"Langfristig nehmen die Naturkatastrophen zu"

Peter Höppe im Gespräch mit Ute Welty · 05.08.2010
Nach Ansicht von Peter Höppe, Klimaexperte beim Münchner Rückversicherer Munich Re, ist der Klimawandel allenfalls zu verlangsamen. Man habe es noch in der Hand, ob es am Ende des Jahrhunderts zu einer Erhöhung der Temperatur um zwei oder um sechs Grad kommen werde.
Ute Welty: Mit der Versicherung von Versicherungen kann man offenbar viel Geld verdienen. Die Munich Re ist weltweit der größte dieser Rückversicherer und hat exzellente Zahlen vorgelegt fürs erste Halbjahr mit einem Überschuss von 1,2 Milliarden Euro.

Dabei musste das chilenische Beben verkraftet werden, der drittgrößte Schadensfall der Unternehmensgeschichte, nach dem Anschlag auf das World Trade Center und nach dem Wirbelsturm Katrina. Leiter der Georisiko-Forschungsabteilung bei Munich Re, das ist Peter Höppe, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon - guten Morgen!

Peter Höppe: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Können Sie uns helfen, diesen Widerspruch aufzulösen? Die Zahl der Schadensfälle nimmt zu, also die Naturkatastrophen, die Unglücke, die Anschläge, da müsste doch auch die Schadenssumme steigen, was sich doch eigentlich negativ auf Ihre Bilanz auswirken sollte.

Höppe: Ja, eigentlich haben Sie recht, aber man muss natürlich beachten, dass die Schadenfälle bei den Naturkatastrophen langfristig zunehmen. Munich Re hat natürlich viele andere Arten von Versicherungen, wo wir diese Zunahme nicht sehen.

Und dann kommt natürlich noch dazu, dass das Ergebnis, das gestern präsentiert wurde, vor allem so gut ausgefallen ist, weil bei den Kapitalanlagen ein größerer als erwarteter Gewinn gemacht werden konnte. Langfristig nehmen die Naturkatastrophen zu und auch die Schäden aus den Naturkatastrophen.

Welty: Damit genau beschäftigt sich Ihre Abteilung, nämlich das Einschätzen von Risiken, die bestimmte Versicherungen mit sich bringen, und dabei geht es eben vor allem um Naturkatastrophen. Auf was muss sich ein Unternehmen wie die Munich Re in Zukunft einstellen?

Höppe: Ja, wir müssen uns langfristig darauf einstellen, dass wir mehr extreme Wetterereignisse haben werden und auch, dass diese Wetterereignisse intensiver werden, und das sehen wir ganz klar aus unseren Statistiken der letzten Jahrzehnte. Wir haben ja begonnen vor über 30 Jahren, solche Daten zu sammeln und die weltweit umfassendste Datenbank zusammengetragen. Wir sehen zum Beispiel in Deutschland, dass in den letzten Jahren im Mittel dreimal so viele schadenrelevante Naturereignisse auftraten als noch vor 30 Jahren.

Welty: Das heißt, alle reden vom Klimawandel und Sie auch?

Höppe: Wir reden auch vom Klimawandel, und das schon nachweislich seit 37 Jahren. In einer Publikation von Munich Re von 1973 ist das zum ersten Mal erwähnt, seitdem gibt es Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler, die sich mit diesen Phänomenen beschäftigen.

Und wir haben zum einen die Risikoseite analysiert, zum anderen betrachten wir aber vermehrt auch die Möglichkeit, hier Chancen zu sehen, Chancen in der Richtung, dass wir etwas für den Klimaschutz tun und für die Anpassung an den Klimaschutz – mit Produkten, aber auch mit Initiativen wie dem Wüstenstromprojekt, das dieses DESERTEC-Konzept in Nordafrika umsetzen möchte.

Welty: Lassen Sie uns noch einen Moment bei den Risiken bleiben: Welche Regionen der Welt sind Ihrer Einschätzung nach besonders gefährdet, wie sieht es für Europa, für Deutschland aus? Müssen wir uns an Schlagzeilen wie Tornado über Helgoland gewöhnen?

Höppe: Ja - wo wir bereits einen Trend nachweisen können, das ist bei den tropischen Wirbelstürmen, den Hurricanes/Hurrikans im Nordatlantik, an den Küsten der USA, im Golf von Mexiko, in der Karibik, dort erwarten wir auch in der Zukunft eine Intensivierung dieser Ereignisse. Was wir in Deutschland sehen, ist, dass die Wahrscheinlichkeit schon zugenommen hat für Hitzewellen wie zum Beispiel 2003.

Wir sehen eine ganz stark ausgeprägte Hitzewelle in Russland. Solche Ereignisse sind häufiger zu erwarten. Und was wir auch ganz deutlich sehen in Deutschland, dass die Starkniederschlagsereignisse zunehmen, das heißt jene großen Gewitterzellen, die dann zu enormen Regenmengen führen, sodass dann die Keller volllaufen. Tornados hatten Sie erwähnt, gab es schon immer in Deutschland. Sie wurden früher nicht so beachtet, es hatte auch nicht jeder eine Kamera am Handy, sodass ...

Welty: Es hat halt mal gewindet.

Höppe: ... dass jeder Tornado erfasst wurde, aber zum Beispiel 1968 gab es den größten Schaden durch einen Tornado, da ist ein Tornado durch Pforzheim gezogen und dort enorme Schäden verursacht. Das ist schon wieder vergessen. Es gibt keine verlässlichen Hinweise, dass die Anzahl der Tornados in Deutschland bereits zugenommen hätte.

Welty: Lässt sich dieser Prozess, diese zunehmende Zahl von Extremwetterlagen überhaupt noch umdrehen, stoppen oder auch nur verlangsamen mit den Klimaschutzzielen, die zurzeit international vereinbart sind?

Höppe: Nein, leider nicht. Selbst wenn wir noch ambitioniertere Klimaschutzziele hätten, könnten wir den Klimawandel nicht mehr umdrehen oder stoppen, wir können ihn aber noch verlangsamen. Das heißt, wir haben noch in unserer Hand durch Reduktionsmaßnahmen der Treibhausgasemissionen, ob am Ende des Jahrhunderts der globale Klimawandel zu einer Erhöhung der Temperatur um zwei Grad oder um sechs Grad führt. Also das können wir noch steuern, diese zwei Grad sind aber nahezu unvermeidlich.

Welty: Kopenhagen ist mehr oder weniger gescheitert, zurzeit laufen die Vorbereitungen für den nächsten Klimagipfel in Cancún. Hoffen Sie, wissen Sie oder bezweifeln Sie, dass es da besser läuft?

Höppe: Es kann eigentlich nur besser laufen in Cancún. In Kopenhagen ist sehr viel schief gegangen – Sie wissen ja, wir waren sehr enttäuscht vom Ergebnis. Die Hoffnung in Cancún bezieht sich auf den Anpassungsteil, es sind ja zwei Verhandlungsstränge.

Bei dem einen geht es um die Reduktion der Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen, bei dem anderen um Hilfe für die Anpassung in den Entwicklungsländern, da sehe ich durchaus positive Zeichen, da könnte man zu einer Einigung in Cancún kommen. Eine Einigung zu globalen Reduktionen der Treibhausgase sehe ich für Cancún leider nicht.

Welty: Peter Höppe ist zum Teil optimistisch, zum Teil schlägt er Alarm. Er ist Leiter der Georisiko-Forschungsabteilung des Rückversicherers Munich Re, und er war im Interview der "Ortszeit" hier in Deutschlandradio Kultur. Ich danke fürs Gespräch und für die Einschätzungen!

Höppe: Vielen Dank, Frau Welty!