtagsfraktion, aber auch der Landesverband der FDP Saar befinden sich in einem Zustand der Zerrüttung. Hinzu kommen bekannte staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Umfeld der FDP sowie weitere personelle Unwägbarkeiten und Risiken. Eine nachhaltige Befriedigung und eine Rückkehr der FDP Saar zu geordneten Verhältnissen ist aus meiner Sicht in absehbarer Zeit nicht mehr zu erwarten.

Welty: Die Nachricht von der geplatzten Jamaika-Koalition in Saarbrücken kommt genau in dem Moment, als FDP-Parteichef Philipp Rösler, knapp 170 Kilometer Luftlinie weiter in Stuttgart, die Erneuerung der Partei verspricht. Dirk Niebel von der FDP sprach auch sofort von einem unfreundlichen Akt. Ob Niebels Parteifreundin und unser aller Bundesjustizministerin das auch so sieht, das kann ich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger jetzt selber fragen. Guten Morgen!

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, guten Morgen!

Welty: Wann und wie haben Sie von den Vorgängen im Saarland erfahren und was war Ihre erste Reaktion?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, ich habe auch während des Dreikönigstreffens davon erfahren, und dass da im ersten Moment die Reaktion ist, das ist doch eine etwas merkwürdige Übereinstimmung, dass gerade in diesem Moment dann in dieser Form eine Pressekonferenz und -erklärung im Saarland von Frau Kramp-Karrenbauer stattfindet, das, glaube ich, ist ganz menschlich in so einer Situation. Aber das war schon für jemanden, der nicht im Saarland ist, doch schon merkwürdig.

Welty: Und heute früh, noch einmal drüber schlafen?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich glaube, es geht jetzt nicht darum, wie wir mit dem Verhalten von Frau Kramp-Karrenbauer umgehen. Ich finde es bedauerlich, dass es im Saarland zum Scheitern von Jamaika gekommen ist. Wie man das miteinander im Saarland hätte besser machen können, das richtet sich an die Saarländer, die dort in der Koalition bisher gewirkt haben. Ich denke eigentlich – aber mehr will ich als Außenstehende dazu eigentlich auch nicht sagen –, aber ich denke mir, dass bevor man so eine Presseerklärung mit Beendigung der Koalition abgibt, dass man das doch eigentlich intern vorher wenigstens bespricht, solange wie man in einer Koalition ist, und dann auch in einer abgesprochenen Art und Weise an die Öffentlichkeit geht.

Welty: Die Schwierigkeiten der saarländischen FDP sind seit Langem bekannt, Sie selbst führen auch einen Landesverband, nämlich den bayerischen. Hätten Sie in einer solchen Situation wie der saarländischen um Intervention, um Hilfe gebeten, diese vielleicht auch erwartet von der Bundesparteiführung?

Leutheusser-Schnarrenberger: In einer Koalition kommt es auf das Vertrauen der jeweiligen Akteure an, in der Koalition, also auch hier in Bayern. Das hängt dann an den jeweiligen Verantwortlichen in Fraktion, in Partei, und …

Welty: Trotzdem kann man doch mal um Rat fragen.

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, man kann intern auch um Rat fragen, aber es hat auch, wie ich weiß, intern zwischen dem Wissen der FDP im Saarland und auch der FDP in Berlin immer mal auch Gespräche gegeben, aber letztendlich sind es die Personen vor Ort, die agieren. Dass die FDP dort in einer schwierigen Lage ist, personell, wenn ein Fraktionsvorsitzender zu einer anderen Partei wechselt, das ist ja nicht von der Hand zu weisen, und von außen dann zu meinen, man kann da dann mit Eingriff noch was retten, das, glaube ich, ist nicht richtig. Wenn Vertrauen unter Akteuren nicht mehr vorhanden ist, dann kann man nur noch eine begrenzte Zeit versuchen, miteinander rational umzugehen. Aber wie man sich dann trennt, ich glaube, da kann man auch versuchen, Wege zu finden, wo die Partner auch dann vorher einbezogen sind und dann nachher an die Presse gegangen wird.

Welty: Durch die Ereignisse im Saarland wird die Lage auf der Bundesebene ja nicht einfacher. Wenn man fatalistisch an die Sache rangeht, könnte man auch sagen, bei einem aktuellen Umfragewert von zwei Prozent ist es dann auch egal. Beschleicht Sie manchmal eine Art große Müdigkeit, wenn Sie über den Zustand Ihrer Partei nachdenken?

Leutheusser-Schnarrenberger: Dass die FDP jetzt mit den Umfragen, mit dem, was im Saarland passiert ist, aber auch gerade mit der Aufgabe, die wir dieses Jahr vor uns haben, aber manchmal auch in einen Zustand verfallen kann, wo man resignieren könnte, ich glaube, das kann man nicht von der Hand weisen – ich tue es auf keinen Fall. Ich denke, die FDP als politische Kraft mit nach wie vor den Werten, die auch in die Politik für die Findung von Lösungskonzepten eingebracht werden müssen, muss auch in dieser schwierigen Situation alles tun, um nach vorne zu blicken. Ich glaube, das war auch bei allen vier Rednern sehr klar spürbar, gestern in Stuttgart bei unserem Dreikönigstreffen. Und die Reaktion der Zuhörerinnen und Zuhörer gestern in Stuttgart war ganz klar die – da saßen ja nicht Delegierte der FDP, sondern Bürgerinnen und Bürger, die anhören wollten, was dort Liberale sagen –, die war ganz klar: Lasst euch hier nicht unterkriegen, duckt euch nicht weg, geht nicht in eine innere Emigration, sondern kämpft. Und ich glaube, das ist genau das, was wir auch als FDP-Verantwortliche in die Basis vermitteln müssen – auch das mache ich hier in Bayern. Aber die Situationen waren zu leicht, da dachten sie recht.

Welty: Philipp Rösler will die FDP als Wachstumspartei definieren und etablieren, was aber, wenn das mit dem Wachstum wegen Euro und Schuldenkrise nicht so recht klappen will?

Leutheusser-Schnarrenberger: Wachstum ist ja ein Begriff, um einfach verschiedene Dinge miteinander zu verbinden. Dass wir sehen müssen in einer schwierigen Situation, in der Deutschland mit seiner Wirtschaft wettbewerbsfähig und stark ist und sehr wohl auch eine Konjunktur hat, die nicht in Gefahr ist, jetzt in eine Rezession umzuschlagen, ist ja eine Riesenchance. Und dass wir alle Faktoren und alle die Ansätze versuchen müssen zu verstärken, die die Wirtschaft ankurbeln in Deutschland, ist in meinen Augen genau der richtige Zugang, die richtige Akzentsetzung im Moment, weil das ja ein breites Spektrum über Fachkräfte, über Forschung, über Infrastruktur und über Haushaltskonsolidierung ist und die Lokomotive Deutschland in Europa eben damit auch gestärkt werden muss. Von daher sehe ich das jetzt nicht anhand von Zahlen, sondern als Schwerpunktsetzung dessen, was in diesem Jahr auf Deutschland zukommt und wo gerade die Wirtschaftspolitik eine entscheidende Rolle spielen wird.

Welty: Die Bundesjustizministerin und bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ich danke für dieses Interview!

Leutheusser-Schnarrenberger: Danke Ihnen!


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