Kurz und kritisch

30.10.2011
Die Rekonstruktion eines Verbrechens liefern Matthias Deiß und Jo Goll. Sein Tagebuch der arabischen Rebellion legt der Reporter Karim El-Gawhary vor. Das Einwanderungsland BRD beschreiben Migranten in dem Sammelband "Fremde Heimat Deutschland".
Das Leben von Hatun Sürücü war ihren Brüdern nicht viel wert, viel weniger als das, was die Familie für "Ehre hielt". Und so wurde die junge Frau ermordet, mit drei Schüssen, abgefeuert von ihrem jüngeren Bruder.

Das ist nun bald sieben Jahre her. Der Mord und der Prozess haben Deutschland aufgewühlt. Wie war so ein Mord mitten in Deutschland möglich? Und wie konnten die Brüder so glimpflich davonkommen?

Matthias Deiß und Jo Goll haben monatelang recherchiert. Sie haben Bekannte und Verwandte befragt, sie haben die beste Freundin getroffen, die den Mord bis heute nicht verarbeitet hat, sie haben die Zeugin aufgespürt, die sich bis heute verstecken muss, und sie haben den Mörder zum Reden gebracht. Vieles davon war bis dahin keinem Journalisten gelungen.

Das Ergebnis ist eine genaue Rekonstruktion eines Verbrechens, ein bewegendes Buch, und ein aufschlussreiches Zeugnis über soziale Welten, die zu Deutschland gehören.

"Ehrenmord. Ein deutsches Schicksal", von Matthias Deiß und Jo Goll
Hoffmann und Campe.


Das Jahr 2011 ist kein gutes für Könige und Despoten. Der frühere ägyptische Herrscher Mubarak steht vor Gericht, und der ehemalige libysche Machthaber ist tot. In etlichen arabischen Ländern herrscht Revolution, die Menschen wollen Veränderung.

Wie verändern sich Tunesien, Ägypten, Libyen? Entstehen dort Demokratien? Oder kommen lediglich andere, neue Cliquen an die Macht?

Der Journalist Karim El-Gawhary hat direkt aus diesen Ländern berichtet, über viele Monate. Jetzt hat er all die Zeitungstexte, Radio-Interviews, Fernsehberichte und seinen Internetblog in einem Buch zusammengefasst. Dieses "Tagebuch der arabischen Revolution" bildet die Entwicklung seit dem Sommer 2010 ab.

Der Band liest sich unmittelbar und direkt. Er bietet eine Vielzahl von Momentaufnahmen. Darüber hinausreichende Analysen kommen etwas kurz. Das schmälert den Erkenntniswert zwar etwas. Aber für eine abschließende Bewertung ist es ohnehin noch zu früh.

"Tagebuch der arabischen Revolution", von Karim El-Gawhary
Verlag Kremayr & Scheriau.


Vor 50 Jahren hat die Bundesrepublik eine Einladung ausgesprochen: Türkische Arbeiter sollten nach Deutschland kommen, als so genannte "Gastarbeiter". Später sollten und wollten sie wieder gehen. Doch viele sind geblieben, und in Deutschland heimisch geworden.

"Fremde Heimat Deutschland" lässt diese Einwanderer zu Wort kommen. Warum sind sie nach Deutschland angekommen? Wie wurden sie empfangen? Und wieso sind manche nach Jahrzehnten wieder in ihr Ursprungsland zurückgekehrt?

Dazu kommen Gespräche mit Migrationsforschern, und es gibt Hintergründiges über "Transmigranten", über "Rückkkehrer" und über jene, die nicht nur auf Deutsch träumen, sondern längst auch den deutschen Pass besitzen.

Zwar wirkt die Auswahl der einzelnen Schicksale oft beliebig, und die einzelnen Abschnitte stehen recht unverbunden nebeneinander. Lesenswert ist das Buch dennoch – weil es nicht der oft üblichen medialen Fixierung auf Zwangsehe und Ehrenmord folgt. Stattdessen zeigt es die Normalität all der Lebensläufe. Ungewöhnlich, unbeschönigt und unaufgeregt.

"Fremde Heimat Deutschland – Leben zwischen Ankommen und Abschied", herausgegeben von Murat Ham und Angelika Kubanek
Ibidem Sachbuch
Cover Matthias Deiß, Jo Goll: "Ehrenmord"
Cover Matthias Deiß, Jo Goll: "Ehrenmord"© Verlag Hoffmann und Campe
Cover Karim El-Gawhary: "Tagebuch der arabischen Revolution"
Cover Karim El-Gawhary: "Tagebuch der arabischen Revolution"© Verlag Kremayr & Scheriau
Cover Murat Ham, Angelika Kubanek: "Fremde Heimat Deutschland"
Cover Murat Ham, Angelika Kubanek: "Fremde Heimat Deutschland"© Ibidem Verlag