Lange Nacht über das Haldern Pop Festival

Weltmusik in der Provinz

Patti Smith auf der Hauptbühne des Haldern Pop Festivals im August 2014
Das Haldern Pop Festival © Stefan Daub
Regie: Jan Tengeler · 25.07.2015
Das Haldern Pop Festival, dessen Geschichte 1981 mit einer Ministrantensause in einem verschlafenen Dorf am Niederrhein begann, ist heute eine Perle unter den europäischen Festivals und vielfach ausgezeichnet. Das auf 6500 Tickets limitierte Kartenkontingent ist immer schon lange vergriffen, bevor auch nur die ersten Bands gemeldet werden.
Etwa 350 Menschen aus dem Dorf helfen ehrenamtlich mit, schleppen Fässer, geben Getränke aus, reißen Karten ab, stellen die Stromversorgung auf dem Zeltplatz sicher, entsorgen Müll oder engagieren sich bei der "Küchenmannschaft" im Backstage-Bereich.
Die Entscheidung gegen Expansion, Kommerz und Profit hat Haldern den Ruf eingetragen, so etwas wie das kleine gallische Dorf in Sachen Popmusik zu sein; es ist längst eine "Marke", wie das "Handelsblatt" bemerkte, steht aber nicht zum Verkauf.
Das gallische Dorf in Sachen Popmusik
Vor allem die Künstler wissen das zu schätzen. Auf den Bühnen sind Werbebanner tabu, das Publikum gilt als ungewöhnlich offen und musikinteressiert. Künstler wie Franz Ferdinand, Mando Diao, Kate Nash oder Mumford & Sons spielten auf dem Alten Reitplatz oder im legendären Spiegelzelt, unmittelbar bevor sie die großen Hallen füllten. Sam Smith, 2015 mit vier Grammys ausgezeichnet, war 2014 bei zwei Konzerten in der kleinen Ortskirche und auf der Hauptbühne zu sehen.
Eine "Lange Nacht" über musikalische Leidenschaften in der Provinz - als Sprungbrett auf die großen europäischen Bühnen.

Besucher auf dem Haldern Pop Festival vor der Hauptbühne
Das Publikum des Haldern Pop Festivals gilt als ungewöhnlich offen und musikinteressiert. © Stefan Daub
"Es ist meiner Meinung nach das beste Festival, das es in Europa gibt. Jede attraktive Band spielt gerne da." (Karsten Jahnke, Konzertveranstalter, Hamburg)
"Haldern Pop is the best small festival in Europe." (Martin Elbourne, Music Director Glastonbury)
"Es mag für manche Menschen, die noch nie beim Haldern Pop Festival waren, unverständlich erscheinen; aber wenn man dann endlich mit dem Wagen in die Straße zum Alten Reitplatz einbiegt und von den legendären und oft fotografierten selbstgemalten Schildern am Straßenrand begrüßt wird, ist es wie das Ankommen an einem heimischen Ort.
"Musik und Niederrhein – eine ideale Kombination"
Man kennt das Panorama, man kennt die Gerüche, man fühlt sich ebenso wie das Wort schon beschreibt: heimisch. Der Stress der letzten Tage wird immer blasser und man weiß genau, worauf man sich die nächsten Tage einlässt. Musik und Niederrhein – eine ideale Kombination." (Mainstage Musikmagazin)
"Und die Tatsache, dass das Festival immer noch, nach all den Jahren, nur etwa 6.000 Besucher hat. Sie wollen nicht darüber hinausgehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Festival sehr leicht eines der ganz großen werden könnte, nicht Glastonbury, aber eins der berühmtesten Festivals, in das sie große Sponsoren und große Bands reinbringen könnten. Aber das scheint es nicht zu sein, das würde die ganze Erfahrung dieses Ortes ruinieren." (Simon Angell, Gitarrist von Patrick Watson/Thus:0wls)
"Man hat einen Instinkt, der einem beim Aussteigen aus dem Bus eine Menge verrät, und manchmal ist da auch eine Art Wärme. Du weißt recht schnell, ob es bei einem Festival um die Musik geht oder bloß darum, Karten zu verkaufen." (Paul Wilkinson, Duke Special)
"Professioneller Anarcho-Syndikalismus gepaart mit tiefer Liebe zur Musik: Das ist das Wunder von Haldern. Und noch muss man keine Votivtäfelchen malen. Hingehen reicht." (Sven Regner, "Das Wunder von Haldern", Spex-Magazin 08/2003)

Freiwillige bei den Aufbauarbeiten beim Haldern Pop Festival: Etwa 350 Menschen aus dem Dorf helfen jedes Jahr ehrenamtlich mit.
Freiwillige bei den Aufbauarbeiten beim Haldern Pop Festival: Etwa 350 Menschen aus dem Dorf helfen jedes Jahr ehrenamtlich mit.© Christoph Buckstegen
Auszug aus dem Manuskript:
Seit mehr als 30 Jahren pilgern Musikfans aus aller Welt einmal im Jahr an den Niederrhein. In Rees-Haldern, einer winzigen 5.000-Seelen-Gemeinde, findet im August ein ebenso kleines wie außergewöhnliches Festival statt. Das Haldern Pop gilt unter Kennern als eine Perle unter den europäischen Musik-Events. Der Guardian zählte es 2010 zu den fünf innovativsten Festivals Europas, 2011 wurde es als bestes Kleinfestival in Europa prämiert.
Auch das Feuilleton ist voller Lobeshymnen für ein Musikereignis, das sich seit Jahrzehnten den Kommerzialisierungsautomatismen der Branche erfolgreich widersetzt. Bis heute wird das Haldern Pop von der Initiative einiger dutzend Idealisten und dem Engagement von rund 300 freiwilligen Helfern getragen. Dass sich seine Macher stets geweigert haben, die "Marke Haldern" zu verkaufen und stattdessen jedes Jahr aufs Neue ein exquisites Programm auf die Beine stellen, hat Haldern den Ruf eingetragen, so etwas wie das kleine gallische Dorf in der deutschen Musiklandschaft zu sein.
Lost episodes
Nicht alle Interview-Passagen konnten berücksichtigt werden. Deshalb hier einige Auszüge aus den Gesprächen mit den drei Freiwilligen Andrea Bollwerk (Catering), Thomas Celak (große Theke) und Matthias Storm (Campingplatz) sowie mit Udo Mümken (Mitbegründer), Stefan Reichmann (Mitbegründer, heute künstlerischer Leiter) und Steven Kruijff (Logistik- und Technikexperte des Haldern Pop).
Die Stimmung im Backstage
Stefan: "Ich find es immer gut, wenn man im Backstage keine Grenzen schafft. Es gibt ja diese Grenze zwischen Publikum und Backstage, aber damit muss es auch gut sein, dann im Backstage noch einmal zu trennen zwischen Busfahrern, Technikern und A-, B- und C-Künstlern, das wollten wir nicht. Wir wollten immer, dass sich eine Gemengesituation ergibt, und das wird von allen Künstlern auch honoriert, auch von den Superstars.
Irgendwann habe ich gelernt, dass speziell die Busfahrer, die nachts die Bands von A nach B fahren, innerhalb der Band einen großen Vertrauensbonus genießen. Ich habe auf anderen Festivals gesehen, dass es dort so Separees für die Busfahrer gab, weil, die waren immer auch so ein bisschen Outlaws. Das wollten wir nicht. Wir haben deshalb ein T-Shirt für die Busfahrer entworfen, wo hinten draufstand, "We know the way home". Und das war klasse, dass wir etwas speziell für die hatten, denn der Busfahrer ist eine wichtige Person in der Travel Party, wo sich alle aufeinander verlassen müssen."
Hier sind keine Grenzen erwünscht: das Backstagezelt beim Haldern Pop Festival.
Hier sind keine Grenzen erwünscht: das Backstagezelt beim Haldern Pop Festival.© Christoph Buckstegen
Ein kinderfreundliches Festival
Ein Charakteristikum des Haldern Pop Festivals ist die große Zahl an Kindern, die sich auf dem Festivalgelände tummeln. Die Sprösslinge der Aktionäre und Helfer bekommen eigene Backstage-Ausweise, mit denen sie sich als "Pop-Blagen" ausweisen können. Im Backstage gibt es ein eigenes "Kinderzelt" mit einem abwechslungsreichen Programm aus Festivalführung, Wikinger-Spielen, Bastelstunden, Schatzsuche und Sportangeboten.
Udo: "Also, das war kein Marketingkonzept oder so. Das ist einfach so entstanden, weil wir anfangs jung waren, aber irgendwann Kinder bekamen und trotzdem weitermachen wollten. Deshalb haben wir geguckt: Wo könnte es so einen Rückzugsort geben. So ist das Kinderzelt im Backstage entstanden. Das ist der Ort, wo es am leisesten ist, wo sie sich auch mit anderen Dingen beschäftigen können, aber das ganze Ding auch mitkriegen. Das ist ja auch ein schönes Gelände da hinten im Wald, da rumzustreunen macht ja auch Spaß. Meine Kinder wollten auch von Anfang an mit, sie sind eigentlich seit sie laufen können mit dem Festival verbunden."
Matthias: "Meine Jungs sind sieben und neun Jahre alt, die fahren immer mit. Das ist im Catering etwas anders, aber wenn ich da mit meinen Traktor längsfahre und aufbaue, zum Beispiel Licht oder Rettungspunkte oder irgendwas – meine Jungs sind immer dabei. Die wollen das sehen, wenn Papa irgendwo auf dem Open Air ist, und da helfen die auch mit."
Essen wie Gott in Haldern
Fast täglich gehen in Haldern Anfragen von Speise- und Getränke-Anbietern ein, die auf dem Festival einen Stand machen wollen – meist von Billiganbietern. Doch vor Jahren haben die Haldern-Macher beschlossen, sich von den üblichen Pommes-, Döner- und Pizza-Buden zu verabschieden und auf ein qualitativ hochwertiges Angebot zu setzen. Statt Bratwurst gibt es Falafel und Handbrot, Bio-Pommes, Nudeln mit Tomaten und Rucola, Crêpe, Obstschälchen und andere Spezereien. Entworfen wurde das neue "Food-Konzept" von Steven:
"Vor ein paar Jahren haben wir mal beschlossen, mehr auf Qualität und Bio-Essen zu setzen. Deshalb haben wir uns von ein paar Ständen getrennt und neue reingeholt, die besondere Dinge bieten. Klar, die sind ein bisschen hochpreisiger, aber dafür ist das auch ein kulinarischer Genuss. Und das gehört zu einem guten Festival eben auch dazu. Ein Stand bei uns muss eigentlich eine besondere Geschichte erzählen können, er muss qualitativ hochwertig und 'festivalaffin' sein.
Links vor der Bühne zum Beispiel gibt es einen Stand, die machen wunderbaren Kaffee, rösten selber, bieten auch frisch gepresste Fruchtsäfte an und haben auch noch einen wirklich schönen Stand, der fügt sich wunderbar in das Festivalbild ein. Dann gibt es einen Anbieter aus Holland, der schnitzt seine Pommes aus zertifizierten Bio-Kartoffeln; ist ganz simpel, kommt aber super an. Es muss nicht alles bio oder vegan sein, aber wir sorgen dafür, dass wir von allem was da haben."
Haben die freiwilligen Helfer Zeit, um selbst ein Konzert zu genießen?
Mitglieder des Küchenteams des Haldern Pop Festivals beim Abwasch.
Mitglieder des Küchenteams des Haldern Pop Festivals beim Abwasch.© Christoph Buckstegen
Matthias: "Das ist etwas problematisch."
Andrea: "Jeder versucht zwar, das hinzukriegen, aber es ist schwierig."
Thomas: "Man kann sich die Zeit schon nehmen. Wir arbeiten ja im Schichtbetrieb, das ist vorher festgelegt, und wir bekommen den Zeitplan der Bands. Dann kann man sich schon darauf einstellen. Klappt zwar nicht immer, aber hin und wieder kann man sich freinehmen, um was Bestimmtes zu sehen."
Matthias: "Das ist mein großer Vorteil auf dem Campingplatz. Wenn abends die guten Bands spielen, dann ist keiner auf dem Platz, dann habe ich Freizeit und kann mir das schön anhören."
"Früher haben wir zwei Wochen nur Zäune aufgestellt"
Steven: "Früher, als es noch weniger Bands gab, hatte man noch Zeit, ein Konzert anzusehen. Doch mittlerweile ist die ganze technische Umsetzung so aufwendig, dass ich während der Festivaltage eigentlich dauernd unter Strom bin. Ich bin ja auch für das Sicherheitskonzept verantwortlich, also Ansprechpartner der Behörden, wir haben jeden Tag mehrmals Sicherheitsbesprechung usw.

Ich kann mich mal für 15 oder 20 Minuten rausziehen und sagen, ich geh mal was essen oder irgendwo hin, aber auch dann bin ich immer erreichbar. Was ich sehr genieße, ist, wenn ich mal auf die Bühnenseite gehe und mir ein, zwei Songs von einer Band in Ruhe ansehen kann, das finde ich schon toll. In diesem Jahr freue ich mich zum Beispiel unheimlich auf Kate Tempest, denn ich weiß, dass das eine sehr gute Show werden wird. Wahrscheinlich werde ich sie nicht sehen können, aber ich werde sie wahrnehmen, mit ihr arbeiten, das ist meine Art der Vorfreude. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, ich erfreue mich eher an einem lächelnden Besucher als an dem Konzert."
Was hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Matthias: "Es ist professioneller geworden. Früher hat man mehr Zeit benötigt, um alles aufzubauen, da wurde alles aus irgendwelchen Bauernhöfen und Scheunen zusammengeliehen und danach alles wieder zurückverfrachtet, das hat immens viel Zeiten gekostet. Früher haben wir zwei Wochen nur Zäune aufgestellt, heute sind wir damit in einem Tag durch, weil inzwischen die entsprechende Technik angeschafft wurde, um das schneller zu machen."
Andrea: "In vielen Dingen sind wir professioneller geworden, gut organisiert vor allem. Wir haben das Forum, viele Treffen, die Familien, du hast immer einen Ansprechpartner. Es gibt mehr Leute, aber die Strukturen sind kleiner. Früher war es ein bunter Haufen. Das war ja auch okay, es hat gereicht. Aber irgendwann waren viele unzufrieden, da mussten wir überlegen: Gibt es eine Lösung? Ich persönlich finde es ganz toll, dass wir einen Weg gefunden haben, dass nicht gesagt wurde, wir hören auf und geben das in professionelle Hände. Sondern das gesagt wurde, wir schaffen das. Darauf bin ich stolz. Ich finde es toll, dass wir nicht aufgegeben, sondern eine kreative Lösung gefunden haben."
Das ganze Jahr über gibt es viele Treffen mit den Aktionären und Helfern des Haldern Pop Festivals.
Das ganze Jahr über gibt es viele Treffen mit den Aktionären und Helfern des Haldern Pop Festivals.© Christoph Buckstegen
Der See hinter der Hauptbühne
Unmittelbar hinter dem Festgelände liegt ein See, der Besucher wie Musiker gleichermaßen anzieht. An seinem Ufer spielen die Bands regelmäßig kleine Unplugged-Sessions ein, einige Musiker nehmen direkt vor ihrem Auftritt noch ein erfrischendes Bad, Gäste kurieren ihren am Vorabend erworbenen Kater oder genießen die Live-Musik von der Hauptbühne auf der Luftmatratze – auch wenn ein Schild den Zutritt und das Baden verbietet.
Stefan: "Da muss man natürlich fairerweise sagen, das ist nicht offiziell erlaubt, im See zu schwimmen. Wir appellieren einfach immer an die Vernunft des Einzelnen, deshalb gehen wir nicht hin und verbieten den Leuten das Schwimmen. Es ist grundsätzlich nicht erlaubt, aber jeder kann auch ein Feuerchen machen auf der Wiese, die Leute sollen einfach eigenverantwortlich mit den Dingen umgehen. Wir trauen denen einfach relativ viel zu, und über die Jahre haben wir auch relativ viel zurückbekommen."
Haldern Pop Bar
Die Haldern Pop Bar hat sich innerhalb weniger Jahre als eine der interessantesten Live-Locations im weiten Umland etabliert. Die Konzerte sind in der Regel kostenlos, es geht lediglich ein Hut herum. Nur bei einigen Konzerten wird ein Eintrittsgeld verlangt – nicht, um Kasse zu machen, sondern um den Andrang zu limitieren. Denn wenn sich ein paar Hundert Zuschauer für eine Band interessieren, könnte der Ansturm auf die kleine Kneipe zum Problem werden.

Viele Musiker lieben die Clubkonzerte in der ehemaligen Gastschenke. Dazu Daniel Heptinstall, Gitarrist der britischen Folk-Punk-Band Skinny Lister: "We played in Haldern Pop Bar. It was a bar, people drinking beer, we felt like at home. It was fantastic. One of my favorit gigs this year!"
Thomas: "Die Bar ist von Donnerstag bis Sonntag geöffnet, und wenn Konzerte sind auch unter der Woche. Oder eben bei Fußballübertragungen. Für die Leute in Haldern ist die Bar einerseits ein Treffpunkt, andererseits aber auch Live-Bar. Im Schnitt gibt es hier ungefähr vier Konzerte im Monat, manchmal sind es mehr, etwa zwei in einer Woche.
Das Konzept ist ja, dass die Bands nicht mit Geld bezahlt werden, sondern freie Kost und Logis erhalten, um einen Off-Day abzufedern. Sonst müssten sie halt ein teures Hotel nehmen, wenn sie zum Beispiel gerade von Amsterdam nach Berlin fahren und keinen Auftritt haben. Dann machen die lieber hier einen Zwischenstopp. Sie spielen ein kleines Konzert, dafür können sie kostenlos wohnen und essen."
Besucher in der Haldern Pop Bar.
Außer beim Festival werden die Bands bei ihren Konzerten in der Haldern Pop Bar nicht mit Geld bezahlt, sondern mit freier Kost und Logis. © Stefan Daub
Steven: "Die Entwicklung der Haldern Pop Bar zur Konzert-Location ging relativ zügig voran. Ursprüngliche hatten wir ja die Vorstellung, nur Akustikkonzerte zu machen, im sehr kleinen Rahmen, aber diese Idee wurde schon mit dem dritten Konzert verworfen, weil wir gesehen haben, was alles möglich ist, und vor allem, wie die Sachen bei den Leuten hier ankommen. Wir haben damals noch mit sehr reduzierten technischen Lösungen gearbeitet, aber inzwischen sind wir ziemlich professionell für einen Laden dieser Größe. Dadurch werden die Shows immer vielseitiger.
Wir müssen uns nicht mehr auf den Typen mit der Gitarre reduzieren, sondern können auch Bands machen. Und dadurch werden es auch mehr Konzerte, weil immer mehr möglich wird. Die Bands kommen hier hin, das spricht sich herum, die freuen sich schon meistens, wenn sie aussteigen.
Bei den Bands, die zu uns in die Haldern Pop Bar kommen, gibt es so zwei typische Szenarien. Nummer Eins: Die Band kommt an und fragt sich, wo sie hier gelandet ist. Die Leute sind stundenlang in eine Richtung gefahren und es wurde immer ländlicher, die können sich halt oft nicht vorstellen, dass in diesen Laden, der ein bisschen rustikal wirkt, viele Leute kommen. Und die fragen dann viel nach, auch nach dem Festival, und dass dauert dann so ein Weilchen, bis die verstehen, okay, es ist zwar sehr ländlich, aber wir haben inzwischen unsere 'Szene', also eine Art Stammpublikum.
Die Shows sind immer gut besucht. Man kann das inzwischen einigermaßen abschätzen, und wenn man denen das sagt, dann ist es auch gut. Und dann gibt’s noch das andere Szenario, dass die Bands hier aussteigen und sich einfach freuen, in der Pampa zu sein und es wunderbar finden, ein paar Kühe und Pferde zu sehen. Die haben sich dann meist aber auch mit der Geschichte schon auseinandergesetzt und wissen, wer hier alles schon gespielt hat. Die freuen sich einfach."
Conference Days
Seit 2013 gibt es im Rahmen des Haldern Pop Festival die "Conference Days", zweitägige Podiumsgespräche mit hochkarätiger Beteiligung. Ort des Treffens ist ein Zelt im Garten der Haldern Pop Bar, genutzt werden die Vormittagsstunden vor Eröffnung der Konzert-Bühnen. Das Diskussionsforum 2014 stand unter dem Titel "Stadt-Land-Flucht" und beschäftigte sich mit dem Phänomen der Verödung vieler Dörfer – und den möglichen Strategien gegen diesen inzwischen gesamteuropäischen Trend.
Hauptsprecher des ersten Tages, in dem Initiativen aus anderen Ländern im Fokus standen, waren Martin Elbourne, Daniel Fontana und Alf Olofson. Elbourne, künstlerischer Leiter des Glastonbury-Open-Airs, organisiert ein Festival im südaustralischen Adelaide, um die Stadt und ihr Umland kulturell aufzuwerten.
Daniel Fontana ist Betreiber einer kleinen, aber sehr namhaften Bar im Schweizerischen Düdingen und Initiator des Bad-Bonn-Kilbi, einem der bedeutendsten Indie-Festivals in Europa. Der Manager Alf Olofson referierte über die schwedische Stadt Borlänge, die den postindustriellen Strukturwandel mit verstärkten Kulturanstrengungen vorantreiben möchte.
Im Mittelpunkt des zweiten Konferenztages standen Initiativen und Strategien gegen die Landflucht speziell in Deutschland. Podiumsgäste waren Holger Ackermann, Vorstandsmitglied des "Bundesverbandes Lebendige Dörfer", Rembert Stiewe aus Beverungen, Betreiber eines Plattenlabels und Organisator eines kleinen Festivals sowie Birgit Mosler, die an der Hochschule Rhein-Waal das Projekt "Smart Villages" koordiniert und organisiert.

Besucher vor der Hauptbühne des Haldern Pop Festivals
Das ebenso kleine wie außergewöhnliche Haldern Pop Festival findet jedes Jahr im August statt. © Stefan Daub
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