Lausitz

Protest gegen Kohleabbau

In der Lausitz protestieren Bürger gegen den geplanten Kohleabbau in der Region
Menschenkette: In der Lausitz protestieren Bürger gegen den geplanten Kohleabbau in der Region © Deutschlandradio
Von Axel Flemming · 25.08.2014
In der brandenburgischen Lausitz tobt ein Streit. Einwohner und Umweltaktivisten protestieren gegen den geplanten Braunkohleabbau in der Region. Denn ganze Dörfer sollen dem Braunkohletagebau weichen.
Grabko, ein kleiner Ort, 50 Häuser, 150 Einwohner - noch. Die Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen will, säubert Bürgersteig und Einfahrt vor ihrem Grundstück. Geht es nach den Plänen des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, dann sind die Tage von Grabko gezählt, unter dem Ort liegt die begehrte Braunkohle.
"Kinder sind gar nicht mehr hier, deswegen - sieht alles gar nicht gut aus, nicht schön, dass das so kommt. Aber ob das so alles durchgeht, die demonstrieren ja jetzt dagegen ..."
In Kerkwitz, dem nächsten Dorf östlich, ist deshalb mehr los.
Immerhin 500 Menschen leben hier. An diesem Wochenende hat sich die Zahl der Anwesenden aber mehr als verzehnfacht. Seit Februar hatten lokale Aktivisten, Kohlegegner bundesweit und große Umweltverbände dazu aufgerufen, eine Menschenkette gegen den Kohleabbau zu bilden.
Auch ein werdender Benhardinerhund hat ein orangefarbenes Tuch als Protest um den Hals gewickelt:
"Der will immer und ewig hier in seinem Haus wohnen. Wenn er lernt, hier aufzupassen, dann muss er auch weiter hier aufpassen. Nicht Arko, du willst hier nicht weg."
Arkos Frauchen, Birgid Neumann sitzt mit der ganzen Familie vor dem Haus an der Hauptstraße und hofft:
"Man greift immer nach dem, dass doch noch irgendwann eine Wende passiert hier und man nicht weg muss irgendwann. Ich sag mal, wir haben das so mitgekriegt konkret jetzt mit Horno."
Protestschild: "Unsere Region ist durch einen Braunkohletagebau bedroht. Wir wehren uns!"
Protestschild: "Unsere Region ist durch einen Braunkohletagebau bedroht. Wir wehren uns!"© Deutschlandradio
"Horno ist das letzte Dorf, das der Braunkohle weichen muss", sagte Manfred Stolpe, erster Ministerpräsident von Brandenburg. Sein Nachfolger und sein Nach-Nachfolger, die Sozialdemokraten Matthias Platzeck und Dietmar Woidke sehen das anders:
"Man hat heutzutage die erneuerbare Energien, man kann damit so viel machen, wo ich denke wir müssen hier nicht ganze Dörfer und Menschenschicksale zerstören, um Strom zu erzeugen."
Grabko, Atterwasch und Kerkwitz - drei Orte, denen noch bevorstehen könnte, was 136 schon hinter sich haben: weichen für den Energiehunger der Menschen. Das heißt hier in der Region konkret: das Kraftwerk Jänschwalde, eigentlich nur etwa zehn Kilometer entfernt, aber der direkte Weg dorthin ist versperrt, dort wird schon Kohle abgebaut.
Das Kraftwerk ist ein häufig aufgesuchtes Ziel von Greenpeace
Ein Güterzug mit 15 Kohleloren fährt vorbei, auf der Lok steht Vattenfall. Die neun grauen Kühltürme ragen, schon von Weitem sichtbar, in die Landschaft. Weiß grauer Dampf steigt in den Himmel, es sieht aus, als ob das Wolkenvorkommen für die Lausitz hier erzeugt wird. "Gefahr von Lackschäden durch Kühlturmemission, Parken auf eigene Gefahr" warnt ein Schild vor dem Kohlekraftwerk. Zwei Frauen einer Sicherheitsfirma kommen und beäugen kritisch jeden nicht-angemeldeten Besucher, notieren die Autokennzeichen:
"Kann ich Ihnen helfen?"
"Das wollte ich Sie gerade fragen, ob ich Ihnen helfen kann!"
Die Nervosität hat einen Grund: Das Kraftwerk und Vattenfall sind häufig aufgesuchte Ziele von Greenpeace. An diesem Wochenende bleibt das Kraftwerk verschont, nicht aber der Tagebau "Jänschwalde", dort betraten Aktivistinnen das Betriebsgelände und entrollten vor dem Braunkohle-Bagger am Nordrand ein Banner mit der Aufschrift "Kohle killt Klima".
Die Kohlebefürworter wollten den Gegnern das Feld nicht komplett überlassen. Auf einem Parkplatz vor dem Tagebau haben der Verein "Pro Lausitzer Braunkohle" und die Gewerkschaft IGBCE einen kleinen Zelt-Pavillon aufgeschlagen. Ihr Motto: "Grünen Märchenerzählern mit Sachlichkeit begegnen".
Wolfgang Rupieper, Vorstandsvorsitzender des Vereins:
"Die Arbeitsplätze, die bei Schließung der Kohlegruben wegfallen würden, dass die also durch anderweitige Industrie oder anderweitige Arbeitsplätze, die geschaffen würden, ersetzt werden - das bezeichnen wir als Märchen."
Auf den gelben Ortsschildern stehen die Ortsnamen und darunter die Anzahl der Arbeitsplätze, die durch den Kohleabbau entstehen würden
Auf den gelben Ortsschildern stehen die Ortsnamen und darunter die Anzahl der Arbeitsplätze © Deutschlandradio
Gelbe Ortsschilder: Cottbus, Forst, Peitz stehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, unter den Namen Zahlen, die für die Arbeitsplätze stehen sollen. Für die Lausitz haben sie 8.263 ausgerechnet.
Ute Liebsch, Bezirksleiterin der IG BCE, sagt, das ist nur ein Fünftel derer, die zu DDR-Zeiten in der Kohle beschäftigt waren:
"Also, über die gesamte Lausitz waren das über 100.000 Beschäftigte. Die Lausitz hat hier einen drastischen Aderlass gemacht. Und wir sehen das eben auch unter dem Gesichtspunkt, wenn es die Kohle hier nicht mehr gibt und auch die Dienstleistung hier nicht mehr, kein Plan B hier existiert, ja dann wandern auch noch die letzten verbliebenen jungen Leute aus der Lausitz ab und wir werden hier ein Altenheim werden!"
Zahl der Arbeitsplätze umstritten
Allerdings ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Braunkohle umstritten. Von 4.200 direkt in Brandenburg Beschäftigen schrieb die Landesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Landtag. Rufe Die Kette reicht bis zur Neiße, Grenzfluss zu Polen - und darüber hinaus. Denn das Nachbarland setzt auf Kohleabbau und Verbrennung, stärker noch als Deutschland, fast zu 100 Prozent. Deshalb geht die Kette auch jenseits des Flusses weiter bis nach Grabice.
"Die Kette von Deutschland aus Polen ist lückenlos geschlossen!"
In Grabko hat die Anwohnerin, die zwar gegen den Kohlabbau ist, sich an der Menschenkette aber nicht beteiligt hat, den Bürgersteig gesäubert. Sie wurde hier geboren. Ob sie bis zum Lebensende hier bleiben kann, weiß sie nicht.
"Aber dann kann man sich sicherlich ein Altenheim oder sowas suchen!"
Arbeitsplätze.
"Ja, Arbeitsplätze sind natürlich ein Argument", sagt sie.
"Das bestreitet ja niemand. Aber Unser Dorf ist eben auch ein Argument."
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