"Lady Africa" von Paula McLain

Die britische Lebefrau

Die britische Flugpionierin Beryl Markham
Die britische Flugpionierin Beryl Markham © Imago
Von Susanne Schädlich · 29.08.2015
Aufgewachsen unter britischen Kolonialisten in Afrika, Pferdetrainerin und Flugpionieren, dazu zahlreiche Liebschaften: Das Leben der Beryl Markham klingt nach einem Roman - und genau das hat Paula McLain nun daraus gemacht.
Geboren wird Beryl Markham 1902 in Rutland. Ihre Eltern, Charles und Clara Clutterbuck, gehören der britischen Upper Class an. 1904 wandert die Familie nach Ostafrika aus, das 1920 britische Kolonie wurde.
Clara, abgestoßen von der Primitivität und Einsamkeit und in Sorge um Beryls älteren kränkelnden Bruder, kehrt nach England zurück. Beryl bleibt beim Vater in Njoro, wächst fern herkömmlicher Schulbildung auf. Ihre Freunde sind die Tiere und Stammesangehörige der Nandi, Kipsigis und Kikyuo, die auf dem Farmgelände ansässig sind. Von ihnen lernt sie deren Sitten und Dialekte, Jagen, Spuren wilder Tiere lesen. Die Kindheits- und Jugendjahre prägen sie. Für sie ist Afrika eine Welt ohne Mauern, nichts darf sie einengen, auf Konventionen pfeift sie.
Als ihr Vater aus wirtschaftlichen Gründen die Farm und Pferdezucht aufgeben muss, wird Beryl, gerade 16-jährig, Pferdetrainerin. Pferderennen sind unter den weißen Farmern beliebt. Sie ist die erste Frau, die in Kenia eine Trainerlizenz erwirbt und im East Africa Turf Club mit den von ihr trainierten Pferden Rennen gewinnt. Aber es ist eine Männerdomäne, das Leben ist hart, es mangelt an Geld. So heiratet sie den viel älteren Farmer Jock Purves, erkennt aber schnell, dass sie für die Ehe nicht geschaffen ist, geht nach Nairobi, bewegt sich in der Gesellschaft der reichen Kolonialisten, die in der britischen Enklave weder ihre Traditionen abwerfen noch ihre Kleingeisterei, macht Bekanntschaft mit Karen Blixen, die unter dem Pseudonym Tanja Blixen später ihren Weltbesteller "Afrika – dunkel lockende Welt" schrieb. Auch Karens Mann Bror Blixen, einen passionierten Großwildjäger, lernt Beryl kennen, und Karen Blixens Liebhaber, den Aristokraten und leidenschaftlichen Piloten Denys Finch Hatton. Mit beiden Männern hat sie eine Affäre. Denys ist ihre große Liebe.
Beryl Markham war eng befreundet mit Antoine de Saint Exupery
Beryl gerät ins Gerede. Sie flieht für eine Weile nach England. Wieder in Afrika erwirkt sie die Scheidung von Jock, heiratet 1926 erneut: Mansfield Markham, einen reichen britischen Erben, der sie auf Reisen in die Pariser und Londoner Gesellschaft einführt.
Zurück in Kenia, wird sie von Markham schwanger. Das hält sie jedoch nicht davon ab, ein Techtelmechtel mit dem Prince of Wales anzufangen, als die königliche Familie auf Safaritour ist. Den Sohn Gervase bringt Beryl in London zur Welt, wird ihn aber in die Obhut der Schwiegereltern geben müssen, um nach Kenia zurückzukehren. Kurz darauf nimmt sie die Fliegerei auf.
Weil sich das alles wie ein Roman liest, hat Paula McLain über all das aus Beryl Markhams Leben einen Roman geschrieben, der jetzt unter dem Titel "Lady Africa" auf Deutsch erscheint. Doch lässt McLain Wesentliches aus. Unter anderem, dass Markham als erste Frau in Kenia einen Flugschein erwarb, als Buschpilotin arbeitete, Krankentransporte und als Scout für Großwildjäger flog, dass sie von 1939 bis 1952 in Kalifornien lebte, ein drittes Mal heiratete, den Schriftsteller Raoul Schumacher – auch diese Ehe scheiterte -, dass sie eng befreundet war mit Antoine de Saint Exupery.
Paula McLain: Lady Africa
Paula McLain: Lady Africa© Aufbau Verlag
In den USA schieb Markham ihr Erinnerungsbuch "Westwärts in der Nacht", das 1942 kurz die Bestsellerliste eroberte, jedoch bald in Vergessenheit geriet. Allein dessen Wiederentdeckung klingt wie ein Märchen. 1982 stieß George Gutekunst, ein trinkfester Büchernarr, bei der Lektüre von Briefen Ernest Hemingways an seinen Lektor Maxwell Perkins auf Markhams Namen und die Erwähnung ihres Buches. Hemingway pries "Westwärts in der Nacht" als "verflucht gutes Buch" und sie als schriftstellerisches Ausnahmetalent.
"Beryl Markham schreibt so phantastisch, daß ich mich als Autor minderwertig fühle."
Gutekunst sorgte für eine Neuerscheinung von "Westwärts in der Nacht" und für die Wiederentdeckung von Markhams Leben und Werk.
Der Sprache in "Lady Africa" mangelt es an Eleganz
Weder die poetische noch die intellektuelle Kraft dieser außergewöhnlichen und starken Frau kommen in McLains "Lady Afrika" zum tragen. Was Markham in "Westwärts in der Nacht", als der Vater ihres Nandi-Kindheitsfreundes in den Ersten Weltkrieg zieht, so beschreibt:
"Aber man gab ihm ein Gewehr, und so ließ er den Speer und den Schild zurück und nahm den Mut mit; und ging dorthin, wo man ihn schickte, weil man ihm sagte, dies sei seine Pflicht, und an Pflicht glaubte er. Er glaubte an die Pflicht und an die Art von Gerechtigkeit, die er kannte, und all die Dinge, die von der Erde stammten – so wie die Stimme des Waldes, oder wie das Recht eines Löwen, einen Bock zu töten, oder das Recht eines Bocks, Gras zu fressen, oder das Recht eines Mannes zu kämpfen."
Das klingt bei McLain so:
"Während meiner Schulferien hatten Kibii und ich auf dem Hügel gestanden und zugesehen, wie er auf dem Weg zu seinem Regiment davonmarschierte. Aufrecht und stolz, in einer Hand den Speer, in der anderen sein Schild aus Büffelleder, schritt er den unbefestigten Weg hinunter. Er wurde Hunderte Meilen fortgesandt, an die Grenze zu Deutsch-Ostafrika, wo man ihm anstelle seines Speers ein Gewehr in die Hand drückte."
Der Sprache in "Lady Africa", das flotte - es gibt viele Dialoge – Nacheinandwegerzählen, einmal abgesehen von einigen stilistischen Ausrutschern der Übersetzerin, mangelt es an Eleganz, die Beryl Markham in ihren eigenen Büchern zweifellos bewiesen hat.
Obwohl McLain für die Recherche auf etliche Quellen zurückgegriffen hat, auch auf Beryl Markhams autobiografische Erzählung, bleibt der Roman an der Oberfläche, wird im Laufe der Lektüre fade. Markham war nicht nur Lebefrau, sie war politisch wach und kritisch, reflektierte durchaus ernstzunehmend über die Politik des Vereinigten Königreiches in Afrika und die weiße Gesellschaft dort. McLain hat sich leider nicht die Mühe gemacht, Beryl Markham in ihrer ganzen Komplexität darzustellen, sondern beschränkt sich fast ausschließlich auf deren amour fous.
Wer an gängiger, gefälliger Unterhaltungsliteratur interessiert ist, dem mag "Lady Africa" genügen. Wer mehr über Beryl Markham erfahren möchte, wie sie lebte, wie sie dachte und fühlte, und sich von ihrer Poesie inspirieren lassen möchte, der greife zu "Westwärts in der Nacht" oder der Sammlung von Kurzgeschichten "Rivalen der Wüste". Insofern kann man Paula McLain vielleicht doch dankbar sein: Sie macht erneut auf die Bücher von Beryl Markham aufmerksam.

Paula McLain: Lady Africa
Übersetzt von Yasemin Dincer
Aufbau Verlag
448 Seiten, 19,95 Euro

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