"Labyrinth der Imagination"

20.03.2012
Er sei ein "Labyrinth der Imagination, eine kosmische Figur, ein Spinnrad, das immer schneller dreht", sagt Heinz Holliger über seinen Komponistenkollegen Robert Schumann. Kontrolle und Emotion, das charakterisiert auch die Musik von Heinz Holliger und das Spiel des Geigervirtuosen Thomas Zehetmair. Zwei große Interpreten unserer Zeit, zwei bedeutende Komponisten der Musikgeschichte: ein doppeltes Doppelporträt.
Heinz Holliger komponierte sein Stück "Ardeur noire d’après Claude Debussy" im Jahre 2008. Es wurde im Juli desselben Jahres im Rahmen des Zürich Festival vom Tonhalle-Orchester uraufgeführt und erfreut sich seither großer Beliebtheit. Die Komposition nimmt eines der letzten Werke von Claude Debussy , "Les soirs illuminés par l’ardeur du charbon" (Die Abende werden durch Kohlenglut erleuchtet) zum Ausgangspunkt. Debussy schrieb das Werk für seinen Kohlenhändler, Monsieur Tronquin, der es in den schwierigen Kriegsjahren fertig gebracht hatte, Debussys Haus ständig mit dem kostbaren Brennstoff zu versorgen. Den Titel entlehnte Debussy humorvoll einem Gedicht von Baudelaire, "Balcon", das er 1888 vertont hatte. Die Musik für den Kohlenhändler entstand Anfang 1917, ging später verloren und wurde erst im November 2001 wiedergefunden. Heinz Holliger schuf daraus ein kurzes Orchesterstück, wahlweise auch mit Chor ad libitum.

"Ich wollte ein Concerto funèbre schreiben, ohne melodramatisch zu werden", bemerkt Heinz Holliger über sein Violinkonzert. Wie auch andere seiner Konzertstücke (Siebengesang, Turm-Musik) ist das Violinkonzert Musik über eine Biographie: Der Schweizer Maler Louis Soutter (1871 1942), der auch eine Geigenausbildung bei Eugène Ysaÿe absolviert hatte, lebte aufgrund psychischer Krankheit fast zwanzig Jahre in einem Pflegeheim, wo die meisten seiner rund viertausend Bilder entstanden. Wegen nachlassender Sehkraft malte er zum Schluss nur noch mit den Fingern. Mit Hilfe stilistischer Anspielungen in der Musik zeichnet Holliger das Leben des pazifistischen Malers nach, von dessen erstem Bild 1904 bis zu seinem Tod 1942. Das Violinkonzert wurde zum 75. Geburtstag des Orchestre de la Suisse Romande geschrieben, in dem Louis Soutter während kurzer Zeit als Geiger spielte.

Schumann, der Joseph Joachim in einer Aufführung des Beethoven-Konzerts gehört und schätzen gelernt hatte, skizzierte wenige Wochen später seine Fantasie für Violine mit Orchester und schrieb am 14. September an den berühmten Geiger: "…eine Fantasie für Violine mit Orchester, bei der ich indes während des Schaffens mehr an Sie gedacht. Ich sende sie mit; es ist mein erster Versuch. Schreiben Sie mir, was daran vielleicht nicht praktikabel ist. Auch bitte ich, die Bogenführungen bei Harpeggien, wie überhaupt, mir in dem Manuskripte zu bezeichnen und mir die Partitur dann für einige Tage zurückzuschicken." Joachim war sehr angetan von dem neuen Werk, das er zwei Wochen später, am 28. September, in Schumanns Haus in Düsseldorf probierte und am 27. Oktober im Allgemeinen Musikverein Düsseldorf uraufführte.

"Könnten Sie Ihrem Orchester beim Spiel etwas Frühlingssehnsucht ein wehen! - Die hatte ich hauptsächlich dabei, als ich sie schrieb im Januar 1841.- Gleich den ersten Trompeteneinsatz möcht‘ ich, dass er wie aus der Höhe klänge; wie ein Ruf zum Erwachen. - In das Folgende der Einleitung könnte ich dann hineinlegen, wie es überall zu grünein anfängt, wohl gar ein Schmetterling auffliegt. - Und im Allegro: wie nach und nach alles zusammenkommt, was zum Frühling etwa gehört. - Doch das sind Phantasien, die mir nach der Vollendung der Arbeit ankamen. Nur vom letzten Satz will ich Ihnen sagen, dass ich mir Frühlingsabschied darunter denken möchte, dass ich ihn darum nicht zu frivol genommen wünschte." (Robert Schumann, 1843)
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Philharmonie Luxembourg
Aufzeichnung vom 9.2.12

Heinz Holliger
Ardeur noire d’après Claude Debussy
pour grand orchestre

Konzert für Violine und Orchester
("Hommage à Louis Soutter")

Robert Schumann
Fantasie für Violine und Orchester op. 131

ca. 21:05 Konzertpause mit Nachrichten

Robert Schumann
Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38
("Frühlingssymphonie")


Thomas Zehetmair, Violine
Orchestre Philharmonique du Luxembourg
Leitung: Heinz Holliger