Kyteman

Musikalischer Grenzgänger

Der niederländische Musiker Colin Benders, alias Kyteman
Der niederländische Musiker Colin Benders, alias Kyteman © dpa / picture alliance / Bergen
Von Franziska Schiller und Clara Neubert · 21.04.2014
In den Niederlanden ist er bereits ein Star, in Deutschland noch ein Geheimtipp: Unter dem Künstlernamen Kyteman verschmilzt der junge Musiker Colin Benders Klassik, Jazz und Hip Hop zu einer spannenden Melange.
Die kleine Halle ist fast ausverkauft, das Publikum steht dicht gedrängt. Während auf der Bühne 30 Musiker rappen, rocken und reüssieren.
"Diese ungeheure Musikalität von diesem Kyteman, das ist einfach unglaublich, was der drauf hat!"
Links vorne tönt die Bläserfraktion. Rechts klingen die Streicher: Dazu singt ein Chor. Mittendrin zwei Rapper, die singend auf und ab springen. Und dann ist da dieser Typ, der mal virtuos ins Flügelhorn bläst, dann wieder absetzt und lässig das Ensemble dirigiert. Der junge Mann ist Colin Benders, alias "Kyteman", mit seinem gleichnamigen Orchester. Der 27-jährige Lockenkopf mit dem kantigen Gesicht musiziert, dirigiert und hat die Songs auch selber komponiert. Geboren wurde Colin Benders in Utrecht, der pittoresken Stadt im Herzen der Niederlande, wo er bis heute lebt.
Seine Vorfahren stammen aus der Karibik. Von einem Besuch beim Großvater kam er mit Rasta-Locken zurück, die lange sein Markenzeichen als Musiker waren. Heute sind die Rastas seinen Naturlocken gewichen. Die Leidenschaft für Außerordentliches ist geblieben. Musikalisch kombiniert er Klassik mit Zitaten aus dem Jazz, Hip Hop und Popmusik. Seine graublauen Augen leuchten, wenn er davon spricht.
"Musik muss sich aus dem Innersten heraus entwickeln. Meistens hat sie mehr mit dem Gefühl als mit irgendeinem Stil zu tun. Ich mische deshalb auch keine Musikstile. Weil ich gar nicht daran glaube, dass es welche gibt. Wie man Musik empfindet: Wenn man sie für andere macht - oder was man selbst dabei fühlt: Damit kann ich arbeiten."
Schon mit vier Jahren begeistert sich Benders für Musik
Auslöser für Colin Benders Leidenschaft war sein Onkel Jacky Terrasson. Der Jazz-Pianist arbeitete mit Jazzgrößen wie Betty Carter zusammen und ist besonders in Amerika und Frankreich aktiv.
"Es war auf einem Familientreffen in der Weihnachtszeit. Mein Onkel hatte eine Trompete mitgebracht und die ganze Familie alberte damit herum. Sie machten die komischsten Geräusche damit. Und ich war begeistert von diesem Ding: Von diesem Instrument, das so wunderbar quietschige Töne erzeugen konnte. Niemand von uns wusste ja, wie man richtig darauf spielt."
In dem Moment hatte es den Vierjährigen gepackt. Doch bis Benders mit dem Trompete spielen anfangen konnte, vergingen noch drei Jahre. Erst als die letzte Zahnlücke geschlossen war, durfte sich er sich zum Unterricht anmelden. Sein Interesse ging schnell über Instrumentenkunde und klassische Trompetenliteratur hinaus: Der Onkel nahm ihn mit auf Jazz-Festivals und Konzerte. Die ältere Schwester Emily kannte eine befreundete Hip Hop-Band: Der damals 12-jährige Colin spielte bald mit.
"Alle drei Musikstile haben mich in meiner musikalischen Entwicklung beeinflusst, auf sehr unterschiedliche Weise. Die klassische Musik war die Grundlage, Jazz wurde zur Tür in die Freiheit, indem er mir zeigte, was ich mit Musik alles anstellen kann. Und mit dem Hip Hop oder Pop konnte ich das Ganze dann auf meine Art in Musik umsetzen."
Drei Jahre lebte er in einer abgeschotteten Welt
Für den dann 17-Jährigen war Schule bald kein Thema mehr. Bis spät in die Nacht spielte er mit seiner Band Relax - und die Kasse stimmte. Er brach die Schule ab und machte nur noch Musik. Doch als Relax sich auflöste, stand er plötzlich vor dem Nichts.
"Wenn du zu Hause sitzt und nichts anderes zu tun hast, fängst du bald an, alle Arten von seltsamen Stimmen und Geräuschen im Kopf zu hören. Und die einzige Art sie zum Schweigen zu bringen, war ihnen nachzugehen und Beats daraus zu machen."
Drei Jahre lebte er in dieser abgeschotteten Welt. Er brachte sich Klavier- und Waldhornspielen bei, um für seine Kompositionen den richtigen Sound zu entwickeln. Eine seltsame, doch wichtige Zeit für ihn.
2009 gründete er sein eigenes Label "Kytopia" und veröffentlichte sein erstes Album mit dem vielsagenden Titel "The Hermit Sessions" – Improvisationen eines Einsiedlers.
"Ich erzählte ein paar Leuten, dass ich ein Hip Hop-Orchester aufbauen will. Die meisten lachten mich aus: Oh Mann, das meinst du doch nicht ernst? Irgendwie schaffte ich es aber, ein paar Leute zu überzeugen und organisierte einen Gig mit Orchester. Wir haben gespielt und die Leute haben es geliebt! Noch in derselben Nacht wurden wir für das gesamte Jahr gebucht."
Bis heute ist Colin Benders mit seinem Orchester aus der holländischen Musikszene nicht wegzudenken. Mittlerweile ist ein Teil seiner Familie fest in das Unternehmen eingebunden: Seine Eltern kümmern sich um das Management. Das neueste musikalisches Projekt: Eine reine Jam-Session-Tour. Das heißt, es wird ausschließlich improvisiert. Und damit will er auch wieder nach Deutschland kommen.
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