Leben auf dem Pulverfass

Von Anke Leweke · 24.07.2011
Srdjan Koljevics Film "Belgrad Radio Taxi" ist ein Stimmungsbild aus der Gegenwart Belgrads. Die Wut, die Trauer, die Frustration, die die Menschen dort empfinden, verweisen auf ein noch immer nicht verarbeitetes Trauma.
Regen. Stau. Der Taxifahrer Gavrilo hat alles andere als gute Laune. Dann steigt auch noch eine Frau mit Baby zu ihm ins Auto, die eine gebrochene Nase hat.

"Haben Sie vielleicht ein Taschentuch? - Was soll das? Sind Sie verrückt? Du versaust mir ja meinen ganzen Bezug!"

Plötzlich springt die junge Frau aus dem Auto...

"Was ist los? Hey, was soll das? Wo willst du hin?"

… klettert über das Brückengeländer und stürzt sich ins Wasser. Ihr Baby lässt sie auf den Rücksitz.

"Da ist jemand heruntergesprungen. Halt an! Wir müssen dorthin! - Was soll das?"

Ein Paar verfolgt das Geschehen, doch er will nicht aussteigen. Wutentbrannt springt sie zu einer anderen Frau ins Auto. Die Apothekerin Biljana und die Lehrerin Anica mögen sich auf Anhieb, man geht einen trinken. Manchmal hat man vor Fremden weniger Scheu, von sich selbst zu erzählen. Biljana stellt fest, dass sie mit ihrem Verlobten doch nicht ihre Zukunft teilen möchte, während Anica von einem tragischen Ereignis berichtet:

"Du bist sicher verheiratet. - Nein. Wir haben uns getrennt. - Da hast du es wieder! - Nicht, wie du denkst. - Sondern? - Unser Sohn ist ums Leben gekommen. Das ist der Grund.""

Die Kamera hängt sich an die Fersen von Biljana, Anica und Gavrilo. Man lernt drei Menschen kennen, die mit sich und ihrem Leben hadern. Ihre Wege werden sich kreuzen, und noch ein viertes Schicksal wird sich zu der Notgemeinschaft gesellen. Der Taxifahrer findet die Frau mit der gebrochenen Nase in einem Krankenhaus, noch liegt sie im Koma.

"Warum tust du mir das nur an. Hast du keine Verwandten, was soll ich mit der Kleinen anfangen."

Zusammen ergeben die Geschichten ein Stimmungsbild aus der Gegenwart Belgrads. Die Wut, die Trauer, die Frustration, die Menschen hier empfinden, verweist auf ein davor liegendes, noch immer nicht verarbeitetes Trauma. Noch immer hat man das Gefühl, dass die Menschen auf einem Pulverfass leben.

Interview mit Regisseur Srdjan Koljevic über "Belgrad Radio Taxi"
Mehr zum Thema