Lagerwahlkampf einmal anders

Von Günter Hellmich, Landesstudio Berlin · 21.10.2010
Renate Künast will also Klaus Wowereit ablösen, gesagt hat sie es aber immer noch nicht. Die Medieninszenierung dieser Kandidatur wird langsam ärgerlich. Bis zum 5. November müssen wir uns noch gedulden: Dann spuckt sie es endlich aus - allein diese Ankündigung füllt heute wieder die Berliner Schlagzeilen.
Ort der Veranstaltung: das Museum für Kommunikation, wo gegenwärtig eine Ausstellung über "Gerüchte" stattfindet, und diese Location wurde ganz bewusst gewählt. Man mag so was als Selbstironie goutieren, könnte es aber auch unter Zynismus abbuchen. Die grünen Kampagneros wollen jedenfalls zeigen, dass sie mit allen Wassern gewaschen sind, und sie haben knallhart kalkuliert: Angesichts der grünen Wählerkonjunktur bietet Renate Künast als populäre Spitzenkraft mit Heimvorteil die einmalige Chance eine grüne Ministerpräsidentin durchzusetzen. Soweit so gut.

Andererseits wird die ehemalige Verbraucherministerin aber auch in der Bundespolitik gebraucht. Gerade jetzt wo sich entscheidet, ob die schwarz-gelbe Regierungskoalition wieder Tritt fasst, und die Grünen sich selbst als wichtigste Oppositionspartei definieren. Deshalb können sie eigentlich auf der anderen Seite der Spree gar nicht auf Renate Künast verzichten. Also wird diese am 5.11. wohl erklären: Ich kandidiere, behalte aber Mandat und Fraktionsvorsitz, und gehe nur als Regierungschefin wieder in die Landespolitik zurück, stehe damit weder für ein Senatorenamt noch für die Oppositionsführung zur Verfügung.

Das mag von den Parteimitgliedern akzeptiert werden, bei den Berliner Wählern kam das Modell Rückfahrkarte in der Vergangenheit nicht besonders an. Nicht umsonst schießen sich Wowereit und die SPD mit diesem Argument auf die ansonsten überaus geschätzte Renate ein.

Das wird jedenfalls ein überaus merkwürdiger Wahlkampf werden. Da die CDU derzeit in den Umfragen zwischen 16 und 22 Prozent liegt und die FDP unter die 5-Prozent-Klausel fällt, kandidieren mit Künast und Wowereit zwei prominente Spitzenkandidaten gegeneinander, die aus dem gleichen politischen Lager stammen. Mutmaßlich würden SPD und Grüne wohl die künftige Koalition bilden. Offen ist - mit Schröder gesprochen nur, wer Koch wird und wer Kellner.

Darüber hinaus darf man in den nächsten Monaten vor allem auf die inhaltlichen Auseinandersetzungen zwischen Künast und Wowereit gespannt sein. Nach bisheriger Programmlage bestehen die Differenzen zwischen Rot, Grün und Dunkelrot jedenfalls eher in Nuancen. Also könnte es wohl auf einen reinen Personalwahlkampf hinauslaufen, bei dem persönliche Sympathie entscheidet. Die Medien können sich freuen, denn hier haben sie die entscheidenden Karten in der Hand.