Landwirtschaft ohne Mineraldünger

Biobauer macht mit Regenwürmern Gesellschaftspolitik

Von Gerhard Richter · 04.08.2015
Im Schnitt werden auf jeden Hektar Acker in Deutschland pro Jahr rund 200 Kilo Dünger gestreut. Die Biobauern Josef und Irene Braun schwören dagegen auf Millionen unterirdische Helfer: Regenwürmer. Die könnten sogar die Gesellschaft umpflügen, wenn man sie ließe.
Josef Braun: "Wir kommen alle aus der konventionellen Landwirtschaft. Wo wir in der Ausbildung mitgeteilt kriegen, dass wir nur mit mineralischer und dann auch mit organischer Düngung gute Erträge erzielen können. Und das stimmt ganz einfach so nicht."
Irene Braun: "Ich muss auch sagen, der Sepp hat früher den Hof umgestellt, als wir in der Küche die Ernährung umgestellt haben."
Weniger Fleisch und mehr saisonale Gemüse aus der Region. Aber Irene und Josef Braun haben nicht nur die eigene Ernährung umgestellt, sondern auch die ihrer Regenwürmer auf dem Acker.
"Wenn man wirklich den Regenwurm ernst nimmt, dann muss ich mich mit ihm beschäftigen. Dann muss ich wissen, was braucht der für Wohnung, was braucht der auch zum Essen. Ich mein das ernst so. Und Regenwürmer lieben aromatische Gewürz-Kräuter. Und das heißt, ich versuch einfach den Regenwurm gezielt vollwertig zu ernähren."
Josef Braun baut auf seinen Feldern als Zwischenfrucht immer mal Klee an und Wiesenkräuter. Die Regenwürmer darunter freuen sich. 600 pro Quadratmeter wühlen den Boden um. Ihre Röhren sind zwei Meter tief und pro Hektar hinterlassen sie 80 Tonnen Kot. Darin enthalten sind 280 Kilo Stickstoff.
"Wer sich in Landwirtschaft auskennt, der weiß: Das ist das Doppelte, was derzeit in der modernen Landwirtschaft gedüngt wird."
Leichte Trecker bevorzugt
Und der Regenwurm kann noch mehr. In seinen Röhren sammelt sich das Regenwasser.
"Wir haben geschaut wieviel Wasser der Boden pro Quadratmeter und Stunde bei mir aufnimmt. Und das waren 150 Liter pro Quadratmeter und Stunde. Das ist übrigens der Niederschlag den wir vor zwei Jahren hatten, bei dem großen Hochwasser."
Der Sturzregen, sagt Josef Braun, wäre einfach versickert, anstatt abzufließen, anzuschwellen und als reißender Fluss die Städte zu verwüsten. Aber in den Maismonokulturen gibt’s halt weniger Würmer und die wenigen Röhren werden auch noch von schweren Treckern plattgerückt.
"Je schwerer, dass die Maschinen werden, weltweit, steigen linear die Überschwemmungsereignisse",
zitiert er das Ergebnis einer Studie. Weil Schwere Maschinen die Regenwurmröhren zerdrücken, hat er sich einen leichteren Trecker besorgt, und fährt nur noch mit breiten weichen Reifen. Und pflügen war auch gestern. Den Boden bricht der 56-Jährige nur noch mit der Kreiselegge um. Auch das schont die Bodenstruktur. Zwei Prozent Humus haben Josef Brauns Bodentiere in den letzten 20 Jahren aufgebaut. Allein darin sind pro Hektar 200 Tonnen Co2 gespeichert.
"Wenn wir weltweit auf unseren Ackerflächen vier Prozent Humus aufbauen würden, wovon ich ausgeh', dass es locker in einer Generation möglich ist, also innerhalb von 30 Jahren. Dann ist mit vier Prozent Humus mal der weltweiten Ackerfläche, das ganze Co2, was zu viel ist in der Atmosphäre, im Boden wieder rückgespeichert."
Skepsis der anderen sinkt
Solche dicken Klima-Bretter könnte der Regenwurm bohren, wenn nur alle mitmachen würden. Josef Braun will seine rundum wertvollen Methoden durchaus auch verbreiten. Denn:
"Hier sieht man, dass Landwirtschaft eben Gesellschaftspolitik ist."
Aber wer möchte bitteschön Würmer im Fundament der Gesellschaft. Auch wenn sie noch so nützlich sind. Deshalb untergräbt Josef Braun hartnäckig die herrschende Meinung, und seine Frau Irene steht hinter ihm.
"Ja, ich denke, das ist sein Faible, einfach den Leuten zu übermitteln, dass es mehr gibt als die normale Landwirtschaft. Man muss ein bisschen wachrütteln dadurch."
In Freising jedenfalls schauen die konventionellen Bauern nicht mehr ganz so skeptisch auf den Biolandhof von Irene und Josef Braun. Das merkt er schon.
"Also dass ich nicht nur der Spinner bin, ein Stück weit ist man das auch. Ja, die merken, dass wir als Familie davon leben können, dass wir noch nicht pleite gegangen sind nach 27 Jahren und dass der Betrieb auch weiterläuft. Also insofern kann´s net ganz schlecht sein."
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