Lettisches Legato

10.12.2013
Lettland ist das Land der Chöre. Singen gehört zum Alltag in diesem baltischen Land, aber auch zur politischen Identität. Die lettischen Sängerfeste waren immer ein Zeichen der Sehnsucht nach Unabhängigkeit, von russischer Besatzung wie von Bevormundung durch andere Völker. Da kann es nicht verwundern, dass die lettischen Lieder stark auf den Output der Komponistinnen und Komponisten dieses Landes im Bereich der Instrumentalmusik abfärben.
Musica Nova - die vom Komponisten und Pianisten Steffen Schleiermacher verantwortete Reihe im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses macht diesmal im Nordosten Europas Station. Schleiermacher hat vor einigen Jahren bei einem Besuch eines Chorfestivals in Riga interessante Künstler kennengelernt.
Einige von ihnen kommen nun mit ihrer Kammermusik in diesem Konzert zum Zuge. Wobei auffällig ist, dass es kaum lettische Musik für Streichquarett gibt, die meisten Komponierenden schreiben für Bläserensembles. Schleiermacher hat dafür eine einfache Erklärung: Der Atem für die Tonerzeugung eines Blasinstruments ähnelt sehr stark jenem Luftstrom, der die menschlichen Stimmbänder zum Schwingen bringt.
Am Beginn steht ein Bläserquintett des bekanntesten lettischen Gegenwartskomponisten, von Pēteris Vasks. Er schrieb es in einer Zeit, als das Komponieren in Lettland wie im Rest der Sowjetunion noch dem Moskauer Diktat der Kulturbürokraten unterlag. Der Titel dieses Quintetts "Musik für fliegende Vögel" ist für alle Menschen, die im realen Sozialismus aufgewachsen sind, eine leicht verständliche Chiffre.
Für die anderen Künstler, die in Schleiermachers Programm vertreten sind, klingen solche Titel und die damit verbundenen Erfahrungen wie elterliche Erzählungen aus grauer Vorzeit. Vier weibliche und zwei männliche jüngere Musikschaffende, die die graue Zeit Sowjetlettlands nur als Kinder erlebt haben, steuern die anderen Werke bei. Sehr empfindsame und klangstarke Stücke für Flöte und Klavier, für Klarinette und Streicher und ein weiteres Bläserquintett - fast immer stellt in diesen Kompositionen das legato-reiche Spiel der Instrumente einen deutlichen Bezug zur einzigartigen Gesangskultur Lettlands her.
Gewandhaus Leipzig, Mendelssohn-Saal
Aufzeichnung vom 20.11.2013

Neue Musik aus Lettland

Pēteris Vasks
„Musik für fliegende Vögel" für Bläserquintett

Anitra Tumševica
„L’air et la lumière" für Flöte und Klavier

Gundega Šmite
„Out of the Haze of Silence" für Flöte und Klavier

Janis Petraskevics
„Et la nuit illumina la nuit" für Viola, Klarinette und Klavier

ca. 20:50 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
Andris Dzenītis
„Kali Yantra" für Flöte und Klavier

Santa Ratniece
„Libellules" für Klarinette und Violoncello

Santa Bušs
„INTIM" für Bläserquintett

Leipziger Bläserquintett
Ralf Mielke, Flöte
Tahlia Petrosian, Viola
Matthias Schreiber, Violoncello
Leitung, Klavier und Moderation: Steffen Schleiermacher