Labbrige Teiglinge am Bahnhofskiosk

Von Udo Pollmer · 16.12.2012
Wer auf Reisen etwas zum Essen sucht, bleibt oft am Imbissstand hängen. Und wenn es schnell gehen soll, ist Fastfood willkommen. Doch wer zum belegten Brötchen greift, muss auf Überraschungen gefasst sein. Udo Pollmer hat sich durch das Angebot der deutschen Bahnhofsverkäufe gegessen.
Wer viel unterwegs ist und sich am Bahnhof oder Kiosk verpflegen muss, der hat beim Fastfood die Qual der Wahl. Hamburger mit Pommes? Ach was, ein knuspriges Brötchen mit Schinken oder Käse auf die Faust tut‘s doch auch – und ist viel reeller. Doch irgendwie schaffen es die Anbieter immer wieder, der Kundschaft eins auszuwischen. Statt eines knusprigen Brötchens gibt’s ein blasses, längliches, weiches Objekt, und innen drin ist der Teig noch pappig, weil er nicht mal durchgebacken wurde. Wenn sich das Zeug im Mund zu einem festen Klumpen zusammenballt, ahnen wir, dass unser Bäcker wieder mal Energie gespart hat.

Doch statt die halbrohen Teiglinge wenigstens ordentlich mit Butter zu bestreichen, wird eine windige Mayo drübergeferkelt – eine Mischung aus Wasser, Rapsöl und starken Emulgatoren. Im Zug oder während der Autofahrt suppt die Mayo in das pappige Innenleben und sorgt nun für eine breiige Konsistenz. Dem stellen sich die unvermeidlichen Salatblätter entgegen, die in diesem Feuchtbiotop länger frisch halten. Hygienebewusste Zeitgenossen pflegen das Laubwerk dennoch umgehend herauszupulen, – schließlich ist die Mayo für potenzielle Keime auf rohen Zutaten das reinste Wellnessbad. Am Preis kann der Unfug nicht liegen. Wer in seiner Sandwich-Panschanlage die Salatköpfe auch noch per Hand zerzupfen und drapieren kann, der hätte Geld und Zeit genug, stattdessen Butter auf’s Brötchen zu schmieren.

Findige Kioskbetreiber schneiden die Brötchen nur ein wenig ein, dann wird das bisschen Belag sinnreich gefaltet und seitlich einen Zentimeter tief reingedrückt, damit es auf der Schauseite schier überquillt. Wer nach dem Erwerb die Brötchenhälften aufklappen will, um die Objekte der Begierde vernünftig zu platzieren, dem purzelt alles raus. Ohne Nachschneiden mit dem Taschenmesser geht da gar nix.

Und dann die Käsescheiben. Manche schmecken nicht mehr nur gummig-fade, inzwischen gibt es sogar welche, die während der Fahrt auch noch schmierig-breiig werden. Ja, an deutschen Bahnhöfen bekommt man die technischen Neuerungen der Molkereien als erstes serviert - noch bevor damit die Schulkantinen erschlossen werden. Böse Zungen behaupten, an der Schmierigkeit von Käse, Schinken und Wurst könne man den Charakter des Gewerbes erkennen. Wer weiß. Apropos Wurst: Kann mir jemand verraten, wo man Salamischeiben herkriegt, die so schmecken, als würden sie aus Innereien bestehen, die mit Euter gestreckt wurden? Mag sein, dass ich mich täusche, aber dann will ich lieber nicht wissen, was da wirklich drin war.

Auf der "Wurst" liegen matschige Tomaten und fade Gurkenscheiben. Doch das, was da drauf gehören würde, wäre eine Salz- oder Essiggurke und nicht Rohkostteilchen, die überhaupt nicht mit Schinken und echter Wurst harmonieren. Die frische Säure der eingelegten Gurken sorgt für einen freien Gaumen. Man kann hier Sauergemüse so wenig durch eine Rohkostgarnitur ersetzen wie durch eine hübsch gefaltete Serviette.

Durchgebackene Brötchen, bestrichen mit Butter, belegt mit Emmentaler, mit bissfester Salami oder Schinken, und obendrauf etwas Sauergemüse, das ist ein Zeichen von Esskultur, das ist appetitliches Fastfood für unterwegs. Doch das schwindet sang- und klanglos von der Bildfläche. Aber wenn Jugendliche lieber Hamburger von US-amerikanischen Ketten verputzen, – die High-Tech-Alternative zum belegten Brötchen,- dann hagelt es Kritik. Doch diese Ketten sind wenigstens in der Lage, ihre Hamburger mit richtigen Salzgurken zu belegen und ihre Schwamm-Brötchen so vorzubacken, dass sie nicht mit Ketchup zu Brei verschmelzen. Selbst das Hackfleisch ist frei von penetranten Fehlgeschmäckern.

Wer diese Art von Fastfood kritisiert, sollte sich lieber mal der belegten Brötchen annehmen, dem Stiefkind des schnellen Essens. Ich frage mich manchmal, ob manche Gastronomen bereits mit der Aufgabe ihren Gästen ein anständiges Brötchen zu schmieren, überfordert sind? Es stimmt schon, das ist handwerklich eindeutig anspruchsvoller als nur ein Fertiggericht in die Mikrowelle zu schieben. Mahlzeit!

Literatur
Die Anzeigentafeln der Deutschen Bahn; die Aushänge an den Imbissbuden; die Kioske an Autobahnraststätten; "Tiefeninterviews" mit Fahrgästen während der Verspätungspausen.
Mehr zum Thema