Leihmutterschaft

Hollywood macht es vor

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Die Schauspielerin Nicole Kidman hat ihr zweites Kind von einer Leihmutter austragen lassen. © dpa / ChinaFotoPress
Von Nicole Markwald  · 05.11.2014
Sarah Jessica Parker, Nicole Kidman, Dennis Quaid: Diese Hollywood-Schauspieler vergrößerten ihre Familien mit Hilfe von Leihmüttern. Trotz der prominenten Beispiele ist das Verfahren in den USA aber weitläufig nicht akzeptiert.
"West Coast Surrogacy and Egg Donation – this is Lindsey"
Früher Nachmittag bei der Agentur West Coast Egg Surrogacy. Lindsey sitzt hinter dem Empfangstresen im Büro und nimmt einen Anruf einer Frau entgegen, die sich dafür interessiert, Leihmutter zu werden:
"Oh great, how did you hear about us?"
Zuerst will sie von der Anruferin wissen, warum sie gern ein Kind für andere austragen möchte. Dann spricht sie Details an: Sie hat viele Fragen: zu der Gesundheit der Frau, wie ihre bisherigen Schwangerschaften verlaufen sind, wie es um ihre finanzielle und familiäre Situation steht:
Eine gute Dreiviertelstunde kann der erste Kontakt zwischen der Agentur und einer potentiellen Leihmutter dauern – und nur die wenigsten Frauen eignen sich tatsächlich. Die Regeln bei West Coast Surrogacy sehen unter anderem vor, dass sich nur Frauen im Alter zwischen 22 und 40 eignen, die Normalgewicht haben, nicht rauchen und bereits mindestens eine komplikationslose Schwangerschaft hinter sich haben. Kandidatinnen müssen auch in finanziell stabilen Verhältnissen leben – wer Sozialhilfeleistungen in Anspruch nimmt, ist ungeeignet.
Seit sieben Jahren gibt es die Agentur, 150 Babies sind hier seitdem durch Leihmütter auf die Welt gekommen, erzählt die Chefin Amy Kaplan. Auch aus dem Ausland kommen Paare zu ihr: China, Australien, Spanien und auch Deutschland. Nur zögerlich hat Amy Kaplan diesem Interview zugestimmt, zu häufig würde das Thema Leihmutterschaft in den Medien verzerrt dargestellt. Deshalb überrascht es nicht, dass sie eines gleich zu Beginn klarstellt: Frauen, die einfach nicht selbst schwanger sein möchten, können die Schwangerschaft nicht an Leihmütter 'outsourcen'. Leihmütter helfen nur dann aus, wenn eine Frau aus medizinischen Gründen nicht selbst ein Kind bekommen kann. Bei Morgan Leigh Koechner trat genau dieser Fall ein.
Viele Schauspieler nutzen Leihmutterschaft
Koechner hat fünf Kinder: Charlie, Margot, die Zwillinge Sergeant und Audrey und Nesthäkchen Eve. Nur eines ihrer Kinder hat sie selbst ausgetragen – den inzwischen 15 Jahre alten Charlie. Während der Schwangerschaft war die Plazenta mit ihrer Gebärmutter verwachsen – diese Störung ist während der Schwangerschaft nur schwer zu erkennen. In der 35. Schwangerschaftswoche wurde sie mit schweren Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert, Notkaiserschnitt, Bluttransfusion – schließlich musste ihre Gebärmutter entfernt werden.
Morgan: "Als ich realisiert habe, dass ich keine weiteren Kinder bekommen würde, war ich wahnsinnig traurig. Alle sagten: sei doch froh, du hast doch ein Kind. Aber in meinem Herzen wusste ich, dass ich dazu bestimmt war mehr Kinder zu haben und ich trauerte um all die Kinder, die ich nun nie haben würde."
Sie trauerte und suchte sich einen Therapeuten. Mit ihrer Frauenärztin sprach sie Monate später das Thema Adoption an. Unnötig, sagte ihre Ärztin, schließlich habe sie bei der Operation ihre Eierstöcke nicht entfernt. Die Ärztin erklärte ihr, dass sie ihr Eizellen entnehmen könnte, diese mit dem Samen ihres Mannes befruchten und den Embryo dann einer anderen Frau einsetzen könne, die das Kind für sie austrägt. Von Leihmüttern hatten Koechner und ihr Mann, der in Los Angeles als Schauspieler arbeitet, bis dahin nur im Fernsehen gehört.
Joan Lunden, eine bekannte US-Fernsehmoderatorin, ging 2003 mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Sie und ihr Mann hatten Zwillinge mit Hilfe einer Leihmutter bekommen, zwei Jahre später folgte ein weiterer Satz Zwillinge. Koechner fühlte sich ermutigt – auch wenn sie und ihr Mann damit auf Unverständnis stießen:
Morgan: "Als ich es damals gemacht habe, war es noch ziemlich tabu. Es gab vor 16 Jahren noch nicht sehr viele, die es gemacht haben. Leute haben mich verurteilt und gesagt, dass ich Gottes Plan manipuliere, und ich dachte: nein. Meine Absicht ist es Leben zu kreieren und Liebe zu verbreiten und ich nutze Ressourcen, die Gott uns zur Verfügung stellt."
Auch wenn ihr Mann als Schauspieler arbeitet – David Koechner spielte unter anderem in der Serie 'The Office' und dem Film 'Anchorman' mit – es ist ein unsteter Job mit unstetem Einkommen. Sie entschlossen sich einen Kredit aufzunehmen. Billig ist der Prozess nicht. Für die 'beabsichtigten Eltern' oder 'intended parents', wie die Familien in den USA genannt werden, können Kosten zwischen umgerechnet 63.000 und 82.000 Euro anfallen. Nur ein Teil geht an die Leihmutter.
"Er hat mein Kind gestohlen"
Die Agentur West Coast Surrogacy beispielsweise zahlt ihren Leihmüttern umgerechnet rund 27.000 Euro. Der Rest geht an die Agentur, Ärzte und Krankenhäuser und natürlich Anwälte. Rund 45 Seiten dick ist bei ihnen der Vertrag, der zwischen Leihmutter und den künftigen Eltern abgeschlossen wird, erzählt Chefin Amy Kaplan. Darin werden die Details festgehalten: was die Leihmutter darf und vor allem, was sie nicht darf, oder ob sie psychologische Unterstützung wünscht. Die wichtigste Klausel aber betrifft keine Nahrungs-, Sport- oder Reiserestriktionen, sondern:
Amy Kaplan: "Hier unterschreibt die Leihmutter, dass sie nicht die Absicht hat, das Kind zu behalten. Das steckt hinter dem Vertrag – alle müssen sich darüber einig sein, dass die biologischen Eltern das Kind bekommen."
Dass es heutzutage ein solches Vertragswerk gibt, liegt auch an "Baby M.". Der Fall "Baby M" wühlte 1987 ganz Amerika auf. Mary Beth Whitehead hatte mit dem Ehepaar Stern vertraglich vereinbart, als Leihmutter ein Kind für die Sterns auszutragen: ihre Eizelle wurde mit dem Sperma des Ehemannes befruchtet. Doch als "Baby M." auf die Welt kam, hatte sich Whitehead umentschieden: sie wollte das Kind behalten und beantragte Sorgerecht. Sie tauchte mit dem Kind ab, wurde erst Wochen später gefunden. Das Ehepaar Stern zog zum Supreme Court von New Jersey. Fernsehkameras transportieren das Drama in die Wohnzimmer der Amerikaner:
Ein Prozess, wie es ihn noch nie gegeben hat, entwickelt sich weiter in einem Gerichtssaal in New Jersey, hieß es in den Fernsehnachrichten. Es geht um das Sorgerecht für Babies, die von Leihmüttern geboren werden. Lange rang das Gericht um ein Urteil, sprach aber am Ende den Sterns das Sorgerecht zu. Da war Baby M. bereits zwei Jahre alt. Ihre biologische Mutter erhielt Besuchsrecht. Whitehead schrie weinend in die Fernsehkameras: "Er hat mein Kind gestohlen und kommt damit durch."
Der Fall sorgte für eine wichtige Änderung: heute wird in den meisten Verträgen eine Eizellspende der Leihmutter ausgeschlossen – wenn es Verträge gibt. Das Thema Leihmutterschaft wird in jedem Bundesstaat der USA anders gehandhabt, eine bundesweite Regelung gibt es nicht. In der Hauptstadt Washington D.C. ist sie beispielsweise verboten, in Kalifornien, Nevada oder Illinois wurden Regularien erlassen, die Leihmutterschaft und eine entsprechende Kompensierung der Leihmütter erlauben.
Das Embryonenschutzgesetz in Deutschland sei schlecht
In Deutschland ist die Frau, die das Baby auf die Welt bringt, automatisch die Mutter. In den USA nicht. Michael Shapiro ist Bioethiker an der University of California in Los Angeles. Der alte Herr sitzt gekrümmt hinter einem Berg von Büchern und Papieren, an seiner Wand hängt ein Kalender von 1986. Das deutsche Embryonenschutzgesetz hält er schlicht für falsch:
Shapiro: "Ich glaube, dass wir mit unseren Gesetzen und Rechten hier in Kalifornien die Würde des Menschen besser rechtfertigen als die Rechtsprechung in Deutschland. Was wir durch Leihmutterschaft erreichen ist, dass wir der Kernfamilie einen neuen Menschen hinzufügen – und das ist etwas Gutes."
Im Laufe des Interviews regt Shapiro zu mehreren Gedankenspielen an. Unter anderem dieses: "Betrachten Sie es aus der Sicht von jemandem, der nicht weiblich ist. Ich habe zwei Kinder. Ich habe sie nicht ausgetragen. Keins der beiden. Sie sind meine! Und wissen Sie, warum sie meine sind? Weil sie meine Gene in sich tragen. Zurück zur Leihmutterschaft. Das Kind gehört der genetischen Mutter genauso wie der, die es ausgetragen hat – und meiner Meinung nach sogar mehr, weil die biologische Identität des Kindes über das Erbgut definiert wird."
Im Mainstream ist Leihmutterschaft auch in den USA nicht angekommen, doch die Kritiker sind erstaunlich still, ganz anders als beim Thema Abtreibung. Leihmütter, so fragwürdig dieses Geschäft für manche Menschen sein mag, ermöglichen Leben. Und davor haben viele Amerikaner zumindest Respekt. Nur durch Leihmütter war es für Morgan Leigh Koechner und ihren Mann möglich, nach der Geburt ihres ersten Sohnes vier weitere biologische Kinder zu haben.
"Ich bin dafür, dass Menschen, die eine Familie wollen, diese auch bekommen. Wie auch immer sie es für richtig halten. Dieser Weg war richtig für uns – auch wenn ich das niemals so geplant hatte."
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