Landwirtschaft

Superunkräuter auf dem Vormarsch

Ein französischer Biobauer reißt Unkraut aus dem Boden.
Eine Fruchtfolge einhalten und auf intensivsten Anbau verzichten, wie die Biobauern es tun, könnte die Lösung sein. © AFP / Mychele Daniau
Martin Häusling im Gespräch mit Dieter Kassel · 26.09.2014
Gentechnisch veränderte Pflanzen sind in Nord- und Südamerika die Ursache für schwer zu bekämpfendes Unkraut. Welche Unkräuter hierzulande bereits resistent sind, erläutert Martin Häusling von den Grünen im Europaparlament. Die Fraktion hat eine Studie zur weltweiten Ausbreitung der sogenannten Superweeds in Auftrag gegeben.
Dieter Kassel: Superweeds, das klingt wie der Titel eines Science-Fiction-Films. Auf Deutsch heißt das aber so ungefähr: Superunkräuter. Klingt nicht mehr nach Kino und ist auch in der Tat ganz real. Es geht um Schädlingspflanzen, die gegen Unkrautvernichtungsmittel, vor allen Dingen ein bestimmtes, resistent sind und sich vor allem in Nord- und Südamerika immer weiter ausbreiten. Heute, in so gut vier Stunden, wird in Berlin eine Studie zu diesem Thema vorgestellt, eine Studie, die von den europäischen Grünen in Auftrag gegeben wurde. Und wir sprechen darüber mit Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und selbst Agrartechniker. Guten Morgen, Herr Häusling!
Martin Häusling: Ja, schönen guten Morgen!
Kassel: Wenn eine Pflanze, ein Unkraut gegen das eine Schädlingsbekämpfungsmittel unempfindlich geworden ist, nimmt man doch einfach irgendein anderes. Warum geht das in diesem Fall nicht?
Häusling: Ja, die Strategie hat man auch jahrelang angewandt, bis im Grunde genommen gerade in Amerika man gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut hat, die nur gegen einen einzigen Wirkstoff resistent waren, nämlich gegen Glyphosat. Das hat man jahrelang angewandt. Und jetzt nach noch nicht mal zehn, zwölf Jahren hat man das Problem, dass die Pflanzen sich dem angepasst haben. Man reagiert mit zwei Arten: Man intensiviert noch den Einsatz von Glyphosat, das heißt, die Mengen werden drastisch erhöht. Wenn das irgendwann nicht mehr klappt, versucht man mit Mitteln, die eigentlich bei uns schon lange verboten sind, da gibt es ein Mittel das heißt 2,4 D, damit sozusagen der Lage Herr zu werden. Aber die Probleme werden immer größer, und das hat dazu geführt, dass in den USA tatsächlich schon Flächen aufgegeben wurden oder man wieder zur guten alten Handhacke zurückgreifen muss, um den Problemen Herr zu werden.
Plädoyer für eine vernünftige Fruchtfolge
Kassel: Das Problem gibt es nicht nur in Nord-, sondern auch in Südamerika. Sie haben das in Argentinien mal selbst gesehen, wie sieht das dann im wahrsten Sinne des Wortes aus?
Häusling: Ja, die Bauern sind ja mit dem Versprechen, Gentechnik anzubauen, mit dem Versprechen gelockt worden, dass sie dann nur noch einmal spritzen müssen und dann haben sie alle Probleme los. Das ging, wie gesagt, auch wie in Nordamerika relativ gut, die ersten paar Jahre. Und jetzt stehen die Farmer vor Flächen, wo neben dem Soja oder dem Mais noch viele andere Pflanzen wachsen, und man weiß sich jetzt nicht so richtig zu helfen. Das heißt, da ist jetzt der konventionelle Anbau in vielen Bereichen am Ende. Das heißt, man muss da im Grunde genommen entweder die Möglichkeiten ergreifen, wie man es jetzt in Nordamerika auch macht, nach dem Motto: noch mehr drauf mit giftigen Mitteln oder man versucht zumindest in Teilen, über eine vernünftige Fruchtfolge, über Einsatz von Bodenbearbeitung – das heißt, man pflügt wieder – das Problem in den Griff zu bekommen. Das ist, glaube ich, auch die Lösung des Ganzen. Wir müssen wieder hin zu einer Fruchtfolge, wir müssen hin zu einer vernünftigen Bodenbearbeitung. Und was jetzt auf der anderen Seite stattfindet, ist eine immer weitere Intensivierung mit immer neuen Wirkstoffen und immer mehr Chemie. Das kann es auf keinen Fall sein, es gibt ganz normale Methoden, die wenden die Bio-Bauern zum Beispiel schon lange an.
Auf uns könnten dieselben Probleme zukommen
Kassel: Gibt es eine entsprechende Entwicklung, was jetzt diese Superweeds, diese resistenten Unkräuter angeht, auch schon in Europa?
Häusling: Die gibt es in der Tat, in Deutschland haben wir fast 30 resistente Unkräuter. Das sind meistens Ungräser im intensiven Getreideanbau, zum Beispiel Ackerfuchsschwanz, Windhalm, für diese Pflanzen gibt es in manchen Regionen kaum noch Möglichkeiten, die chemisch zu bekämpfen. Das ist ein Problem, was nicht so schnell wächst wie in den USA, weil wir in Deutschland ja auf Gentechnik verzichtet haben, zum Glück, kann man sagen. Aber das Problem wächst langsam, aber sicher heran. Und man kann das ganz genau beobachten in den Regionen, wo sehr intensiv gewirtschaftet wird, wo keine Fruchtfolge herrscht, wo Weizen, Raps angebaut wird, gerade in diesen Regionen haben wir im Grunde genommen, wenn auch ein bisschen zeitverzögert, dieselben Probleme wie in den USA.
Rückkehr zur nachhaltigen Landwirtschaft
Kassel: Ist das zumindest in Europa noch zu stoppen?
Häusling: Wir haben ja lange an einer Agrarreform gebastelt, und da war eine große Diskussion, dass wir doch die Bauern verpflichten, eine Fruchtfolge einzuhalten. Also auf intensivsten Anbau zu verzichten quasi, mit der Aussicht, dann Fördermittel zu bekommen. Das ist ja von den klassischen Bauernverbänden vehement bekämpft worden. Aber ich glaube, wir waren da auf dem richtigen Weg. Denn man muss sozusagen zu Praktiken der nachhaltigen Landwirtschaft zurückkehren, um dieses Problem zu bekämpfen. Es wird nicht funktionieren, dass wir auf die chemische Industrie setzen, dass die jetzt neue Wirkstoffe entwickelt. Es sind in den letzten Jahren überhaupt keine neuen Wirkstoffe entwickelt worden, und das ist auch nicht die Art, wie, glaube ich, die Bevölkerung Landwirtschaft sehen will. Nehmen Sie nur mal, in der Kulturlandschaft haben wir heute fast nur noch Weizen, Gerste, Raps, Mais. Vor 20 Jahren sah das Bild noch viel vielfältiger aus: Hafer, Sommergerste, die sind ja fast alle verschwunden in vielen Regionen. Und je intensiver, desto mehr Chemie, das ist das Problem.
Kassel: Ich danke Ihnen für das Gespräch! Martin Häusling war das, danke schön, Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, zur Ausbreitung der sogenannten Superweeds. Eine Studie zu diesem Thema im Auftrag der europäischen Grünen wird in gut vier Stunden in Berlin vorgestellt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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