Kurz und kritisch

07.02.2010
Rolf Hosfeld stellt in seiner neuen Karl-Marx-Biografie den Begründer des Sozialismus als zerrissenen Denker dar. Christian Blees bastelt aus Tonbändern des DDR-Soldatensenders ein erschreckendes Feature. Und James Fennimore Coopers Staatsroman "Die Monikins" erscheint in neuer Übersetzung.
Rolf Hosfeld: Die Geister, die er rief. Eine neue Karl-Marx-Biografie
Piper Verlag

Marx und der Marxismus - ein Thema, das sich und uns erschöpft? Nein, dieser Band ist ein köstlicher Gewinn: Biografie, Theorie, Revolutionsgeschichte, Zeitgeschichte, alles in einem und in seiner Bedingtheit einleuchtend und spannend. Das lebendige Bild eines brillanten, ständig radikalen, eigentlich ganz unpolitischen Philosophen wird hier von Rolf Hosfeld entfaltet.

Marx geriert sich als ein neuer Saint-Just. Die meisten seiner hektischen Aktionen und politischen Prognosen entpuppen sich als Traumgebilde. 20 Jahre lang imaginiert er ein Remake der Französischen Revolution. Erst sehr viel später geht ihm und vor allem Engels auf, dass die Verhältnisse sich doch geändert haben. Marx’ politische Verbindungen und Freundschaften sind mehr von Affekten als von Einsichten bestimmt. Die Adelsgesellschaft hasst er bis aufs Blut, aber Bismarck findet er - eigentlich - hervorragend. Seine eigene Frau ist aus altem Adel, sein Schwager Ferdinand von Westphalen sogar preußischer Innenminister. Er selbst ist getaufter Jude und heftiger Antisemit.

Karl Marx wird hier als Zerrissener gezeigt, zerrissen von den Konflikten des Zeitgeistes, mehr Opfer als Akteur. Geblieben allerdings, und das dürfte für unsere gegenwärtige wirtschaftliche Krise von grundlegender Bedeutung sein, ist seine tiefschürfende Analyse des Kreditwesens. Das ist nicht wenig. Sehr gelungenes Buch.


Christian Blees: Wir sind eine feste Bastion
Audio Verlag

Auf dem Kasernengelände waren Radios streng verboten, dabei hatten selbst die Soldaten des Stasi-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" zuweilen nichts zu tun. Um sie nicht auf falsche Gedanken kommen zu lassen - der RIAS sendete nur wenige Kilometer entfernt - versorgte man sie mit einem eigenen Programm. Darin ging es ums anständige Soldatenleben, die Gefahren des Alkohols, die Liebe zur Partei und wertvolles politisches Liedgut aus Männerkehlen.

Ein Zufall beförderte ein halbes Dutzend Tonbänder mit Sendungen aus den frühen 80er-Jahren zutage, und Christian Blees hat daraus ein bizarr-komisches, in seiner programmatischen Einfalt stellenweise aber auch erschreckendes Feature gemacht. Im Nachhinein findet keiner der vom Autor befragten Zeitzeugen seinen Dienst beim MfS-Regiment so richtig schrecklich, nur an die Langeweile erinnert man sich. Immerhin: Unterm Namen "Dzierzynksi" würde man nicht mehr dienen wollen. Denn der hat auch Kommunisten umbringen lassen. Wie garstig.


James Fennimore Cooper: Die Monikins
Neu übersetzt von Robert Wohlleben
Verlag Achilla Presse

Wir kennen ihn vornehmlich als Verfasser des "Lederstrumpf", doch James Fennimore Cooper hatte auch eine andere Seite. Im frühen 19. Jahrhundert schrieb dieser erste amerikanische Bestsellerautor politische Essays und Reportagen, und sein Hauptwerk "Die Monikins" ist ein veritabler satirischer Abriss der amerikanischen Demokratie zu Beginn des kapitalistischen Zeitalters. Bissig und unterhaltsam, bis ins Detail ausgefeilt wie ein utopischer Staatsroman, so schildert Cooper eine fiktive Zivilisation intelligenter Affen – eben der Monikins – die alle Fehler der Menschheit grotesk überspitzt wiederholen, ob als Monarchisten oder als Republikaner.

Der kleine Verlag Achilla Presse hat es gewagt, nach 160 Jahren das zweibändige Werk neu übersetzen zu lassen und vertreibt die schöne und gehaltvolle Ausgabe nur übers Internet. Ein Geschenk für Liebhaber geistiger Abenteuer und für Menschen, die denken, dass sie im Kopf mehr Intelligenz haben als ein Affe im Schwanz. Das aber, sagt Cooper, sei meistens ein Irrtum!
Rolf Hosfeld: "Die Geister, die er rief. Eine neue Karl-Marx-Biografie"
Rolf Hosfeld: "Die Geister, die er rief. Eine neue Karl-Marx-Biografie"© Piper Verlag
Christian Blees: Wir sind eine feste Bastion
Christian Blees: "Wir sind eine feste Bastion"© Audio Verlag
James Fennimore Cooper: "Die Monikins"
James Fennimore Cooper: "Die Monikins"© Verlag Achilla Presse