Kurz und kritisch

Rezensiert von Stephan Speicher · 08.09.2013
Vier Bücher zur Geschichte - ein großes Thema: die Völkerschlacht. Dabei geht um das Ende der alten Welt durch die Völkerschlacht, Europas Kampf gegen Napoleon, den Mythos "Napoleon" und die weltgeschichtliche Bedeutung der Schlacht.
Weniges ist so aus der Mode gekommen wie die Geschichte der Schlachten und Kriegszüge. Andreas Platthaus hat sich davon nicht entmutigen lassen. Sein Buch über die Völkerschlacht bei Leipzig enthält eingehende Schilderungen der Gefechte an den vier Tagen des 16. bis 19. Oktobers 1813, aber noch einiges mehr: Ein Kapitel zum Beispiel über erste Versuche mit Raketen - und die Debatten, die sich sofort daran knüpften.


Der Redakteur im Feuilleton der "FAZ" nimmt nicht nur Fragen von Strategie und Taktik in den Blick, sondern auch die der Verpflegung und der medizinischen Versorgung. Und natürlich geht es um Politik. Nationen und nationale Leidenschaften treten ins Geschehen ein.

Auf dem Leipziger Schlachtfeld gehen sächsische Kontingente, die ihr König dem Befehl Napoleons unterstellt hatte, zum Gegner über. Da mag sich das Nationalgefühl mit dem Opportunismus mischen. Aber die Überzeugung ihres Befehlshabers von Ryssel, die Pflicht gegen das Vaterland ziehe der Pflicht gegen den König eine Grenze, sie ist Zeichen einer neuen Zeit.

Cover Andreas Platthaus: "1813"
Cover Andreas Platthaus: "1813"© Rowohlt Verlag
1813
Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt
Rowohlt Berlin, 480 Seiten, 24,95 Euro
Auch als ebook erhältlich.


Für die Reihe "Beck Wissen", die auf historischem Gebiet ein bewunderungswürdiges Niveau hält, hat Hans-Ulrich Thamer die Völkerschlacht skizziert. Wo Platthaus auf knapp 500 Seiten ins Erzählen kommt, muss Thamer auf einem Viertel des Platzes sich kurz fassen. Doch das gelingt ihm vorzüglich: konzentriert, dabei gut lesbar und durch geschickt ausgewählte Zitate auch immer anschaulich.

Er stellt die Völkerschlacht in den Zusammenhang der seit 1810 kollabierenden Macht Napoleons. Die Begeisterung für ihn war längst verraucht, überdeutlich die inneren Widersprüche seiner Politik, die den Anspruch auf Freiheit und Glück verkündete und doch alle unterworfenen Länder für die Zwecke seiner Macht ausbeutete.

Waren also die Kriege gegen Napoleon Volkskriege? - Der Professor für Neuere Geschichte aus Münster ist vorsichtig, er sieht hergebrachte Momente des Kabinettkrieges weiterwirken. Als Volkskriege lebten sie allerdings in Erinnerung und Geschichtswissenschaft fort - Bürgern und Militärs, Rechten und Linken zur Selbstbestätigung.

Cover Hans-Ulrich Thamer: "Die Völkerschlacht bei Leipzig"
Cover Hans-Ulrich Thamer: "Die Völkerschlacht bei Leipzig"© C.H. Beck Verlag
Die Völkerschlacht bei Leipzig
Europas Kampf gegen Napoleon
C.H. Beck Verlag München, 126 Seiten, 8,95 Euro


Alexandra Bleyer setzt mit dem spanischen Aufstand 1808 ein. Fünf Jahre kämpfen französische Truppen dort, dem Kleinkrieg sind sie nicht gewachsen. Was die Historikerin hier interessiert, aber auch an den folgenden Kriegen gegen Napoleon in Österreich, Russland und Deutschland: Sind es tatsächlich Volkskriege, oder ist das bloß ein Mythos?


Im Schlusskapitel ist sie sich ganz sicher. Meist sei der Volkskrieg nur ein "Etikettenschwindel", dem Volkskrieg fehle vor allem eines: das Volk. Gewiss ist richtig, dass die Nation im frühen 19. Jahrhundert eine bildungsbürgerliche Leidenschaft ist. Und die alliierten Regierungen bringen den Krieg bald unter ihre politische Kontrolle.

Doch bevor sie zuletzt so schneidig den Mythos Volkskrieg abfertigt, hat sie eine Menge Belege ausgebreitet, die in die Gegenrichtung weisen: zum Beispiel, dass wie nie zuvor an die Bevölkerung appelliert wurde, die Sache ihres Landes zur eigenen zu machen.

Cover Alexandra Bleyer: "Auf gegen Napoleon"
Cover Alexandra Bleyer: "Auf gegen Napoleon!"© Primus Verlag
Auf gegen Napoleon!
Mythos Volkskriege
Primus Verlag Darmstadt, 264 Seiten, 24,90 Euro.


Im Juni 1813, knapp vier Monate vor der Schlacht bei Leipzig, treffen sich Napoleon und Metternich in Dresden. Diesem, wie er es nennt, "weltgeschichtlichen Duell" hat Günter Müchler ein schönes Buch gewidmet. Dabei ist Duell nicht ganz das richtige Wort. Denn die Entscheidung, über die man verhandelt, ist bereits getroffen. Österreich wird mit Russland und Preußen ein neues Bündnis eingehen - zum Kampf gegen Napoleon.

Der Journalist und Historiker zeichnet die beiden Männer, die hier zusammenstoßen, als Repräsentanten zweier Welten: Metternich, gewinnend, konservativ ohne Furor, selbstsicher aus Tradition, ein Herr des Alten Reiches.

Napoleon dagegen der Mann der neuen Zeit. Alles verdankt er sich selbst, so muss er ununterbrochen Effekt machen, und das bedeutet: Waffentaten. Er, der Aufsteiger, unterliegt der Dynamik des Erfolges. Kompromiss, Machtgleichgewicht, das wäre Gift für seine Stellung. Mit ihm gibt es nur Unterwerfung oder Krieg.

Cover Günter Müchler: "1813 - Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden"
Cover Günter Müchler: "1813 - Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden"© Konrad Theiss Verlag
1813
Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden
Konrad Theiss Verlag Stuttgart, 268 Seiten, 24,95 Euro