Låpsleys Debütalbum "Long Way Home"

Elektronische Musik als wahre Leidenschaft

Lapsley
Die britische Musikerin Låpsley ist erst 19 Jahre alt. Nun erschien ihr Debütalbum © imago/Independent Photo Agency
Låpsley im Gespräch mit Oliver Schwesig · 03.03.2016
Die britische Künstlerin Låpsley ist eine der wenigen weiblichen Musik-Produzenten. Jetzt ist ihr Debütalbum "Long Way Home" erschienen. Im Interview erzählt sie, wie sie ihren Stil entdeckte und warum ihr Geschlecht für ihre Musik keine Rolle spielt.
Oliver Schwesig: "Ihre Musik ist ja sehr elektronisch, Sie haben aber allerdings interessanterweise eine klassische Ausbildung genossen mit Oboe und Klavier. Aber in die Klassik zu gehen, das war nie eine Option für Sie, oder?"
Låpsley: "Ich habe mich mit Klassik außerhalb der Schule beschäftigt – das war Teil meines Tagesablaufs. Meine Eltern haben versucht mir beizubringen hart zu arbeiten, um meine Ziele zu erreichen. Aber es war nie eine Leidenschaft. Ich glaube, elektronische Musik war meine wahre Leidenschaft, die ich als Teenager entdeckt habe."
Schwesig: "Haben Sie irgendwelche Favoriten damals gehabt, Lieblingsbands?"
Låpsley: "Ich glaube meine Eltern haben mich an elektronische Musik herangeführt. Mein Dad mag zum Beispiel New Order, Depeche Mode und Kraftwerk. Naja, und wenn deine erste Berührung mit Musik, die mit elektronischer ist, dann bleibst du an dieser Musik für den Rest deiner Jugend dran."

"Ich mag die Extreme!"

Schwesig: "Ja, dann lassen Sie uns doch gleich reden über den neuen Sound auf Ihrer Platte. Sie haben selbst einmal diesen oder Ihre Musik als 'dead emo' bezeichnet, eine sehr laptop-getriebene Popmusik finde ich, ohne Gitarren und ohne Bass. Welchen Sound haben Sie denn im Kopf, wenn Sie komponieren?"
Låpsley: "Wenn es um die Produktion von Sounds gibt, dann mag ich elektronische Sounds und Instrumente von heute, die es auf dem Computer gibt. Ich habe mir viel Techno und Ambient Musik angehört, als ich jünger war. Und ich mag es, dass in dieser Musik der Raum genutzt wird – weil es keinen Text gibt."
Schwesig: "Wenn Sie jetzt sagen, die Wörter sind nicht so wichtig in der Musik, spielt das jetzt für Sie auch noch eine Rolle?"
Låpsley: "Ich mag die Extreme! Ich liebe das Songwriting von Joni Mitchell und Fleetwood Mac und eine Menge dieser Bands, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber ich liebe auch extreme elektronische Musik, also das komplette Gegenteil. Meine Musik passt da irgendwie in die Mitte und hat etwas von beidem. Ich kann also keine Seite ganz loslassen."
Schwesig: "Sie singen über Herzschmerz und auch viel die eigene Seele freilegen. Wie macht man das mit 19, fällt einem das schwer, würde mich interessieren?"
Låpsley: "Ich sträube mich dagegen, wenn Leute sagen 'in deinem Alter'. Ich bin so alt, wie ich bin und ich weiß nicht, wie andere Leute ihre Gefühle ausdrücken. Ich nehme an, manche Menschen gehen in den Park oder ins Fitnessstudio, ich gehe jedoch ins Studio und schreibe über meine Gefühle. Ob ich diesen Song dann veröffentliche oder nicht, das ist dann meine Entscheidung. Es gibt viel Musik, die ich nicht veröffentlicht habe, aber es fühlt sich trotzdem wie eine Art Therapie an."
Schwesig: "Und fühlst du dich jetzt beim Hören besser?"
Låpsley: "Wenn ich mir die Songs anhöre, dann kann mir das ganz schön Angst machen. Wenn du performst, ist das nochmal etwas anderes, weil du dann viel mehr involviert bist. Ich kann sehr kritisch werden, wenn ich mir alte Sachen anhöre oder wenn ich im Radio auf sie stoße. Ich bin einfach mein größter Kritiker. Ich denke: Das hätte ich anders singen oder schreiben können. Oder vielleicht hab ich zu viel gesagt. Aber ich denke, das ist halt das Opfer, was du eingehen musst, wenn du ein Schriftsteller oder eine kreative Person bist. Du gibst immer einen Teil von dir, wenn du deine Arbeit machst."

"Wir wollen ehrliche Musik hören"

Schwesig: "Etwas ganz interessantes: Sie produzieren Ihre Musik auch selbst. Und Sie haben selbst einmal in einem Interview gesagt, sie sind sehr stolz darauf, eine weibliche Produzentin zu sein, aber möchten dieses Label nicht bekommen - das von einer weiblichen Produzentin. Warum ist das so?"
Låpsley: "Das kommt noch aus der Zeit, als ich das erste Mal Musik ins Internet gestellt habe und die Leute mich gefragt haben, wer ist der Typ hinter der Sache? Im Sinne von: Wer hat das geschrieben und produziert? Ich konnte es nicht fassen, dass die Menschen nicht glauben wollten, dass ICH das gemacht habe. Es ist so: Das Konzept des Produzierens war mir früher überhaupt nicht bekannt. Ich war der naiven Meinung, dass all die alte Musik, die ich gehört habe, von den Leuten produziert wurde, die sie singen. Als ich angefangen hab zu produzieren, hab ich einfach alles selbst gemacht. Ich konnte es einfach nicht begreifen, warum es so schwer für Leute war zu glauben, dass ich selbst produziere."
Schwesig: "Glauben Sie es ist dann ungerecht, wenn Journalisten wie wir ja auch nach diesem Label suchen und das dann hervorheben 'es gibt jetzt hier eine weibliche Produzentin' zum Beispiel?"
Låpsley: "Ich möchte, dass meine Produktion von einem genderlosen Punkt aus betrachtet wird. Aber es ist nun mal Fakt, dass es weniger weibliche, als männliche Produzenten und Songwriter gibt. Die Annahme ist an sich nicht sexistisch, weil es Zahlen und Fakten gibt. Aber ich hoffe, ich kann einen Weg für weibliche Songwriter und Produzentinnen öffnen. Ich will zeigen, dass man erfolgreich sein kann."
Schwesig: "Was ganz interessant ist, jetzt wo Sie das sagen, es gibt ja noch eine ganze Menge anderer Sängerinnen gerade aktuell, die ganz ähnliche Musik machen wie Sie, Empress Of, Ibeyi oder Grimes fallen da einem ein. Glauben Sie das gibt es eine neue weibliche Stimme im Pop?"
Låpsley: "Ich glaube, dass mehr ehrliche Musik im Mainstream ankommt. Da gibt es jetzt einen Wechsel. Ich denke, wir wollen ehrliche Musik hören, weil wir genug haben von Popmusik haben, die von 20 Leuten geschrieben wurde und einfach immer gleich klingt. Wir wollen etwas von echten Leuten hören. Deswegen ist zum Beispiel die Musik von Empress Of toll, weil die Musik ehrlich und gut ist und von dieser Frau gemacht wurde."