Laikas bittere Geschichte

07.03.2011
Dieser Comic erzählt vom ersten irdischen Lebewesen im Weltall. Nick Abadzis gibt der Hündin Laika eine Biografie, folgt ihr durch Moskauer Vorortviertel zum Hundefänger, ins Institut für Raumfahrtmedizin und ins All.
Die ersten Bilder dieser Graphic Novel schälen sich aus einer blanken weißen Fläche heraus. Eine Schneelandschaft taucht auf, Wachtürme, ein Mann. Sein Name ist Sergej Koroljow, gerade hat er ein sibirisches Arbeitslager verlassen. 18 Jahre später steht dieser Ex-Häftling für einen der größten sozialistischen Erfolge im Kalten Krieg: Als Chefkonstrukteur des sowjetischen Raketenprogramms bringt Koroljow den Sputnik ins All.

Nick Abadzis springt in seinem Buch von der Befreiung Koroljows aus dem Gulag mitten hinein in den Jubel über den ersten Sputnikflug im Oktober 1957. Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow bestellt sofort einen zweiten Triumph, Koroljow und sein Team sollen zur 40-Jahr-Feier der Oktoberrevolution ein Lebewesen ins All schicken, Vorbereitungszeit: ein Monat. Das ist ein Todesurteil für den Passagier, denn in dieser viel zu kurzen Zeit können die Konstrukteure kein Rückholsystem für einen Weltraumflug entwickeln. Der Hund Laika wird für den Propagandaerfolg geopfert.

Historische und atmosphärische Genauigkeit ist einer der großen Vorzüge dieser Graphic Novel. Selbst die Mondphasen stimmen. Die dokumentarischen Qualitäten der Gattung besitzen auch mit Comic-Elementen arbeitende Filme wie "Waltz with Bashir" oder neuerdings "The Green Wave".

Aber dies ist keine Dokumentation über das Sputnik-Programm, sondern eine Erzählung vom ersten irdischen Lebewesen im Weltall. Nick Abadzis gibt der Hündin Laika eine Biografie, er folgt ihr durch Moskauer Vorortviertel zum Hundefänger, ins Institut für Raumfahrtmedizin und schließlich ins All. Der Ausflug in Laikas Vorgeschichte ist etwas länglich, der Bericht über die Welpenzeit bringt die Geschichte nicht voran.

Interessanter wird es, wenn Laikas Schicksal in der Anteilnahme der Betreuer gespiegelt wird. Obwohl es ihre Aufgabe ist, den Hund so hart wie möglich für den Weltraumeinsatz zu trainieren, geht einigen von ihnen Laikas bedenkenlos einkalkulierter Tod ungemein nahe. Die sowjetische Propaganda hat damals verbreitet, Laika sei nach einigen Tagen im Orbit durch ein Gift im Futter sanft eingeschläfert worden. Tatsächlich ist die Hündin nach wenigen Stunden in der unzureichend isolierten und stark aufgeheizten Raumkapsel verendet.

Nick Abadzis ist in diesem Buch sehr frei mit den Möglichkeiten der Comic-Erzählung umgegangen. Manchmal eröffnen ganzseitige, wortlose Zeichnungen neue Schauplätze oder innere Welten, dann wieder treiben Seiten mit 20 und mehr Bildern die Handlung in schnellem Tempo voran. Abadzis hat Laika in einem realistischen, auf das Wesentliche konzentrierten Stil gezeichnet, mit einer großen Empathie für die Zeit und die Menschen, von denen er erzählt. Deshalb ist aus der bitteren Geschichte von Laikas Tod kein plattes antisowjetisches Klagelied geworden, sondern eine eindrucksvolle Geschichte vom Preis des menschlichen "Fortschritts".

Besprochen von Frank Meyer

Nick Abadzis: Laika
Aus dem Englischen von Ebi Naumann
Atrium Verlag, Zürich 2011
208 Seiten, 20 Euro