Lehrer Robert Rauh

Von einem der auszog, das Schulsystem zu verändern

Außenansicht des Barnim-Gymnasiums in Berlin
Der Ort, wo Rauh unterrichtet: Das Barnim-Gymnasium in Berlin © dpa / picture alliance / Marcel Mettelsiefen
Von Kristina Hüttl · 30.11.2015
Robert Rauh ist Lehrer am Barnim-Gymnasium in Berlin. Er ist beliebt und wurde auch schon zum Lehrer des Jahres gewählt. Er nutzt diese Beliebtheit, um sich für die Schüler einzusetzen - nichts weniger als das föderale Bildungssystem will er verändern.
Die Cafeteria im modernen Rundbau des Barnim-Gymnasium leert sich. Pausenende - zurück bleibt der Geruch nach Pommes und Pizza. Robert Rauh, Jeans, schwarzes Hemd, läuft dem Strom der Schüler entgegen und steuert einen schwarzen Ledersessel an, ein kleines goldenes Messingschild daran: "Gesponsert: Robert Rauh". Es ist sein Stammplatz:
Schüler: "Ich sehe immer Herrn Rauh in dieser Ecke – es gibt kaum andere Schüler da, und ich habe es erst vorhin gemerkt, dass das eingraviert ist – also ist sehr heilig, der Stuhl."
Robert Rauh: "Weil ich hier häufig bin, habe ich gesagt: Ich will gleich meinen Sessel haben und hab den quasi bezahlt. Aber hier darf natürlich auch ein Schüler darauf sitzen. Die, die mich nicht kennen, trauen sich."
Am Barnim-Gymnasium sind das aber nur wenige - und auch außerhalb der Schule und sogar Berlins wird Robert Rauh immer bekannter. Seit er 2013 den Deutschen Lehrerpreis als Berlins beliebtester Lehrer gewonnen hat, nutzt er die Aufmerksamkeit, um im Schulwesen das anzuprangern, was seiner Meinung nach schiefläuft. "Schule, setzen, sechs" – heißt das aktuelle Buch des Geschichts-, Politik- und Deutschlehrers. Darin fordert er die bundesweite Vereinheitlichung der Schulsysteme. Bisher kann jedes Bundesland an eigenen Schulformen, Lehrplänen und Prüfungsordnungen basteln.
"In Deutschland ein bildungspolitischer Flickenteppich"
"Die Eltern, Lehrer und Schüler werden häufig Opfer dieser Versuche. Das haben wir in Berlin gesehen - hier ist jahrgangsübergreifendes Lernen eingeführt worden, musste wieder zurückgenommen werden. Sie haben die Früheinschulung durchgeführt – musste wieder zurückgenommen werden. Und in Hinblick auf G8/G9 - also der Zeit bis zum Abitur - haben wir in Deutschland einen bildungspolitischen Flickenteppich: Keiner weiß mehr, wo und wie lange man bis zum Abitur braucht."
Gerade hat er mit einem Mitinitiator eine Online-Petition gestartet – einen Appell gegen die "Kleinstaaterei im Schulwesen", wie er es nennt. Rauh ist nicht der Erste und nicht der Einzige, der sagt: 16 verschiedene Schulsysteme schaffen ungleiche Chancen und erschweren die Wettbewerbsfähigkeit und Mobilität in Deutschland. Und: 16 Schulverwaltungen verschlingen unnötig Geld, das dringend an den Schulen gebraucht wird.
Er zieht sein Smartphone aus der Hosentasche, tippt www.schul-gerecht.de und guckt auf den automatischen Zähler bei der Petition: Seit Anfang November haben knapp 2000 Personen in ganz Deutschland die Initiative unterzeichnet. Ein halbes Jahr ist nun Zeit, dann wird er die Unterschriften dem Bundestag übergeben – und der kann damit machen, was er will. Denn auf Bundesebene gibt es keine Volksgesetzgebung und keinen Volksentscheid:
"Ich bin der Meinung, dass die Diskussion über den Bildungsföderalismus nach diesen vielen gescheiterten Reformen überfällig ist und deswegen machen wir das – auch wenn die Chancen äußerst gering sind. Wir werden großen Widerstand in den Bundesländern haben, die am Bildungsföderalismus festhalten werden und sich mit Händen und Füßen wehren, dass Bildungspolitik aus ihrem Kompetenzbereich rausgenommen wird."
Erzählt er von seinen Ideen zur Verbesserung des Schulsystems, ahnt man die Energie, die diesen Lehrer antreibt. Die Petition ist längst nicht sein einziges Projekt: Mit 48 Jahren hat er schon mehrere Schulbücher verfasst, er bildet neben dem Unterricht am Gymnasium als Seminarleiter angehende Lehrer aus und betreibt einen Blog: "Die Halbtags-Denker", auf dem er zusammen mit einem ehemaligen Schüler sehr kontrovers Themen wie: "Abitur in Deutschland – immer wertloser?" diskutiert.
Eigentlich wollte er gar nicht Lehrer werden
Rauh braucht und sucht Austausch - und Auseinandersetzung. Statt sich in den Pausen ins Lehrerzimmer zu verziehen, sitzt er lieber hier im schwarzen Sessel und redet. So wie jetzt, mit drei Schülern aus seinem Grundkurs Geschichte:
Schüler: "Es gibt andere Lehrer, die einfach nur dem Rahmenlehrplan folgen, ja machen wir jetzt halt so."
Schülerin: "Es gibt ja auch die Lehrer, die immer nur dagegen stimmen, etwa gegen die Rahmenlehrpläne, aber selber aktiv nichts machen. Also dann finde ich es schon besser, wenn man sich mit Vorschlägen dafür einsetzt – zum Wohle der Schüler."
Dabei wollte Robert Rauh eigentlich gar nicht Lehrer werden. Sein Studium der Archivwissenschaften finanzierte er sich, indem er Nachhilfe gab - und dabei merkte, dass er ganz gut erklären kann. Guter Unterricht, sagt er, muss aber immer auch aktuell und nah an der Nachrichtenlage sein.
"Wir haben heute einen Vortrag gehört über die punischen Kriege und da geht es um die Frage: Waren das gerechte Kriege? Das ist ja schon in der Antike diskutiert worden. Und in der Diskussion wurde sofort über den IS diskutiert – und weil ja auch in fast allen Zeitungen die Überschrift stand: "Krieg" und nicht mehr "Terror" oder "Anschlag".
Aber auch das ist wohl noch nicht sein ganzes Geheimnis. Rauh geht auch mal in den Ferien mit den Schülern ins Kino, weil es ihm Spaß macht. Er lebt und liebt einfach seinen Beruf - nur so wird man wohl Lehrer des Jahres.
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