Laksmi Pamuntjak

Schreiben über eine düstere Vergangenheit

Die indonesische Autorin Laksmi Pamuntjak
Die indonesische Autorin Laksmi Pamuntjak © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Paul Stänner · 14.10.2015
Sogar einen erfolgreichen Restaurantführer hat die indonesische Schriftstellerin Laksmi Pamuntjak bereits veröffentlicht. Gefeiert wird sie auf der Frankfurter Buchmesse aber für ihren aktuellen Roman "Alle Farben Rot", für den sie auf der Gefangeneninsel Buru recherchierte.
Laksmi Pamuntjak hat in ihrem Haus am südlichen Rande von Jakarta zum Abendessen einen langen Tisch vollgestellt mit Tellern und Schüsseln. Sie erklärt die einzelnen Gerichte, ihre Herkunft aus den vielen verschiedenen Regionen Indonesiens und die Mischung der Gewürze aus unzähligen Zutaten.
Laksmi Pamuntjak hat einen atlasgroßen Restaurantführer durch die hohe und feine Küche Jakartas geschrieben, der bereits in der vierten Auflage erschienen ist - von einem deutschen Romancier würde man diese Zweigleisigkeit wohl eher nicht erwarten. Aber es ist natürlich nicht ihr Restaurantführer, der sie zum Star der Frankfurter Buchmesse macht, sondern ihr aktueller Roman "Alle Farben Rot".
"Geschichte mit dem großen 'G' hat einen sehr weiten Panoramablick. Oft übersieht sie die Geschichte der normalen Menschen. Das war ein Grund, warum ich über diese Zeit schreiben wollte. Ich hatte in meiner Familie oder im Freundeskreis keine unmittelbaren Erlebnisse im Zusammenhang mit 1965, aber ich habe viele Geschichten erfahren."
"Eine große menschliche Tragödie"
Laksmi Pamuntjak, 1971 geboren, gehört zu einer Generation indonesischer Autorinnen und Autoren, die sich mit der Diktatur unter General Suharto beschäftigen. Beginnend mit dem Jahr 1965 verschwanden Schätzungen zufolge bis zu einer Million Oppositioneller in Gefangenenlagern und Folterzentren. Sie waren oder galten als Kommunisten und deshalb als Staatsfeinde. Das ganze Land war quasi rechtlos. Nach Suhartos erzwungenem Rücktritt im Mai 1998 erlaubten freie Wahlen und eine Liberalisierung des Medienrechts ein geistiges Klima, in dem die Fragen nach der Vergangenheit möglich wurden.
"Ich fasste den Entschluss, einen Roman zu versuchen. Ich sage 'versuchen', weil ich als Neuling begann. Ich hatte keinerlei Erfahrung und es war ein einschüchterndes Projekt. Wir haben es hier mit einer großen menschlichen Tragödie und einem der schrecklichsten Blutbäder des 20. Jahrhunderts zu tun - und von vielen Ereignissen weiß die Welt noch nichts."
Amba, die Protagonistin des Romans, wird 1965 in einem Tumult von ihrem Geliebten Bhisma getrennt, Bhisma verschwindet in einem Lager auf der Molukkeninsel Buru, 2000 Kilometer von Jakarta entfernt. Im Frühjahr 2006 reist die nun 60-jährige Amba auf diese Insel, um nach den Spuren ihres Geliebten zu suchen. Die Ereignisse des Romans umfassen die Geschichte des Landes von der Mitte der 60er-Jahre bis in die Gegenwart.
"Es geht nicht darum, wer gewonnen hat. Die kommunistische Seite hat viele Anhänger der Rechten verfolgt, und die haben natürlich die Anhänger der Linken angegriffen. Viele stimmen mir nicht zu, wenn ich von einem Bürgerkrieg spreche, sie sagen es sei die Auslöschung einer politischen Gruppe durch eine andere. Aber eine Ausrottung wie diese geschieht nicht im luftleeren Raum."
Bis zum 21. Lebensjahr als Konzertpianistin aufgetreten
Laksmi Pamuntjak - schlank, dunkelbraune Haare, dunkelbraune Augen - stammt aus einer Intellektuellenfamilie. Ihr Vater, ein Architekt, hatte in Berlin studiert, ihre Mutter, eine Apothekerin, in Großbritannien. Laksmi war talentiert und wurde gefördert. Bis zum 21. Lebensjahr trat sie als Konzertpianistin auf. Zwei Klaviere in ihrem Haus erinnern daran.
Dann studierte sie Politik und asiatische Studien, arbeitet als Übersetzerin und Journalistin und ist eine der ausgezeichneten Autorinnen ihres Landes. Ihr Roman "Alle Farben Rot" ist bereits in der fünften Auflage - trotz oder wegen seines kontroversen Themas. Wie sehr die Aufarbeitung einer düsteren Vergangenheit eine Nation bewegen kann, wissen wir aus unserer eigenen Geschichte.
Während wir am Tisch sitzen, erzählt Laksmi Pamuntjak von ihrer Recherchereise auf die Gefangeneninsel Buru, dem Schauplatz der Handlung ihres Romans. Sie reiste zusammen mit einem ehemaligen Gefangenen und lernte mit seinen Augen zu sehen.
"Menschen sind immer mehrdeutig"
"Ich bin mir sicher, dass wir vom militärischen Geheimdienst überwacht wurden. Bis hin dazu, dass der Geheimdienst eine ganze Nacht in unserem Hotel war, um herauszufinden, ob wir wirklich diejenigen waren, als die wir uns ausgegeben hatten. Wir kamen von außerhalb und ich hatte das Gefühl, dass es immer noch latentes Misstrauen gab gegen Personen von außerhalb ... denn ohne Vorwarnung wurden wir vor unserer Abreise sechs Stunden lang von der Polizei verhört."
Den literarischen Rahmen ihres Romans "Alle Farben Rot" bildet das Epos "Mahabharata", das aus der hinduistischen Kultur stammt. Es ist ein gewaltiges Werk voll Intrigen, Blut und epischen Schlachten und einem so zahlreichen Personal, dass der Olymp der griechischen Götterwelt dagegen wie eine recht überschaubare Wohngemeinschaft erscheint. Amba und Bishma, Pamuntjaks Protagonisten, entstammen diesem Epos.
"Das ist etwas, dass ich vom Mahabharata und anderen großen Epen gelernt habe: Menschen sind immer mehrdeutig. Man kann sie nicht in Schachteln packen: gut-böse oder schwarz-weiß. Ich glaube, die größte Tragödie liegt darin, dass jemand entweder auf Seiten der Nationalisten oder der Armee war oder auf Seiten der Kommunisten - denn die waren die Gegner, die sich bekämpft haben - und sie waren beide die Verlierer in diesem Prozess."
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